COLD BLOOD eher warmherzig

DEADFALL– Bundesstart 21.11.2012

Postermotiv, Copyright Magnolia Pictures / StudioCanal

Shane Hurlbut hat mit seiner Kamera-Ästhetik Winterbilder gezaubert, die einen wirklich frieren lassen. Mag sich unangebracht anhören, ist aber tatsächlich so. DEADFALL ist eine diffuse Variation des Western-Genres, wo Landschaften einen wichtigen Stellenwert einnehmen. So wundert es eigentlich nicht, dass auch bei DEADFALL die Landschaftsphotographie atmosphärischer Bestandteil der Geschichte geworden ist. Shane Hurlbut wertet diesen Thriller mit seinen wohlstrukturierten Bildern weit über die Qualität seiner Geschichte auf. Denn wo sich ANATOMY-Regisseur Stefan Ruzowitzky mit seinem Auslandsdebut vertan hat, sind das Vertrauen auf seine Darsteller und die Geschichte hintenanstehen zu lassen.

Die Geschwister Addison und Liza haben nach einem Casino-Überfall einen Unfall, der sie zwingt, sich getrennt durch die eisige Wildnis zu schlagen. Ihre Flucht kulminiert in einem blutigen Showdown in Chet und Junes abgelegenem Farmhaus. Man muss Chet und June extra erwähnen, nicht weil sie die Eltern der Hauptfigur Jay sind, der sich in die flüchtige Liza verlieben wird. Sondern weil sie von Kris Kristofferson und Sissy Spacek gespielt werden, deren Chemie trotz der wenigen Dialoge und geringeren Zeit auf der Leinwand alle anderen Schauspieler wirklich in ihre Schranken weist.

Charlie Hunnam als einsamer Rächer, Copyright Magnolia Pictures / StudioCanal

Mit seiner hinreißenden Photographie und dem erst im zweiten Akt gefundenen Tempo ist DEADFALL kein schlechter Thriller. Banas Figur des Addison ist unberechenbar genug, um die Spannung zu halten. Aber auch Kate Maras junge Polizistin sorgt immer wieder für unerwartete Überraschungen. Es gibt nur wenige Action-Szenen, diese sind aber auf den Punkt inszeniert, ein wahrer Augenschmaus. Aber DEADFALL ist nicht nur Thriller, sondern auch ein sehr kluges Drama. Unter dem Deckmantel einer Mörderhatz verbergen sich die lange unterdrückten Probleme aller drei am Ende betroffenen Familien. Ob offener Sexismus, Missbrauch oder die große Enttäuschung nach zu hoch gesteckten Erwartungen. Jede Familie hat ihren dunklen Hintergrund, der die Geschichte in ihrem Verlauf mehr und mehr beeinflusst.

Wenige unbedeutende Logiklöcher können ganz hintenanstehen. DEADFALL ist kein schlechter Thriller, und er ist ein ebenso gutes Drama. Aber er hätte in beidem wesentlich besser sein können. Da ist zum einen Charlie Hunnam als Jay, der seiner Rolle mit stets verkniffenem Kiefer mehr Ausdruck verleihen will. In einer Liga mit Namen wie Bana, Wilde, Kristofferson, Spacek, Mara oder Williams kann ein Mann wie Charlie Hunnam nur verlieren. Leider verliert aber dadurch auch der Film. Ruzowitzky hätte gut daran getan, auch die Hauptfigur mit einem verlässlichen Namen zu besetzen, was nicht verwechselt werden soll mit einem bekannten Namen. Aber gerade die dramatische Rolle eines wütenden, geschassten, dazu sehr einsilbigen Ex-Boxers benötigt ein sehr nuanciertes Spiel, wenn der Thriller auch auf der dramatischen Ebene funktionieren soll.

Olivia Wilde als Liza, Copyright Magnolia Pictures / StudioCanal

Und dann ist da Eric Bana, der seinen Addison mit stoischer Gelassenheit sein Schicksal beherrschen lässt. In einer definierenden Szene entschuldigt er sich vor dem finalen Schuss sogar bei seinem Opfer. Das ist nicht zwangsläufig eine Regieanweisung, denn es ist Eric Bana. Und mit ihm ist einiges möglich. Und leider ist es auch möglich, dass mit ihm der Film am Ende total auseinanderbricht. Addisons undurchsichtige Art bestimmt die Figur. Im zwanzigminütigen Finale fällt das alles auseinander. Addison wird zum durchschaubaren Psychopathen, zu einem unberechenbaren Klischee, zu einem Klischee, das bereits über alle Maßen in weit belangloseren Filmen beansprucht wurde. Darüber hinaus ist es ein Klischee, das langweilt, unoriginell und auch uninteressant ist. Muss er wirklich auf einmal so austauschbar werden? Für den Showdown ist es tödlich. Und es nimmt dem Film endgültig die Möglichkeit, sich abzuheben.

Stefan Ruzowitzkys Einstand ins amerikanische Filmgeschäft hätte zu etwas Besonderem werden können. Es ist ein ansehnlicher Film, mit dem richtigen Tempo, guten Spannungsmomenten und exzellenten Darstellern. Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Der Film ist bei Weitem nicht, was er hätte letztlich werden können. Leider demonstriert er das selbst allzu deutlich dadurch, wie er in den ersten zwei Akten funktioniert, wenn man vom Hauptdarsteller absieht. Stefan Ruzowitzky muss man trotz allem im Auge behalten. DEADFALL scheitert nicht, sondern seine Schwächen machen die Stärken des Regisseurs noch deutlicher. Und wer sich einlässt und sich dennoch enttäuscht fühlt, bekommt zumindest das eiskalte Vergnügen von Shane Hurlbuts wundervoller Photographie.

Eric Bana in Action, Copyright Magnolia Pictures / StudioCanal

Darsteller: Charlie Hunnam, Eric Bana, Olivia Wilde, Kris Kristofferson, Sissy Spacek, Kate Mara, Treat Williams u.a.
Regie: Stefan Ruzowitzky
Drehbuch: Zach Dean
Kamera: Shane Hurlbut
Bildschnitt: Arthur Tarnowski, Dan Zimmermann
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: Paul Denham Austerberry
USA / 2012
zirka 95 Minuten

Bildquelle:  Magnolia Pictures / StudioCanal
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