THE AWAKENING

Drei Jahre nach dem ersten Weltkrieg. Millionen Engländer haben ihr Leben verloren. Wenn es eine Zeit für Geister gab, dann diese. Florence Cathcart ist eine emanzipierte Frau, Autorin und Expertin für vorgetäuschte Geistererscheinungen. Mit Seancen und spirituellem Hokuspokus ist in dieser Zeit in England viel Geld zu verdienen. Florence Cathcart unterstützt die Polizei bei deren Bemühungen, Scharlatane und Kriegsgewinnler in Sachen Geister und Kontakten zur Zwischenwelt zu entlarven. Florence muss aber auch feststellen, dass viele Hinterbliebene lieber betrogen werden und mit falscher Hoffnung ihr Seelenheil suchen, anstatt sich über den gut bezahlten Unfug aufklären zu lassen. Anders bei Lehrer Robert Mallory von einem Internat in Rookford in England, der genau diese Expertin an der Schule braucht, um den Fall eines verstorbenen Schülers zu klären. Denn dessen Geist versetzt die anderen Schüler in panische Angstzustände.

Nick Murphy war vor AWAKENING als Regisseur lediglich fürs Fernsehen tätig. Das soll kein Qualitätsmerkmal sein, könnte aber die eine oder andere Schwäche in seinem mit Stephen Volks verfassten Drehbuch und in der eigentlichen Inszenierung erklären. Das eine wäre eine gewisse Behäbigkeit, die nicht mit der  klassischen Inszenierung verwechselt werden darf, welcher sich AWAKENING unterworfen hat. Zwar baut der Film immer wieder neue Spannungsmomente auf, aber man hat nie das Gefühl, Nick Murphy hätte es dabei sehr eilig gehabt. Im Handlungsablauf wird die aufkeimende Beziehung zwischen Florence und Robert klar von den Grusel-Sequenzen getrennt. Ein sich ergänzendes Ineinandergreifen beider Ebenen hätte den Film spannender und auch flüssiger gemacht.

Die Kamera von Eduard Grau taucht den Film in ein herrlich morbides Stahlgrau, welches die Stimmung bestens unterstützt. Während die Kameraführung selbst keinen eigenen Stil findet, gelingt es Grau dennoch sehr effektiv, in manchen Bildern den vermeintlichen Geist nur als Andeutung erscheinen zu lassen. Dabei bürdet er dem Zuschauer die Unsicherheit auf, ob es sich nur um einen Schüler oder doch eine Erscheinung handelt. Leider verzichtet auch AWAKENING nicht auf schrille Dezibel, wenn etwas unerwartet im Bild erscheint. Der Film hätte sich hier tatsächlich innovativ gegen ein nicht tot zu bekommendes Klischee stellen können, was die unheimliche Stimmung noch verstärkt hätte.

AWAKENING ist ein ansehnlicher Film mit wirkungsvollen Spannungsmomenten, etwas einfachen Bildern und hervorragenden Schauspielern, deren Charaktere auch nicht erklärte Marotten haben dürfen. Das leichte Stottern von Robert Mallory zum Beispiel. Aber AWAKENING hat als Auflösung auch eine unumgängliche Wendung. Diese Wendung ist nicht wirklich schlecht, aber auch weit entfernt von originell. Hier könnte man nochmals an Nick Murphys Fernsehkarriere erinnern. Denn so wirkt die Umsetzung der überraschenden Wendung auch wie eine Episode aus einer dieser beliebigen Grusel-Serien. Zwar wurden während des Verlaufs immer wieder Hinweise eingestreut, diese gaben dem Zuschauer aber kein Rätsel auf. Es fehlen diese Momente, die der Handlung und der späteren Auflösung vorausgreifen. Diese speziellen Ideen eben, die beim Zuschauer den Wunsch freisetzen, den Film unter dem Gesichtspunkt der überraschenden Wendung noch einmal anzusehen. Wenn man es dennoch täte, gäbe es nicht den überraschenden Aspekt, dass Szenen plötzlich einen ganz anderen Sinn ergeben würden.

AWAKENING hat keinen deutschen Verleiher gefunden und feiert seine einzigen Leinwandausflüge auf dem Fantasy Filmfest. Auch eine deutsche DVD-Veröffentlichung ist noch ungewiss, wobei der Film als England-Import bereits zu erwerben ist. Das ist insofern schade, weil es immer wieder weit schlechtere Vertreter des Horror-Films ins Kino schaffen. Dabei kann es so schön sein, Florence Cathcart dabei zu beobachten, wie sie mit Fotoapparaten, Elektromessgeräten, Glöckchen an Bindfäden und Pulver auf dem Fußboden auf Geisterjagd geht. Das hat durchaus etwas. AWAKENING hätte um Längen besser sein können, es macht ihn aber zu keinem schlechten Film. Nur zu einem Film mit vermeidbaren Schwächen.

Darsteller: Rebecca Hall, Dominic West, Imelda Staunton, Isaac Hempstead Wright, Lucy Cohu, John Shrapnel, Diana Kent, Richard Durden, Alfie Field u.a.
Regie: Nick Murphy
Drehbuch: Nick Murphy, Stephen Volk
Kamera: Eduard Grau
Bildschnitt: Victoria Boydell
Musik: Daniel Pemberton
Produktionsdesign: Jon Henson
Großbritannien / 2011
zirka 107 Minuten

Bildquelle: Optimum Releasing/Studio Canal

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