EVEREST in 3D

Everest-1, Copyright Universal Pictures InternationalEVEREST – Bundesstart 17.09.2015

Wer den Berg bezwingen will, der muss nicht nur körperliche Strapazen überstehen. 189 Menschen starben bisher bei ihrem Versuch, den Gipfel vom Dach der Welt zu betreten. Und 120 von ihnen liegen noch dort. Entlang der üblichen Routen liegen sie, meist in der Todeszone, über 8000 Meter. Eine Bergung der Leichen ist unmöglich, wäre körperlich zu anstrengen, und die Luft zu dünn für Flugmaschinen. Von zwei zusammen gelegten Expeditionen 1996, liegen acht erfrorene, oder an Lungenembolie gestorbene Bergsteiger. Der Journalist Jon Krakauer war bei dieser zusammengelegten Expedition dabei, überlebte, und schrieb ein Buch mit dem Titel ‚Into Thin Air‘. Es dauerte kein Jahr, da machte Columbia einen Fernsehfilm daraus, der ziemlich präzise die Ereignisse wiederspiegelte. Ein weiteres Jahr später kam mit EVEREST eine IMAX-Produktion auf die größten Leinwände der Welt, welche die Erhabenheit des weltgrößten Berges wiedergeben sollten.

Rob Hall und Scott Fischer sind Freunde aus Neuseeland, aber jeder hat seine eigene kleine Firma im Bereich von Extremsport. Der Grund für getrennte Wege, sind die sehr unterschiedlichen Kletter- und Führungsstile der Beiden. Nur einmal kommen sie sich ins Gehege, als sie mit jeweils einer eigenen Expedition 1996 im Basiscamp am Fuße des Berges aufeinander treffen. Sie möchte am selben Tag den Gipfel erreichen, was bedeuten würde, dass sich die beiden Gruppen gegenseitig im Wege wären. Letztendlich siegt die Vernunft, und die dreißig Bergsteiger tun sich zusammen, und brechen auf. Was sich zuerst als sehr gute Entscheidung herausstellt. Doch da ist immer noch das Wetter. Das Basiscamp kann gewöhnlich sehr gut das Wetter vorhersagen, aber dieses Mal ist der Himalaja unerbittlich.

Dem Isländer Baltasar Kormákur ein sehr spannender und atmosphärisch effektiver Thriller gelungen, der besonders in der ersten Hälfte seine besten Momente hat. Das liegt unter anderem auch an dem fantastischen Ensemble, welches von Jason Clarke und Jake Gyllenhaal überzeugend angeführt wird. Die ersten sechzig Minuten konzentrieren sich auf den Weg ins oberste Basislager. Die Männer und Frauen werden trainiert, untersucht, Stresssituationen ausgesetzt. Mitunter bietet diese erste Hälfte auch die spannendsten Momente. Und Kormákur definiert seine Charaktere in langsamen, unaufdringlichen Zügen. Immer wieder abschätzende Blicke von einem Teilnehmer zum anderen. Der Regisseur umgeht dabei geschickt überzeichnete Konfliktsituationen, aber konfrontiert seine Figuren dennoch mit dem Rest der Gruppe, und deren Schwächen. Im Berg ist jeder auf jeden angewiesen, da darf es kein schwaches Glied geben. Aber diese schwachen Glieder gibt es, und wie dies herausgearbeitet wird, dass ist verstärkt durch die Spannungsmomente, sehr packend erzählt.

Eine große Schwäche in der Inszenierung, ist der unbedingte Einsatz von zwei weiblichen Charakteren, die zuhause um ihre Männer bangen. Keira Knightley und Robin Wright tragen sehr wenig zu den eigentlichen Ereignissen bei. Denn im Gegensatz zu der ersten Hälfte, ist die Zweite ohnehin eindeutig zu lang geraden. Eine gesunde Straffung, vielleicht durch den Verzicht auf die Frauen-Figuren,  wäre von Vorteil gewesen. Was EVEREST trotzallem immer noch spannend genug hält. Die letzte Hälfte gehört dann ganz dem entscheidenden Weg zum Gipfel und der aufziehenden Katastrophe. Das Problem ist aber auch der Optik geschuldet. Die Bilder bis zum Wetterumschwung haben durchweg einen realistischen Charakter, wo man die Darsteller tatsächlich im Anstieg von Eis, Schnee und Gletscher vermutet. Dann kommen unausweichlich Computer animierte Bilder, welche die Landschaft und die ganze Katastrophe prägen. Und dem Film, oder den Effekte-Teams, gelingt es nicht auch den Sturm einem Unwissenden realistisch erscheinen zu lassen. Der Charme von ununterbrochenen Computereinsatz ist einfach nicht zu übersehen.

Grundsätzlich ist EVERST aber spannende, teilweise nervenzehrende Unterhaltung. Auch wenn der deutschen Wikipedia nicht immer zu trauen ist, kann man hier die wahre Geschichte nachlesen. Und man stellt fest, wie detailiert sich das Drehbuch und die Inszenierung an die Fakten gehalten hat. Und wann kann das schon einmal ein Film sagen, der vorgibt auf einer wahren Geschichte zu beruhen, dann aber noch immer so effektiv als Thriller zu funktionieren. Es gibt dazu, trotz einer nachträglichen 3D-Konvertierung, viele schöne Effekte, die dem unerfahrenen Kletterer im Publikum den Magen umdrehen werden. Das sind zum einen sehr nette Gimmicks, aber dadurch kann der Film auch kraftvoll vermitteln, welch ein Wahnsinn die menschliche Arroganz sein kann, wenn man glaubt die Natur beherrschen zu können. Auch hier funktioniert der Film sehr subtil, ohne den erhobenen Zeigefinger. Das hat Baltasar Kormákur wirklich im Gespür. Und so macht Geschichte nach einer wahren Begebenheit schließlich auch Spaß.

Nun ja, wenn der Film nicht eines außer Acht gelassen hätte, nämlich das Filmteam, welches zur selben Zeit für IMAX die 44 Minuten Dokumentation EVEREST im Berg drehte. Das wäre vielleicht eine nette Zutat geworden, aber das hätte die Erzählstruktur auch etwas verkompliziert. IMAX‘ EVEREST thematisiert demnach auch die Geschehnisse um die zwei Expeditionen, geht allerdings aus verständlichen Gründen nicht weiter auf die Tragödien ein, die den Rahmen einer familienfreundlichen Dokumentation gesprengt hätte. Die IMAX-Dokumentation hatte weniger gute Kritiken bekommen, weil man die Wucht der Bilder vermisste. Das könnte aber auch daran gelegen haben, dass sich die Film-Crew nicht filmisch auf die Katastrophe konzentrierte, sondern sich beherzt am Versuch einer Rettung der zwei Expeditionen beteiligte. Vielleicht wäre das doch noch Stoff genug für ein eigenes Filmerlebnis.

Everest-2, Copyright Universal Pictures International

Darsteller: Jake Gyllenhaal, Jason Clarke, John Hawkes, Michael Kelly, Elizabeth Debicki, Keira Knightley, Josh Brolin, Emily Watson, Sam Worthington, Robin Wright u.a.
Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: William Nicholson, Simon Beaufoy
Kamera: Salvatore Totino
Bildschnitt: Mick Audsley
Musik: Dario Marianelli
Produktionsdesign: Gary Freeman
Island – Großbritannien – USA / 2015
121 Minuten

Bildrechte: Universal Pictures International
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