Amazon Prime: SOUND OF METAL

Sound Of Metal 1 - Copyright AMAZON STUDIOSSOUND OF METAL
– Amazon Prime – 04.12.2020

Es gibt nur einmal eine emotionale Ausbruch, laut, unbeherrscht, selbstzerstörerisch und gewalttätig. Der Moment definiert den Charakter, seine Wut, seine Frustration, Hilflosigkeit, Angst und Panik. Aber von da an weiß Ruben, dass ihn so etwas nicht weiterbringen wird. Er muss etwas tun, er kann etwas tun. Also nutzt Ruben alle Möglichkeiten, die sich ihm für jedes Szenario anbieten würde. Da liegen Skepsis und Resignation stets sehr nahe beieinander. Aber auch Hoffnung und Akzeptanz. Es wird nicht mehr wie vorher, aber es könnte einen ähnlichen Weg geben. Den muss es eigentlich geben, denn Ruben hatte die letzten vier Jahre sein Leben im Griff. Drogenentzug, erfolgreich clean, feste Beziehung, Lebensglück. Und auf einmal wird er taub, ausgerechnet er, als Musiker.

Das wir Ruben bei seinem Gefühlsausbruch erleben, ist ein Zugeständnis an uns als Beobachter. Niemand soll einen Gedanken daran verschwenden, wie es tatsächlich in Ruben aussieht. Dabei hätte sich Regieneuling Darius Marder ganz auf seinen Hauptdarsteller verlassen können. Marder hat zusammen mit Derek Cianfrance, der die Idee zu SOUND OF METAL lieferte, THE PLACE BEYOND THE PINES geschrieben. Ein kraftvolles, einnehmendes Schauspielstück.

Aber weitgehend verlässt sich Marder schon auf sein Ensemble, dass hier, ebenso wie bei PINES, unglaublich stark und mitreißend agiert. Wobei Riz Ahmed ohne Wenn und Aber ganz vorne und stets im Mittelpunkt gesetzt ist. Ahmed wird sonst immer sehr gerne als charismatischer Sidekick und Antagonist für die zweite Reihe besetzt, auch sehr gern als das emotionales Kanonenfutter. Diese Casting-Entscheidungen können sich mit SOUND OF METAL gewaltig verschieben.

Lou und Ruben sind eine Zwei-Mann-Heavy-Metal-Band auf ewiger Tour. Sie leben in einem riesigen Wohnwagen, haben sich, und sind glücklich. Bis Ruben unvermittelt achtzig Prozent seines Gehörs verliert, was die Ärzte erst als Anfang diagnostizieren. Zur Bewältigung des ersten emotionalen Schocks, findet er Unterstützung in einer Gehörlosen-Gemeinde, allerdings isoliert von seiner regulären Umgebung, und von Lou.

Man muss sagen, dass die Story wirklich dünn zu bezeichnen ist. Sie spielt mit altbekannten Versatzstücken, aus ähnlichen Charakterstücken, und überzeugt wahrlich nicht durch Originalität. Tatsächlich spielt das aber kaum eine Rolle. Denn Darius Marder hält den Fokus so restriktiv auf Ruben, dass uns Riz Ahmeds Bandbreite an Ausdruck von Gefühlen und sogar Gedanken vollkommen vereinnahmt. Für seine innere Zerrissenheit, die verworrene Gefühlswelt, dafür gibt es keine Textzeile. Es ist beeindruckend, was für eine emotionale Palette ein Mensch allein mit seiner Mimik offerieren kann.

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Was SOUND OF METAL aber als neue, oder innovative Handlung nicht bieten kann, wird mit Marders Sound-Design aufgeholt. Er versetzt uns in die Stimmungslage von Ruben, und lässt nur hören, was und wie Ruben in seinem Zustand seine Umgebung akustisch wahrnimmt. Dabei geht der Regisseur uns als Zuschauer gegenüber manchmal einen Schritt weiter. Innerhalb einer Szene wechselt die Tonspur von Schnitt zu Schnitt mal auf Rubens Gehör, mal zu einem regulären Hörvermögen.

Eine gewisse Frustrationstoleranz muss man für das akustische Design des Filmes durchaus haben. So sehr es unter die Haut geht, und ein gewisses Verständnis für Rubens Situation erleben lässt, zweifeln wir auch hin und wieder an der Zuversicht für den Charakter. Aber genauso entlässt uns dann auch die Regie. Denn am Ende von SOUND OF METAL glauben und hoffen wir nur an einen versöhnlichen Ausgang. Denn so einfach die Geschichte auch sein mag, sie erzählt aus dem Leben. Und wer weiß schon, was das Leben für die Zukunft alles bereit hält.

In den Gehörlosen Gemeinschaften hat SOUND OF METAL wenig Freunde gefunden. Da der Film auch sehr exzessiv die Möglichkeit und den Hang zu Cochlea-Implantaten behandelt. Implantate, die direkt an den Hörnerv angekoppelt werden, wenn einfache Hörgeräte nicht mehr zum tragen kommen. Das erscheint widersprüchlich, aber ein erhebliche Anteil von Gehörlosen verstehen sich als Kultur, und nicht als Behinderte.

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Darsteller: Riz Ahmed, Olivia Cooke, Paul Raci, Mathieu Amalric, Lauren Ridloff, Chris Perfetti Jamie Ghazarin u.a.
Regie: Darius Marder
Drehbuch: Darius Marder, Abraham Marder – Story: Derek Cianfrance
Kamera: Daniël Bouquet
Bildschnitt: Mikkel E.G. Nielsen
Musik: Nicolas Becker, Abraham Marder
Produktionsdesign: Jeremy Woodward
Belgien – USA / 2019
120 Minuten

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