QUEEN & SLIM

QueenAndSlim 1, Copyright UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL  QUEEN & SLIM – Bundesstart 09.01.2020

Auf halben Weg auf ihrer Flucht nach Süden, äußert ein schwarzer Mechaniker, dass er überhaupt nicht damit einverstanden ist, was die beiden Flüchtenden getan haben. Es gäbe den weißen Polizisten nur einen weiteren Grund auf unbescholtene Schwarze zu schießen. Er hilft ihnen dennoch, denn Schwarz sein ist das einzige was zusammenhält, und Zusammenhalt ist alles.

Melina Matsoukas macht in ihrem Langfilm-Debut keinen Hehl aus ihrer Intention, aus ihren Ansichten, aus ihrer Position. Ihre Geschichte, von Lena Waithe mit Unterstützung von James Frey verfasst, erzählt die eigentliche Musikvideo-Regisseurin konzentriert aus Schwarzer Sicht. Alles andere hätte die Erzählung vielleicht verwässert, und sie wäre Gefahr gelaufen relativierende Ausflüchte zu kreieren. Aber QUEEN & SLIM ist keine Geschichte über Annäherung oder Versöhnung. Er symbolisiert gleichzeitig Ist-Zustand und eine Parabel von Geschichte.

In der ‚Daily Show‘ meinte Matsoukas, dass sie ihre beiden Hauptfiguren als Abbilder von Martin Luther King Jr. und Malcolm X sähe. Es ist nicht schwer zu erkennen, welchem Charakter welche Rolle zugedacht ist. Zwei ganz unterschiedliche Wesen mit dem selben Schicksal. Sie sind es, die sich erst einmal einander annähern müssen. Durch einen schon erschreckend gewöhnlichen Zwischenfall zusammen geschweißt, führt ihr einziger Fluchtweg vor der Polizei durch Landstriche, die paradoxerweise die sichersten, aber auch die gefährlichsten für Schwarze sind. Von Ohio bis Florida, durch Staaten in denen die Aufhebung der Rassentrennung noch immer nicht sehr gerne gelebt wird.

Tat Radcliffe gelingt mit seiner optischen Umsetzung ein ganz besonderes Gefühl für die Geschichte. Große, weite Bilder, die allerdings sehr düster wirken und unwirkliche Leere zeigen. Die Farben sind verwaschen, werden in Tagesaufnahmen oft von Lichteinfällen überstrahlt, aber kein freundliches oder einladendes Licht, sondern fahl und ungemütlich. Zusammen werden die Figuren als Einheit im Zentrum kadriert, alleine in Einstellungen rückt Radcliffe die Personen an den Rand aus dem Fokus. Erst wenn die Gejagten ihr vermeintliches Ziel erreichen, sie erleichtert ihrem Schicksal entfliehen, zeichnet die Kamera gesamtheitliche Bilder, die nicht nur alle Situationen, sondern auch Emotionen bildlich zusammenfassen.

Queen & Slim, Copyright UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL

Losgelöst und befreit genießen die als Verbrecher Verfolgten ihr Glück. Ein altes, sehr oft genutztes Motiv, wo sich die Protagonisten weit aus dem Fenster lehnen um den Fahrtwind als Befreiungsschlag zu verstehen. Es ist kein Gefühl des Sieges, kein Zeichen der Macht, sondern Erleichterung und aufkeimende Hoffnung. Jodie Turner-Smith und Daniel Kaluuya spielen ihre vom Schicksal überrollten Figuren fantastisch. Sie sind ruhig, wirken oftmals gelassen, aber man spürt in ihrem Spiel ständig die quälende Unsicherheit, die Auseinandersetzung mit etwas Unfassbaren, welches sie lange nicht begreifen und rational einordnen können.

Auch wenn QUEEN & SLIM keine Ermüdungserscheinungen zeigt, zu keinem Zeitpunkt wirklich langweilig wird, hätte Melina Matsoukas ihren Film gute dreißig Minuten kürzer inszenieren können. Ein zweiter Besuch könnte wegen der ausgeprägten Laufzeit eventuell in Frage gestellt sein. Es gibt immer wieder kurze Sequenzen und Dialoge, die sich in ihren Aussagen und Bedeutungen wiederholen. Da es kaum eine vorgeschobene Entwicklung innerhalb der Charakterzeichnung geben soll, weil sie auch nicht für den Kern der Geschichte entscheidend ist, könnte der Film durch eine angemessene Straffung ein breiteres Publikum erreichen und intensiver wirken. QUEEN & SLIM ist ein uramerikanisches Bild, was es ihm auf dem europäischen Markt schwer machen wird. Aber wer etwas weiter über den Bildrand hinaussieht, kann noch ein wenig mehr entdecken.

Queen & Slim, Copyright UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL

Darsteller: Daniel Kaluuya, Jodie Turner-Smith, Bokeem Woodbine, Sturgill Simpson, Indya Moore, Jahi Di’Allo Winston, Chloë Sevigny, Flea u.a.
Regie: Melina Matsoukas
Drehbuch: Lena Waithe mit James Frey
Kamera: Tat Radcliffe
Bildschnitt: Pete Beaudreau
Musik: Devonté Hynes
Produktionsdesign: Karen Murphy
Kanada – USA / 2019
132 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL
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