BULLET TRAIN

Bullet Train - Copyright SONY PICTURES– Bundesstart 11.08.2022

Es gab eine Zeit, da wurde das Kino von Debütfilmen überschwemmt, die meist glücklos versuchten Quentin Tarantino zu kopieren. Jenen Tarantino, bevor er sich selbst schlecht kopierte und ermüdend markante Elemente anderer Filme aneignete. Es war chic und progressiv überzogene Gewaltexzesse explizit zur Schau zu stellen, und alles mit deplatzierten Dialogen anzureichern. Perfekt war, alle Charaktere so zu gestalten, dass ihnen alles wichtiger wäre als das was gerade passierte. Das fragwürdige Prädikat ‚…im Stil von Tarantino‘ fand ein Reboot mit dem vergleichenden Werbetext zu DEADPOOL. Nur war es jetzt ganz originell, den Tod von Menschen mit sarkastischen Sprüchen ins Lächerliche zu ziehen. Eine Originalität die bereits bei DEADPOOL 2 Abnutzungserscheinungen zeigte, und dennoch unbeirrt weiter kopiert wird. Regisseur David Leitch hat DEADPOOL 2 inszeniert, und jetzt BULLET TRAIN, der genau jene überzogenen Elemente wiederholen soll.

Ein Auftragskiller will in Tokyo einen Hochgeschwindigkeitszug besteigen, einen unbeaufsichtigten Koffer an sich nehmen und in Kyoto wieder aussteigen. Es hört sich sehr einfach an, was natürlich Bestandteil eines uralten Konzeptes ist. Es ist die Verkettung vieler, vieler kleiner Widrigkeiten, die sich zu einem großen Ganzen aufbauen. Nur das sich hier die angestaute Energie immer wieder in explosionsartigen Wort-, Hand- und Gegenstandsgefechten Luft verschafft.

Das ist so, wie es sich anhört. Eine endlose Abfolge abstruser Dialoge, aberwitzig philosophischer Sinnfragen, absurd blutiger Morde, und Physik missachtende Kämpfe. David Leitch inszeniert das extrem kurzweilig, was in erster Linie auf Jonathan Selas exzellente Kameraführung und Elisabet Ronaldsdóttir präzisen Schnitt zurück zu führen ist. Die beengten Möglichkeiten der verschiedenen Wägen machen sich Selas und Ronaldsdóttir zu Eigen, und schaffen ihre ganz eigenen Räume.

Die Perspektiven und Kadrierungen geben dem Betrachtenden immer eine perfekte Übersicht und Verortung, auch oder gerade in den übersteigerten Kampfszenen. Der Schnitt macht richtig Tempo, ist aber perfekt gesetzt, dass selbst unauffälligere Details nicht übersehen werden. Das macht BULLET TRAIN zu einem Film, der seinem Titel gerecht wird. Es ist ein überdrehtes Nonstop-Vergnügen, mit allem was Filme dieser Art funktionieren lässt und beliebt macht. Und genau da ist auch das Problem.

Bullet Train 1 - Copyright SONY PICTURES

 

Brad Pitt ist Ladybug, der Mann der den Koffer besorgen soll. Er ist unpassend gekleidet, kommuniziert nur in flapsigen Sprüchen, und erledigt lebensgefährliche Dinge, als ob er im Vorbeigehen Abfall in die Tonne schmeißen würde. Aber unwissender weise sind da noch an Bord der Sohn, Prinzessin, Mandarine und Zitrone, die Hornisse, oder der Wolf. Alle mit markigen Spitznamen, alle angeblich die Besten in ihrem Job. Wer ins Kino geht, kennt diesen abgetragenen Hut (ja, tatsächlich filmbezogener Kalauer).

Nach und nach stellt sich heraus, dass jeder dieser Killer in irgendeiner Weise mit jedem anderen irgendwie in Verbindung steht. Das ist von Autor Zak Olkewicz sehr clever konstruiert. Rückblenden nehmen etwa die Hälfte der Laufzeit ein, in der sich alle Verbindungen nach und nach klären. Höhepunkt ist sicherlich eine Wasserflasche, die ebenfalls eine ausgedehnte Rückblende bekommt. Es sind also alle Zutaten vorhanden, die man hinlänglich kennt. Eigenwillige Namen, absurde Handlungselemente, skurrile Erzählstruktur.

Es fehlt auch nicht der Koffer. Die wenigstens Zuschauenden werden nach dem Film sagen können, ob er zitierendes MacGuffin oder wirklich von Bedeutung ist. Und getötet wird auf blutigste, zynische Arten. So gut und unterhaltend sich BULLET TRAIN ansehen lässt, so irrelevant ist er aus filmischer Sicht. Überraschend ist höchstens, wie dieses Ensemble an erstklassigen Darstellern (Taylor-Johnson endlich mit akzentuiert britischem Akzent), diesen Film als Bereicherung ihrer Vita verstehen konnten.

In den letzten 30 Minuten wechselt dieser Zug dann auf die Gleise der Effekte-Farce, die jeder Beschreibung spottet. Warum sich die Macher auf diesen infernalischen Humbug einließen, mit den unglaubwürdigsten Computer Effekten einer jüngeren Großproduktion Strecke machen zu wollen, übersteigt jeden Verstand. BULLET TRAIN bleibt ein kurzweiliges, weil brachiales Vergnügen das stimmungsvoll unterhält. Bald kommt DEADPOOL 3, aber Filme wie BULLET TRAIN könnten das Interesse mit dessen eigenen Elementen längst ausgereizt haben.

Bullet Train 2 - Copyright SONY PICTURES

 

Darsteller: Brad Pitt, Sandra Bullock, Hiroyuki Sanada, Aaron Taylor-Johnson, Joey King, Michael Shannon, Logan Lerman, Brian Tyree Henry, Zazie Beetz u.a.
Regie: David Leitch
Drehbuch: Zak Olkewicz
Kamera: Jonathan Sela
Bildschnitt: Elisabet Ronaldsdóttir
Musik: Dominic Lewis
Produktionsdesign: David Scheunemann
Japan, USA / 2022

126 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES
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