DER VATER DER BRAUT

Father Bride - Copyright WARNER BROSFATHER OF THE BRIDE
– Bundesstart 21.07.2022

Die obligatorische Frage, ob ‚denen‘ denn überhaupt nichts mehr Neues einfällt, wischt dieses überaus charmante Remake ganz schnell beiseite. Wobei man schon bei der Begrifflichkeit des Remakes wäre. Puristen lehnen solche ohnehin ungesehen ab, oder ereifern sich, dass ja so viel einfach anders, damit also falsch wäre. Gary Alazarki geht mit seiner Version des Romans von Edward Streeter wirklich den ganz schmalen Grat von allem was positiv oder negativ angemerkt werden kann. Den Film wirklich für sich alleine sprechen zu lassen, wäre einfach, funktioniert aber in seltensten Fällen. Wie anhand dieser Zeilen bestätigt wird. DER VATER DER BRAUT ist genau DER VATER DER BRAUT, aber ganz anders. 72 Jahre nach dem Originalfilm und 30 Jahre nach der nicht minder originellen Neuverfilmung, kann man ohnehin schlecht von einer inflationären Ausbeute dieses Stoffes sprechen (eine weitgehend unbekannte Serie und ein kaum gesehenes indisches Remake sind nicht berücksichtigt).

Anders als die Vorlage, konzentriert sich Alazrakis Film nicht auf die Beziehung zwischen Vater und Tochter, sondern richtet den Fokus auf die Beziehung zwischen Billy Herrera und seiner Frau Ingrid. Die Spätfünfziger haben sich gerade auf Scheidung geeinigt, als Tochter Sofia ihre Hochzeit verkündet. Somit richtet sich der inhaltliche Schwerpunkt weg von der innigen Bande zwischen Vater und Tochter, auf die Erhaltung einer Lebensphilosophie. Denn Billy Herrera ist Patriarch erster Güte, und Kubaner.

Mit seinem genial ausgefeilten Drehbuch gibt Matt Lopez dem aktuellen Gender- und Diversitäten-Wahnsinn herrlich Kontra. Als ein Protagonist das Wort ‚Migranten‘ benutzt, fährt Vater Herrera barsch dazwischen „Exil-Kubaner“. Ohne einen Cent ist er nach Miami gekommen, und hat sich alles hart erarbeitet, auch seine Ehe, die genau wegen dieses unbeugsamen Traditionsbewusstseins auseinander bricht. Der Schock folgt, Sofias Auserwählter heißt Adan, und der ist Mexikaner.

Anstatt einer weißen Familie Asiaten oder Schwarze gegenüber zu stellen, ist VATER DER BRAUT ’22 ein einziges Latino-Projekt. Hier mischen sich Kubaner und Mexikaner, die Diversität ist also irgendwie gegeben, und ist den erzwungenen Konventionen trotzdem entkommen. Skandal ist allenfalls, dass Sofia und Schwester Cora als Amerikanerinnen mit kubanischen Wurzeln von Mexikanerinnen dargestellt werden. Den Latino selbst wird es nicht stören, dafür ist der Zusammenprall der Kulturen viel zu clever mit viel Freude umgesetzt.

Father Bride 2 - Copyright WARNER BROS

 

Ob Salsa oder Mariachi bei der Hochzeit, wird zur ehrenträchtigen Glaubensfrage, und führt am Ende zur kulturellen Einigkeit. Womit man das Ende nicht verrät, wer würde denn ernsthaft ein anderes erwarten. Es kommt darauf an, was dazwischen liegt. Und das ist nicht so sehr auf Lacher ausgelegt, als vielmehr hintersinnige Betrachtung über Werte, Identität, Familie, und vor allem Liebe. Andy Garcia hat eine Rolle gefunden, die für ihn ungewöhnlich ist, die er aber mit eindringlicher Sympathie verkörpert.

Als Vater der Braut, oder Gatte, oder als Identifikationsfigur für den Zuschauer ist Billy Herrera kein lustiger, unentwegt liebenswerter Mensch. Er bleibt echt, trotz des sehr leicht gehaltenen Tones, mit dem Gary Alazraki inszeniert. Was den Film aber insgesamt sehr nahbar macht, weil wir uns in allem und in allen wiedererkennen dürfen. Aber in einer überaus lockeren Atmosphäre die anspricht. VATER DER BRAUT funktioniert in einer turbulenten Mischung von ernsthafter Komödie und witzigem Drama.

Das ist kein Widerspruch, was aber nur gelingt, weil bis einschließlich der Nebenrollen das ganze Ensemble gut aufeinander abgestimmt ist. Doch Garcia bleibt als gequälter Brautvater, gefangen zwischen Tradition und hingebungsvoller Liebe, Sympathieträger und Fixpunkt. Er und Gloria Estefan geben dem Film ein glaubhaft festverankertes Paar. Sie kennen und lieben sich, und wissen, dass sie sich zu sehr voneinander entfernt haben.

In Hochglanz photographiert, nutzt Igor Jagdue-Lillo Miami von seiner besten Seite zu zeigen, ohne Klischeeaufnahmen zu bemühen. Optisch sieht alles mehr nach Gefälligkeit aus, als nach subtiler Bildsprache. Das überholt sich allerdings durch viele Kleinigkeiten, die ein atmosphärisch ansprechendes Gesamtbild geben. Anstelle des denkwürdigen Basketballspiels aus dem ersten Remake, werden hier Kuba typisch die Fronten beim Domino geklärt. Und wer sich wundern sollte, warum sich alle spanisch sprechenden Figuren in englisch unterhalten, dafür hat Billy Herrera eine mehr als plausible Erklärung. Was zusätzliche Energie ins Spiel bringt, wenn sich in Wortgefechte nicht untertitelte spanische Satzfetzen mischen.

Father Bride 1 - Copyright WARNER BROS

 

Darsteller: Andy Garcia, Gloria Estefan, Adria Arjona, Isabela Merced, Diego Boneta, Marta Velasco, Ruben Rabasa, Ana Fabrega, Enrico Murciano, Chloe Fineman u.a.
Regie: Gary Alazraki
Drehbuch: Matt Lopez
nach dem Buch von Edward Streeter
Kamera: Igor Jagdue-Lillo
Bildschnitt: Jon Poll
Musik: Terence Blanchard
Produktionsdesign: Kim Jennings
USA / 2022
117 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS
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