DON’T WORRY DARLING

Dont Worry Darling - Copyright WARNER BROS– Bundesstart 22.09.22

Selbst als Mixed-Martial-Arts Kämpferin in FIGHTING WITH THE FAMILY wollte man noch nicht wahrhaben, was für eine Urgewalt Florence Pugh an charismatischer Energie sein kann. Mit MIDSOMMAR änderte sich das schlagartig, und noch im selben Jahr gefolgt mit einer Oscar-Nominierung für LITTLE WOMEN. Und dann stahl sie auch noch MCU-Favorit Scarlett Johansson die Aufmerksamkeit in BLACK WIDOW. Die Besetzung in Olivia Wildes zweiter Filmregie scheint im nachhinein betrachtet eine logische Entscheidung. Schließlich ist Florence Pugh in fast jeder Szene zu sehen, und jede Minute davon ist es wert. Von der strahlenden Hausfrau mit aufopferungsvoller Hingabe, zur paranoiden Hysteriker mit selbstzerstörerischen Tendenzen. Willkommen in Victory, Stadt der Zukunft und des Fortschritts.

Victory wirkt wie die Sechzigerjahre Fortsetzung von Los Alamo beim Manhattan-Project. Eine in sich geschlossene Welt, in der die Männer ihrer streng geheimen Arbeit nachgehen, während die Frauen vormittags den Haushalt machen, und den Nachmittag mit Einkaufen oder Cocktails verbringen. Aber Alice, die mit ihrem Mann Jack irgendwie zu inneren Kreis der Gesellschaft gehört, quält das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt in dieser sorglos heilen Welt.

Dass etwas ganz und gar nicht stimmt merkt der Zuschauer schon an Matthew Libatiques fast aufdringlicher Fröhlichkeit in den Bildern. Der strahlend blaue Himmel, die bunt und perfekt sitzenden Kleider, die hochpolierten Karossen. Wenn die Männer früh zur Arbeit aufbrechen, lenken sie ihre Fahrzeuge in perfekter Synchronisation von der Auffahrt hinaus in die Wüste. Libatique lässt jedes Bild erstrahlen, Farbsättigung und Kontraste auf Maximum. Die verklärte, heile Scheinwelt der Sechziger.

Immer wieder schaut die Kamera über Alice‘ Schulter, wo sich in gesputzten Scheiben oder den Badspiegeln wiederfindet. Das Spiegelbild ist für den Kameramann Libatique das Leitmotiv von Alice, für ihn müssen Bilder nicht einfach nur schön sein, sondern im Kontext stehen. Nicht umsonst besteht Regisseur Darren Aronofsky immer wieder auf eine Zusammenarbeit. Und Olivia Wilde weiß die Qualitäten des Bildgestalters auch für ihre Erzählung zu nutzen. Alice Spiegelbild wird zur Essenz der Erzählung.

Bei den unzähligen Cocktailpartys kreist die Kamera unablässig um die Männer, oder zementiert sich zwischen den Frauen bei Gesprächen am Pool, im Vorgarten oder beim Ballettunterricht. Der Zuschauer wird Teil des inneren Zirkels, zumindest glaubt er das, die Atmosphäre ist einfach zu angenehm. Nur Alice wird vor der Kamera her getrieben, schenkt ihr kaum Ruhe. Die Einstellungen und auch die Farbgebung passen sich dem zunehmenden Verfall von Alice mentalem Zustand an.

Dont Worry Darling 1 - Copyright WARNER BROS

 

Ein Film wie dieser steht und fällt mit seinem Ensemble, aber die eigentliche Hauptrolle übernimmt die Kamera. Auch wenn die Darsteller allein wegen des merkwürdig ablenkenden Medienrummels stark in den Vordergrund gedrängt wurden. Ob gut inszeniertes Marketing oder unglückliche Zufälle, persönliche Schlammschlachten oder bösartige Pressefreiheiten. Das soll wirklich nicht das Thema sein, weil die meisten dabei sehr schnell vergessen haben, dass es da ja noch einen Film gibt.

Die Drehbuch-Idee der Brüder Shane und Carey Van Dyke erschien 2019 auf der Blacklist der beliebtesten, nicht realisierten Drehbücher. Daher soll es nicht verwundern, dass die Änderungen von Katie Silberman ziemlich konkret nachzuvollziehen sind. Laut eigenen Aussagen hat auch Regisseurin Wilde ihre Ideen in Silbermans Drehbuchfassung eingebracht, was eindeutige Rückschlüsse zulässt. Die Macher wollten in den letzten 30 Minuten mehr Fragen aufwerfen als beantworten.

Die aufgeworfenen Fragen erreichen kein Niveau Christopher Nolans, aber nach dem Kinobesuch werden hitzige Diskussionen folgen. Spätestens mit MAD MEN haben Zuschauer wieder die Faszination für diese heile und doch fragwürdige Zeit der Sechzigerjahre für sich entdeckt. MAD MENs Erfolg lag in seiner nüchternen Einschätzung jener Zeit. DON’T WORRY DARLING zieht sich daraus die schönen Dinge, zum Beispiel wie einfach die Welt gewesen sein muss, zumindest als Vermutung.

Die Musikauswahl ist dabei sehr manipulativ. Wenig bekannte Jazz und Soul Stücke unterlegen die Szenen des unbeschwert normalen Lebens in der künstlichen Kleinstadt Victory, während eingängig vertraute Lieder die psychologisch bedrohlichen Passagen begleiten. Das Gefühl von FRAUEN VON STEPFORD kommt dabei gar nicht erst auf. Die inhaltliche Ähnlichkeit zu dem gesellschaftskritischen Thriller von 1975 wird bei DON’T WORRY DARLING von Olivia Wildes konzentrierter Regie im Keim erstickt.

Das sich die Regisseurin im ersten Drittel mehr Zeit lässt, kommt der Geschichte und den Charakteren nur entgegen. Wilde weiß auch ganz genau wann sie anziehen muss, aber auch um im richtigen Moment die Spannung zu lösen, trügerische Luft zu lassen . Die Verwirrung und Selbstzweifel von Alice macht die Regie zu einem Katz und Maus Spiel mit den Gefühlen des Publikums, welches auf einer Wissenshöhe mit der Hauptfigur bleibt. Perfekt platzierte und visuell überwältigende Bildmotive steigern das surreale Verwirrspiel.

Viel, viel weniger mediale Aufmerksamkeit um die Verhältnisse zwischen diversen Darstellern, der Regisseurin und unhaltbaren Gerüchten, oder Anschuldigungen hätten DON’T WORRY DARLING sehr gut getan. Trotz, oder vielleicht gerade wegen der streitbaren Auflösung des Films, hat Olivia Wilde ihre Reputation gefestigt und in einem vielschichtigen Verständnis für ihre Profession bewiesen. Was die Besetzung von Florence Pugh unterstreicht, die diesen Film trägt, der alle darstellerischen Facetten von ihr abverlangt. Der Film ist gewiss nicht tadellos, hat aber auch keine Schwächen die von seiner einnehmenden Faszination ablenken.

Dont Worry Darling 2 - Copyright WARNER BROS

 

Darsteller: Florence Pugh, Harry Styles, Chris Pine, Olivia Wilde, Gemma Chan, Sydney Chandler, Nick Kroll, Dita Von Teese u.a.
Regie: Olivia Wilde
Drehbuch: Katie Silberman, Carey Van Dyke, Shane Van Dyke
Kamera: Matthew Libatique
Bildschnitt: Affonso Gonςalves
Musik: John Powell
Produktionsdesign: Katie Byron
USA / 2022
122 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar