GOODNIGHT MOMMY

Goodnight Mommy - Copyright AMAZON Content Services LLC– Amazon Prime seit 16.09.2022

Amazons jüngste Ausschüttung in den umkämpften Streaming-Markt, ist das Remake des im englischsprachigen Raums ebenfalls betitelten GOODNIGHT MOMMY. Die österreichische Produktion aus dem Jahr 2014 heißt eigentlich ICH SEH, ICH SEH, und schockierte zuerst ein neugieriges Arthouse-Publikum. In den Gefilden des Horror-Fandoms erregte Veronika Franz und Severin Fialas Film erst nach und nach Aufmerksamkeit. Sein jetziger Status als Fanfavorite fordert natürlich die Üblichen Kontroversen heraus, die ein Remake immer auslöst. Die vorpubertierenden Zwillinge Elias und Lukas werden wieder ins Landhaus zu ihrer Mutter gebracht. Mutter trägt nach einer schweren, aber unbestimmten Operation einen Gesichtsverband und braucht absolute Ruhe zur Genesung. Elias und Lukas kommen nach kurzer Zeit darauf, dass die Frau hinter den Bandagen überhaupt nicht ihre Mutter ist.

In weiten Teilen beantwortet dieser von Matt Sobel inszenierte Film die Frage nach Sinn und Unsinn von Remakes selbst. Was das Original so erschreckend gruselig macht, ist seine Prämisse über das sonst unerschütterliche Verhältnis von Mutter und Kind, in diesem Fall die Söhne. Das führt unweigerlich dazu, beide Filme vergleichend nebeneinander zu stellen, was man bei einer objektiven Einschätzung eigentlich vermeiden müsste. Aber GOODNIGHT MOMMY lässt das nicht zu, keiner der beiden Fassungen.

Für die Serienfassung von LETHAL WEAPON hat Kyle Warren dreizehn Episoden geschrieben, und Matt Sobel den kaum beachteten TAKE ME TO THE RIVER inszeniert. Es sind keine Reputationen, die Großartiges versprechen. Aber für gewöhnlich sind es eben genau diese angehenden Filmemacher, die überraschen und ganz neue Sichtweisen auf bekannte Stoffe eröffnen. Was Warren geschrieben und Sobel umgesetzt hat, kann man als perfekte Transformation von anspruchsvollem Kunstgriff zu beliebiger Massentauglichkeit bezeichnen.

Goodnight Mommy 1 - Copyright AMAZON Content Services LLC

 

Um Missverständnisse auszuräumen, Amazons GOODNIGHT MOMMY ist ein effektiver Horrorfilm, der spannungsgeladen unterhält. Die drei Hauptdarsteller sind erstklassig. Allen voran Naomi Watts, die in der ersten Hälfte im Ausdruck auf die Augenpartie beschränkt, fantastisch die mysteriöse und unberechenbare Mutter darstellt. Das Psychoduell zwischen den Zwillingen und der Mutter in der zweiten Hälfte überzeugt allein durch die Darsteller. Für die Königin der Neufassungen, ist es Watts mittlerweile siebtes Remake.

Aber ICH SEH, ICH SEH geht viel tiefer als es GOODNIGHT MOMMY mit seinen Genre-Konventionen schaffen könnte. Die unheilvolle Lichtgestaltung in der Neufassung, die durchaus wirkt, verdeutlicht aber, was das Original so tiefgreifend verstörend macht. Es ist die kalte, ungekünstelte Nüchternheit mit der Veronika Franz und Severin Fiala in Co-Funktion ICH SEH, ICH SEH durch den Showdown führten, der in seiner unversöhnlichen Direktheit zu schockieren verstand. Landsmann Michael Haneke schickt Grüße.

Matt Sobel versucht sich in seiner Fassung mit einer emotional nachvollziehbaren Annäherung, die den Horror-Freund zufriedenstellt, aber keine Ansprüche stellt. Die Aspekte einer Mutter und Sohn Beziehung gehen in den zwei Filmen in eine jeweils andere Richtung. Matt Sobel nimmt dem Original seine schockierende Essenz. Wem die Geschichte vertraut ist, wird sein Augenmerk sehr schnell auf die Umsetzung legen, ob den Machern nicht doch Fehler in der Inszenierung unterlaufen sind.

Es gibt keine Fehler. Das gesamte Grundkonzept der schleichenden, aber grandiosen Wendung bleibt stimmig, die Kontinuität gewahrt, und die Dialoge auf dem ganz hohen Niveau der inhaltlichen Täuschung. Matt Sobel hat einen ansehnlichen Horrorfilm gemacht. Aber in dem wurden gerade die Elemente neu interpretiert, die das Original zu seiner Einzigartigkeit verhelfen. Damit hat GOODNIGHT MOMMY eine ganz klare Antwort auf die Frage nach Sinn und Unsinn von Remakes.

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Darsteller: Cameron Crovetti, Nicholas Crovetti, Naomi Watts, Peter Hermann, Crystal Lucas-Perry und Jeremy Bob
Regie: Matt Sobel
Drehbuch: Kyle Warren
nach dem Film von Veronika Franz & Severin Fiala
Kamera: Alexander Dynan
Bildschnitt: Maya Maffioli, Michael Taylor
Musik: Alex Weston
Produktionsdesign: Mary Lena Colston
USA / 2022
92 Minuten

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