THE OLD MAN – Epsioden I + II

Old Man 1 - Copyright 2022 FX Networks– DISNEY+ via STAR 28.09.2022

Ein untergetauchter Spezialagent, den die Vergangenheit einholt. Sein Gegner, sein ehemals stärkster Verbündeter. Der Ehemalig ist auf sich allein und seine Fähigkeiten gestellt. Die Verfolger haben alle legitimen, geheimdienstlichen und sonstigen Mittel. Eine Frau kreuzt den Weg, die den eigentlich klaren Verlauf der Ereignisse in Gefahr bringt. Mit dieser Grundidee ist es eigentlich unmöglich heute noch Zuschauer locken zu können. Aber Serienentwickler Robert Levine hat es mit dem Roman ‚The Old Man‘ von Thomas Perry versucht. Kaum ein Monat im Jahr vergeht ohne einen Action-Thriller in dem ein gealterter Darsteller noch einmal zeigt wie fit er noch ist. Das nahm mit Liam Neeson einen beeindruckenden Anfang, und hat sich jetzt mit THE OLD MAN bis zu Jeff Bridges durchgearbeitet. Was sonst inflationär scheint, ist hier im Ergebnis ebenfalls beeindruckend, allerdings auf ganz andere Weise.

Dan Chase hat gedacht, die Schatten seiner unrühmlichen Taten hinter sich gelassen zu haben. Vor 35 Jahren ist er mit seiner Frau untergetaucht, hat eine Tochter bekommen. Jetzt lebt er allein mit seinen zwei Rottweiler in sicherer Abgeschiedenheit, die Frau vor fünf Jahren an Huntington gestorben. Doch ein Warnruf seines ehemaligen Kollegen und jetzigen FBI-Bereichsleiters Harold Harper macht Schluss mit der Ruhe. Ein Warlord aus Afghanistan will nach 35 Jahren endlich eine Rechnung begleichen.

Das ist offensichtlich keine Inhaltsangabe, allerdings näher darauf einzugehen würde nur Verwirrung stiften. Schon die erste Episode macht klar, dass es nicht nur um einen alten Mann geht, der mit aufregenden Action-Einlagen zeigt, wie fit er noch ist. Ganz im Gegenteil, Jeff Bridges als Dan Chase braucht immer sehr lange, um sich nach einem Schlagabtausch jedweder Form wieder zu regenerieren. Als Zuschauer beginnt man dabei trotz der Dramatik zu schmunzeln. Dies ist eine Figur, deren Schmerz und müde Knochen man nachvollziehen kann.

Was im Kino kaum funktioniert, sind ausgedehnte erklärende Rückblenden. Aber es ist ein Serien-Standard mit dem uns auch die Bücher von OLD MAN nicht verschonen. Aber mit der Besetzung von Bill Heck und Leem Lubany ziehen die Macher ein Ass aus dem Ärmel, der die Wechsel in den Zeitebenen richtig spannend machen. Als junge Versionen von Bridges und Filmfrau Hiam Abbass sind Heck und Lubany ihren Alter-Egos in überwältigender Weise aus dem Gesicht geschnitten. Die Übergänge bekommen dadurch einen eleganten Fluss.

Jon Watts hat die ersten beiden Episoden inszeniert. Ein Regisseur der mit den drei Sony-Marvel SPIDER-MAN gezeigt hat, wie aufregend man dramatisches Darsteller-Kino mit aufsehend erregender Action verbinden kann. Davon profitiert die Serie zumindest in den ersten beiden Folgen merklich. Watts hat diese Episoden auch nicht identisch inszeniert. Episode I ist auffallend Action-lastiger (die Folgen sind tatsächlich mit römischen Zahlen betitelt), und überrascht mit der aufregendsten Sequenzen die man seit langer Zeit in einer Serie bewundern durfte.

Eine in einer einzigen Kameraeinstellung gedrehten Kampfszene mit Auto-Crash, Schusswaffen, Messerattacken und Fuß- und Faustschlägen, die allein beim zuschauen schmerzen. Und die Kamera immer so im Geschehen, dass man den aufreibenden körperlichen Einsatz auch tatsächlich als den von Jeff Bridges erkennt. Das sind über 5 Minuten ohne Schnitt, die ganz große Handwerkskunst vor und hinter der Kamera beweisen. Dafür verlagert Folge II den inhaltlichen Aufbau mehr auf die persönliche Vertiefung einzelner Charakter.

Old Man 2 - Copyright 2022 FX Networks

 

Das ist letztendlich das Besondere an der altbackenen Geschichte des untergetauchten Agenten, der die Dämonen seiner Vergangenheit bewältigen muss. Das sind die Charaktere. Und jeder der hier auftretenden Charaktere hat Dämonen. Sie sind echt, haben Tiefen, keiner wird als Stichwortgeber vertan. Die Besetzung ist dabei exzellent getroffen. Natürlich Bridges, aber ebenso großartig John Lithgow als unberechenbarer FBI-Leiter, oder Alia Shawkat als Agentin mit mehreren Identitäten.

Die Dialoge sind echt, niemals artifizielle Erklärsätze. Die Darsteller machen daraus große Schauspielkunst. In den taktischen Gesprächen brechen auch ständig persönliche Empfindungen durch, wodurch die Figuren auch eine realistische Wesensart bekommen. Die Gespräche beziehen auch den Zuschauer mit ein, er lernt diese unterschiedlichen Menschen wirklich einzuschätzen, er baut eine Bindung auf. Man vergisst sehr leicht, dass hier ‚gespielt‘ wird.

Die Kunst in den Büchern zeigt sich, wie sich auch die Figuren untereinander einzuschätzen wissen, und genau bis zu dem entscheidenden Punkt ehrlich gegenüber dem anderen sind. Es ist ein gewitztes Spiel, wie ehrlich und offen jeder zum anderen ist, ohne sich wirklich zu verraten.

Der geheimdienstliche Aspekt kommt in der zweiten Episode ebenfalls ausgeprägter zum tragen. Sei es was die Verwicklungen einzelner Charaktere in der Vergangenheit betrifft, oder die Finesse, mit der Dan Chase versucht seinen bedrohlich nahen Verfolgern zu entkommen. Identitäten werden enthüllt, neue Namen für bekannte Figuren kommen ins Spiel, Verstrickungen werden immer dichter, und jeder der Akteure scheint falsch zu spielen. Besonders die diversen Köpfe in der FBI-Zentrale.

Die Produzenten heben hervor Berater vom CIA und von Homeland-Security, einen Experten für Angelegenheiten in Afghanistanfragen und den Schriftsteller Thomas Perry selbst in die Entwicklung einbezogen zu haben. Nach zwei Episoden THE OLD MAN kann man sagen, dass die Macher bis hierher etwas vorgelegt haben, was bei den verbleibenden 5 Folgen auf eine noch starke Verdichtung von Überraschungen schließen lässt. Soweit gesehen, gibt einem der gesunde Menschenverstand keine andere Wahl, als dabei zu bleiben.

Old Man 3 - Copyright 2022 FX Networks

 

Old Man - Copyright SARAH CLIFFORDDarsteller: Jeff Bridges, John Lithgow, Amy Brenneman, E.J. Bonilla, Alia Shawkat, Hiam Abbass, Bill Heck, Leem Lubany u.a.
Carol & Dave: Freya, Furiosa, Creed, Cain
Hundetrainer: Sarah Clifford

Regie: Jon Watts, Jet Wilkinson, Greg Yaitanes, Zetna Fuentes
Drehbuch: Robert Levine, Jonathan E. Steinberg
Roman & Drehbuch: Thomas Perry
Kamera: Sean Porter, Jules O’Loughlin, Armando Salas
Bildschnitt: Matthew Colonna, Scott Turner, John Valerio, Amy Fleming, Maria Conzales
Musik: T Bone Burnett, Patrick Warren
Produktionsdesign: Julie Berghoff
USA / 2022
7 Episoden
je 47- 66 Minuten

Bildrechte: SARAH CLIFFORD / FX Networks
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