Annette Bening – NYAD

Nyad - Coypright NETFLIX– Release 20.10.2023 (limited)
– 03.11.2023 NETFLIX

Wer die atemberaubend schwindelerregende, zu Recht mit Preisen überhäufte Dokumentation FREE SOLO über Freikletterer Alex Honold gesehen hat, bekommt eine ungefähre Vorstellung von der filmtechnischen und emotionalen Intensität bei NYAD. Die preisgekrönten Dokumentarfilmer Chai Vasarhelyi und Jimmy Chin finden auch in ihrem ersten Spielfilm stets die richtigen Momente entweder innezuhalten, Tempo zu machen, oder fertig erzählte Passagen auch konsequent mit harten Schnitten zu beenden. Das Regie-Duo bleibt mit der wahren Geschichte von Diana Nyad beim extremen Leistungssport. Zum Beispiel schwamm Nyad 1975 in Rekordzeit die 28 Meilen um die Insel Manhatten. Der Film selbst behandelt in erster Linie die fünf Versuche, die 103 Meilen, respektive 166 Kilometer, von Havanna, Kuba nach Key West, Florida zu schwimmen. Trotz der sportlichen Kernthemas bringen es die Regisseure fertig, aus der legendären Sportgeschichte einen starken Darstellerfilm zu machen.

Die Chemie zwischen Annette Bening und Jodie Foster ist magisch. Zwei Menschen, die nicht ohne den anderen sein können, weil sie sonst nicht komplett wären. Bening ist die fordernde, selbstbezogene und egoistische Nyad mit jeder Faser ihrer Ausdruckskraft. Als beste Freundin, Trainerin, und mentales Gegengewicht macht Bonnie Stoll den schwierigen Charakter von Diana erst erträglich. Man muss sehr lange zurückblicken, um sich an eine derart gelöste und natürliche Jodie Foster erinnern zu können. Foster trägt die Last der emotionalen Bindung zum Publikum, aber mit faszinierender Leichtigkeit.

Biografien verwenden gerne zwei Stunden darauf, einen Darsteller als das glaubwürdige Gesicht einer wahren Persönlichkeit zu verkaufen, nur um dann im Abspann die gelungene Illusion mit realen Bildern oder Filmausschnitten zu zerstören. Diesen unsinnigen Fehler begehen Chin und Vasarhelyi nicht. Sie beginnen den Film gleich mit Originalaufnahmen der jungen Diana Nyad, aus Privatarchiven, Nachrichten, Talkshows. In raschen Sequenzen unterschiedlichster Quellen und Qualitäten wird so ihre bisherige Karriere, und auch ihr erster Kuba-Florida-Schwimmversuch 1978 erzählt.

Nyad 2 - Coypright NETFLIX

Die Regie hält das Tempo durchweg hoch. Die zermürbenden Anstrengungen der Vorbereitungen, das Warten auf die richtige Wetterlage, schließlich die quälenden Versuche. Vasarhelyi und Chin nehmen die Zuschauenden wirklich an der Hand, lassen dann aber auch nicht mehr los. Hai-Attacken, Schwärme von Quallen, Asthma-Anfall, Unwetter, die Lippen vom Salzwasser aufgequollen. Claudio Miranda hat Schauspieler für TOP GUN: MAVERICK bei echten Jet-Flügen gefilmt, und bringt hier die Zuschauenden sogar noch näher an das Geschehen. Ohne verwackelte Schulterkamera zu bemühen.

Besonders beeindruckend sind die Parallelverfolgungen von Bening unter Wasser. Doch ab und an vermittelt die Inszenierung auch mit fast meditativen Bildern die Kraft und Schönheit von Diana Nyads Vorhaben. Wenn auf nächtlicher See das Begleitboot ruhig durchs Wasser gleitet, und Nyad von einem rot leuchtenden Lichtschlauch geführt, geräuschlos und scheinbar ohne Mühe nebenher krault. Aber der Film verliert nie den Fokus auf das eigentlich unmögliche Unterfangen. Und dieses Unterfangen wird letztendlich durch die Dualität seiner unglaublich starken Figuren getragen.

Bei aller einnehmenden Intensität ist NYAD lange nicht ausgewogen, und in entscheidenden Passagen auch unvollständig. Es gibt Kontroversen um die Person Diana Nyad. Die sind aber ausgeklammert, zum Besten für die auf das wesentliche fokussierte Dramaturgie, aber es macht den Film  auch angreifbar. Und tatsächlich vermisst man auch eine konträre Einsicht auf diesen streitbaren und unbequemen Menschen. Annette Benings schonungslose Hingabe an ihre Rolle ist sagenhaft, aber am Ende reicht das dann doch nicht ganz aus. Trotz dem Gegengewicht einer hinreißenden Jodie Foster.

Nyad 3 - Coypright NETFLIX

 

Darsteller: Annette Bening, Jodie Foster, Rhys Ifans, Karly Rothenberg, Jeena Yi, Luke Cosgrove, Eric T. Miller Garland Scott u.a.

Regie: Jimmy Chin, Elizabeth Chai Vasarhelyi
Drehbuch: Julia Cox
nach Diana Nyads Buch
Kamera: Claudio Miranda
Bildschnitt: Christopher Tellefsen
Musik: Alexandre Desplat
Produktionsdesign: Kara Lindstrom
USA / 2023
121 Minuten

Bildrechte: NETFLIX
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Fernsehen gesehen abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar