Donnie Yen – SAKRA

Sakra - Copyright CAPELIGHT PICTURESTIN LUNG BAAT BOU
– Bundesstart 27.04.2023

Wie üblich bei asiatischen Erzählstilen und -strukturen, ist auch Donnie Yens sechste Filmregie für ein westlich orientiertes Publikum eher gewöhnungsbedürftig. Das mag bei herkömmlichen Action-Filmen, die auch für den weltweiten Markt ausgerichtet sind, etwas anders sein. Aber bei den Adaptionen sogenannter Wŭxiá-Romane, die normale Kampfkunst mit starken Fantasy-Elementen kombinieren, ist der Europäer gefordert. In erster Linie betrifft es die Dramaturgie, in der für ein sogenanntes westliches Publikum bei jedem Aspekt der Inszenierung theatralisch überzogen wird. Kampfsequenzen ignorieren jede Form physikalischer Grenzen, oder Liebesbekundungen versinken in unerträglichem Kitsch. Qiao Feng ist einer dieser typisch aufrechten Youxia, die in einem pseudo-historischen Setting für Ehre und Gerechtigkeit kämpfen. Im Reich der Song Dynastie ist Qiao Feng der angesehene Anführer des Bettlersyndikats, wird aber zum Ausgestoßenen, als seine wahre Herkunft aus dem verfeindeten Khitan Reich ans Licht kommt.

Die gewaltigen Kulissen von SAKRA sind beeindruckend. In den Außenaufnahmen gibt sich der Film etwas bescheidener, die meist auffällig mit CGI unterstützt werden, oder ersichtlich gleich im Studio nachgestellt sind. Doch die Innenaufnahmen der opulenten Tempelräume, ausladenden Versammlungsstätten und mehrstöckigen Gasthäuser sind überwältigend. Umso überwältigender, weil sie stets in monumental ausartenden Kampfszenen regelrecht zerlegt werden, wenn nicht sogar zerstört. Das passiert eben, wenn sich Kämpfer wie Qiao Feng mit übernatürlichen Fähigkeiten gegen Heerscharen erwehren müssen.

Auf der Suche nach der Wahrheit hinter dem Komplett gegen ihn, und den Morden an seinem Lehrer und Zieheltern, muss sich Qiao Feng mit Azhu verbünden. Die Rächerin aus dem Khitan Reich will den einsamen Kämpfer eigentlich töten, doch der nichtsahnende Qiao Feng rettet ihr das Leben. Azhu und er verlieben sich, und der Held beginnt das Schicksal seiner Herkunft zu erkunden und zu akzeptieren. Und das hört sich nicht nur so an, sondern ist tatsächlich nicht sehr einfallsreich. Was grundsätzlich nicht verkehrt wäre, hätten die sechs Drehbuchautoren diese einfache Geschichte nicht so furchtbar kompliziert und willkürlich verschachtelt umgesetzt.

Innerhalb der eigentlich simplen Erzählung kann es durch die inkohärenten Szenenwechsel leicht passieren sich in einer Rückblende zu glauben. Die pathetischen Dialoge werden in nüchterner und humorlose Ausdrucksweise vorgetragen, was es für das Publikum notwendig macht, sich immer wieder auf die Absicht zu besinnen, die hinter der Form von asiatischen Heldenepen steht. Da werden gerne Leben für Menschen geopfert, die man gerade erst kennengelernt hat, oder bekundet sich vor dem tödlichen Duell erst ausschweifend den gegenseitigen Respekt. Und dann gibt es wieder Handlungselemente die den Verlauf aufwerten, letztendlich aber überhaupt keinen Sinn ergeben.

Natürlich stehen die fulminanten Kämpfe immer im Vordergrund. Anders als im Mainstream-Kino, ist es beim asiatischen Film üblich, dass der Kampf-Choreograf auch die Regie in den entsprechenden Szenen übernimmt. Donnie Yen inszeniert diese Martial-Arts/Wushu/Fantasy-Schlachten mit erstaunlicher Energie, verliert sich aber gerne im Übermaß oder in technischen Feinheiten. Selbst wenn es im Wŭxiá üblich ist, dass den Helden und Antagonisten Flammen oder Blitze aus den Fingern schießen, sie mit dem Körper kleine Wirbelstürme erzeugen können, vertikal die Wände hochgehen, oder scheinbar fliegend über die Hausdächer einer Stadt entfliehen.

Sakra 2 - Copyright CAPELIGHT PICTURES

 

Diese ganz besonderen Shaolin-Schüler können auch mit geworfenen Essstäbchen den Gegner lähmen, und jeden Alltagsgegenstand zum kämpfen nutzen. So etwas macht den moralisierenden Pathos in den Dialogsequenzen immer schnell vergessen, wo es meist schwülstig um Ehre und Verantwortung geht. Was allerdings ein festgelegter Bestandteil von Wŭxiá-Erzählungen ist. Bleibt die Frage, ob Yen als Regisseur dem legendären Roman ‚Demi-Gods and Semi-Devils‘ von Jin Yong gerecht wird. Hingegen muss man über Yen als Kampfkünstler kein Wort mehr verlieren.

Abgesehen von der schlampigen Erzählstruktur, leiden auch die Kampfszenen, und damit der ganze Film an technischen Unzulänglichkeiten. Die Kameraführung ist gut gemeint dynamisch. Dabei unterstreichen längere Einstellungen Kunst und Fähigkeiten der Darsteller. Aber die ständig orientierungslosen Perspektivwechsel unterbrechen manchmal den Fluss der visuelle Wahrnehmung. Verstärkt wird das durch einige Anschlussfehler, die den eigentlich fließend angedachten Ablauf diverser Kämpfe als einzelne Takes entlarven. Oder unsaubere Schnittfolgen, bei denen Einstellungen zu lang stehen, und das eigentliche Geschehen bereits aus der Kadrierung fällt.

Um in der Tradition der klassischen Wŭxiá zu bleiben, hätte dem Film einfach mehr Zeit für Dreharbeiten und vor allem Nachbearbeitung sehr gut getan. Bei HERBERGE ZUM DRACHENTOR – DRAGON GATE INN von Regisseur King Hu, wurde 1966 das erste Mal Drahtseil-Akrobatik verwendet. Nur zwei Jahre später folgte schon der umgehend als Klassiker manifestierte EIN HAUCH VON ZEN – A TOUCH OF ZEN, ebenfalls von King Hu, der heute noch großen Einfluss auf das Sub-Genre nimmt. Was diese Filme ausmachte, lässt Donnie Yen in seinem Film vermissen.

Yen hält sich durchaus an die losen Regeln der traditionellen Romane, prescht dabei aber so brachial durch die Handlung, dass sich die meisten Sequenzen durch die unvermittelten Stimmungswechsel einer gewissen unfreiwillige Komik nicht entziehen können. Zum Beispiel mit Filmen wie SHAOLIN SOCCER, haben Regisseure wie Tsui Hark und Stephen Chow den Wŭxiá-Film dem modernen Kino angepasst, mit ähnlicher Radikalität, aber die formellen Mängel mit absurden Humor überdeckt. Es fehlt, wie SAKRA leider wiederholt, der Zugang zu jener mystische Ästhetik, welche durch sehnsüchtige Poesie und der hervorgehobenen Eleganz von Kampfkunst und Akrobatik eine magische Welt greifbar macht – und die eines Youxia würdig ist.

Sakra 1 - Copyright CAPELIGHT PICTURES

 

Darsteller: Donnie Yen, Chen Yugi, Cya Liu, Kara Wai, Wu Yue, Eddie Cheung, Grace Wong, Ray Lui u.a.
Regie: Donnie Yen, Kam Ka-Wei
Drehbuch: Sheng Linghzi, Zhu Wei, He Ben, Chen Li, Shen Lejing, Xu Yifan
nach der Wuxia-Novel Demi-Gods and Semi-Devils von Jin Yong
Kamera: Chan Chi-ying
Bildschnitt: Li Ka-wing
Musik: Chan Chi-wai
Produktionsdesign: Liu Shi Yun
Hongkong, China / 2023
130 Minuten

Bildrechte: CAPELIGHT PICTURES
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