KILLERS OF THE FLOWER MOON

Killers Flower Moon a - Copyright PARAMOUNT PICTURES– Bundesstart 19.10.2023
– Release 06.10.2023 (US)

Im Jahr 1897 wird im Reservat der Osage Öl gefunden, was viele der Ureinwohner reich machte. Dazu gehört die Familie von Mollie, die vom etwas naiven Kriegsheimkehrer Ernest umworben wird. Was nach langer, vorsichtiger Annäherung doch in Heirat und Familie endet. Doch der eigentliche Strippenzieher hinter der Beziehung ist Ernests Onkel William ‚King‘ Hale, Rinderbaron, Sheriff im County und Förderer der interkulturellen Beziehungen. Hales eigentlicher Plan ist seine weißen Gefolgsmänner mit reichen Osage Frauen zu verheiraten, welche dann durch mehr oder eher weniger mysteriöse Umstände ums Leben kommen. Das Erbe, gerade die Ländereien, werden dann auf den Besitz des ‚King‘ umgeschrieben. Die sogenannte Regentschaft des Terrors dauerte von 1926 bis 1932, mit zirka 60 nicht geklärten Todesfällen. Der amerikanische Journalist David Grann veröffentlichte 2017 seine Zusammenfassung der Ereignisse in seinem Buch „Killers of the Flower Moon: The Osage Murders and the Birth of the FBI.“. Für Martin Scorsese wurde es umgehend eine Herzensangelegenheit, aus dem Sachbuch eine würdige Spielfilmadaption zu machen.

Der hauptsächliche Einfluss von Co-Autor Erik Roth ist im ganzen Konzept der Adaption spürbar. FORREST GUMP, HORSE WHISPERER oder CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON des mehrfachen Oscar-Anwärters werfen hier ihre Schatten voraus. Nur der Regisseur bekommt das Material nicht in den Griff. Selbst bei weit kürzeren Filmen, inszeniert Martin Scorsese in den letzten Jahren immer extrem ausschweifend und viel zu lang. FLOWER MOON wäre mit sechzig Minuten weniger wesentlich interessanter, spannender und zugänglicher. Immer wieder drehen sich diverse Ereignisse im Kreis.

Viel zu oft werden Szenen dafür verwendet, um den verschlagenen Charakter von William Hale aufzudecken. Quälend langsam hangelt sich die Umsetzung von Ernests Plan voran, die Diabetikerin Mollie mit gepfuschten Medikamenten handlungsunfähig zu machen. Dabei kann Scorsese hiermit überhaupt keine Spannung aufbauen, weil er die Intentionen und Defizite seiner Figuren von Anfang an offen auslegt. Wie in eigentlich all seinen vorangegangenen Gangsterfilmen, wo es nie darum geht wer böse ist, sondern wie sich das Böse im Leben und Umfeld der Protagonisten manifestiert.

Die eingefahrene, um das Wort festgefahren zu vermeiden, Dreier-Konstellation von Scorsese, De Niro und DiCaprio präsentiert sich bei FLOWER MOON in überraschend uninspirierter Form. Die über 200 Minuten nach unten gezogenen Mundwinkel der zwei Hauptdarsteller lässt sie weder verschlagen, noch gemein aussehen, sondern wirken auf die Dauer langweilig und ermüdend. Gerade wenn man die eigentlichen Qualitäten der beiden kennt. Die meisten Szenen von DiCaprio und De Niro kann die außergewöhnlich charismatische Lily Gladstone auffangen. Der Legende nach, ohne Vorsprechen besetzt.

Lily Gladstone glänzt gleichsam mit Selbstbewusstsein zu Anfang, und als gebrochene Frau im Mittelteil. Ihre Hollie ist eine Frau, die ihre Würde nie mit Arroganz verwechselt, und in ihrer körperlichen Schwäche nie die geistige Stärke verliert. Darstellerisch rettet die phantastische Gladstone diesen Film, der jemanden wie Jesse Plemons, als einen der ersten FBI-Agenten, nicht fordert, und Größen wie Brandan Fraser und John Lithgow gar nichts zu tun gibt. Dafür beherrscht Martin Scorsese die epische Inszenierung in den Settings, was sich in Rodrigo Pietros aufregend opulenten Bildern widerspiegelt.

Killers Flower Moon c- Copyright PARAMOUNT PICTURES

In beißender Form wird die Bildgewalt in der vermeintlichen Harmonie der ethnischen Mischgesellschaft, immer wieder von Dialogen gebrochen, die den Status der Staatsgewalt verdeutlichen. So durften die Osage seinerzeit viel Geld verdienen und besitzen, aber die Ausgaben wurden von der weißen Regierung kontrolliert. Einige Passagen werden in nachgestellten, oder originalen Aufnahmen alter Wochenschauen gezeigt. Wie Mollies Treffen mit Präsident Coolige. Dabei mischen sich auch Berichte vom Ku-Klux-Klan oder dem Massaker von Tulsa. Zuerst wirken diese Einschübe unpassend willkürlich.

Die kurze Bebilderung des KKK oder dem Massenmord von Tulsa, stehen am Ende von FLOWER MOON im unzertrennlichen Kontext der amerikanischen Geschichte. Damit trifft Martin Scorsese in der Inszenierung immer wieder einen Nerv. Seine Absicht ist die Osage-Morde von der faktischen Beschreibung der Buchvorlage, auf die persönliche Ebene von drei Charakteren herunterzubrechen. Damit ergibt sich im Gesamten die Reflexion eines Gesellschaftsbilds von einem durch Habgier geprägten Amerikas, mit dem Recht des Stärkeren, und der Unverfrorenheit einer offen ausgelebten Radikalität.

In Ansätzen ist bei FLOWER MOON durchaus zu erkennen, warum Martin Scorsese noch immer zu einem der einflussreichsten Regisseure der letzten fünfzig Jahre zählt. Allein der Epilog, dargestellt als Live-Sendung eines Radiohörspiels, ist unglaublich innovativ, geprägt von einem sehr persönlichen Anliegen des Filmemachers. Und der Mut zu Robbie Robertsons ethnischen Score, der mehr den Rhythmus des Film bestimmt, und nicht wie sonst die Emotionen. Hätte Scorsese nur wesentlich mehr seine Hauptdarsteller in die Pflicht genommen, und die Einsicht für eine weniger mühsame Laufzeit gehabt.

Wenn in Nordamerika die Blumen zu blühen beginnen, wird damit der Anfang des Frühlings angestimmt. Durch die wundervolle Blütenpracht und das wiedererstarken des Lebens inspiriert, gaben die amerikanischen Stämme der Ureinwohner dem Vollmond im Mai den Namen Blumenmond – Flower Moon. So dokumentierte es der Old Farmers Almanac Mitte der 1930er.

Killers Flower Moon b- Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Darsteller: Leonardo DiCaprio, Lily Gladstone, Robert De Niro, Jesse Plemons, Tantoo Cardinals, John Lithgow, Brendan Fraser, Cara Jade Myers u.a.
Regie: Martin Scorsese
Drehbuch: Eric Roth, Martin Scorsese
nach dem Sachbuch von David Grann
Kamera: Rodrigo Prieto
Bildschnitt: Thelma Schoonmaker
Musik: Robbie Robertson
Produktionsdesign: Jack Fisk
USA / 2023
216 Minuten

Bildrechte: PARAMOUNT PICTURES
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