Ich lehne mich jetzt einmal ganz weit in die Sphären von Nerds und Fanpeople: Dieser Film ist das Beste was dem Marvel Cinematic Universe passieren konnte. Punkt.
„The Fantastic Four: First Steps“ ist bestimmt nicht der beste Film in der Reihe von 37, aber er bringt zurück, was Marvel lange vermissen ließ. Auf dieser Seite war bereits zu „Thunderbolts*“, a.k.a. „The New Avengers“, zu lesen, dass dieser einem das Gefühl gibt, als würde man (The Old) „Avengers“ zum ersten Mal sehen. Aber „Fantastic Four“ geht noch einmal einen Schritt weiter, womit nicht der Untertitel gemeint ist. Oh, dieser Film ist weit davon entfernt perfekt zu sein. Aber er macht so einiges, was im fortgeschrittenen Kanon des MCU mittlerweile unmöglich schien, oder die Macher vielleicht sogar gewisse Skrupel davor hatten. Das eine wäre zum Beispiel, dass er ebenso ein vollkommen unbedarftes Publikum uneingeschränkt unterhalten kann, das andere wäre eine Geburt im Weltraum.
Es heißt immer, dass zu viele Köche den Brei verderben. Und in dem Geschäft gibt es unzählige Beispiele, bei denen das Ergebnis von vielen Autoren ein mieser Film wurde. Hier ist es mit den Herren Friedman, Kaplan, Springer und Pearson ganz anders gelaufen. Ian Springer ist sogar Debütant, Josh Friedman ist Genre-Urgestein, und Eric Pearson, hoppla, der war bei „Thunderbolts*“ dabei. Es gibt keine tonalen Wechsel in Dialogen, Handlungsstruktur, Charakterisierung, oder auch Humor. Was aber auffällt, sind die harmonischen Übergänge von Charakter- zu Actionszenen. Nichts ist überhastet, es geht nicht Schlag auf Schlag um des Tempos Willen. Man nimmt sich angemessen Zeit. Situationen und Informationen werden sehr oft visuell vermittelt.
Nach einem Unfall mit kosmischer Strahlung haben Reed Richards, Sue Storm, ihr Bruder Johnny und Ben Grimm Superkräfte, welche sie in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Reed Richards ist der klügste Mensch auf der Welt, und kann seine Gliedmaßen schier endlos dehnen. Und er ist mit Sue Storm liiert, die sich unsichtbar machen und Kraftfelder produzieren kann. Johnny Storm wird nach eigenem Willen zur lebenden Fackel und kann wahnsinnig schnell fliegen. Schlimm hat es aber Ben Grimm erwischt, der zu The Thing wurde, ein Wesen aus Stein, mit übermenschlichen Kräften.
Pedro Pascal als Reed, Vanessa Kirby als Sue, Joseph Quinn als Johnny, und Ebon Moss-Bachrach als Thing (in den nachgestellten Nachrichten sieht man Moss-Bachrach auch ohne Maske). Dies ist ein Ensemble, wie für diesen Film gemacht. Weder Buch noch Regie gibt einem dieser Figuren einen Vorzug, und damit auch keinem der Darsteller. Die Ausgewogenheit in der Bedeutung jedes einzelnen Familienmitglieds ist beeindruckend. Und jeder der Schauspieler – selbst Moss-Bachrach hinter der Maske – vermittelt auch diesen Zusammenhalt als Freund und Familie. Es sie sind greifbare Menschen hinter den Helden, und das Ensemble ist darin wirklich überzeugend.
Entsprechend agieren die Figuren auch bei ihren heldenhaften Einsätzen. Wenn zum Beispiel Silver Surfer in New York erscheint, und sie das Kommen von Weltenverschlinger Galactus verkündet, der die Erde fressen wird – wortwörtlich. Aber eigentlich spielt das hier an dieser Stelle keine Rolle. Die Fantastic Four müssen die Welt retten, dabei geht natürlich auch nicht alles nach Plan. Und hierbei gesteht Regisseur Matt Shakman seinen Figuren auch zu, damit zu hadern, ihre Verzweiflung zu zeigen, durchaus auch einmal die Maske fallen zu lassen. Nicht Shakespeare-theatralisch, sondern Shakman lässt seine Darsteller auch in dem Rahmen spielen, wie das Publikum diese Leute bereits durch andere Filme, mit schweren Charakterrollen kennengelernt hat.
Matt Shakman hat sich bei einigen der besten TV-Serien als Regisseur verdient gemacht (u.a. „WandaVision“, „Mad Men“, „Fargo“). Ihn dennoch mit einem Projekt dieser Größe für sein Spielfilmdebüt zu betrauen ist sehr mutig, selbst wenn ein Kevin Feige als MCU-Verantwortlicher mit rigoroser Strenge die Produktion im Auge hat. Aber Shakman zeigt sich als sehr feinfühliger Inszenierer, der für jede einzelne Szene das richtige Gespür beweist. Ob in den Charakterszenen, oder dem Actionspektakel.
Außerordentlich mitreißend ist Shakman die fünfminütige Einführungssequenz gelungen, die in Form eine TV-Show nicht nur die Charaktere einführt, sondern gleich ehemalige Gegner vorstellt, und die Akzeptanz bei der Bevölkerung zeigt – inklusive Merchandise-Artikel innerhalb der eigenen Welt. Natürlich geht es später dann um nichts Geringeres als die Erde selbst, die gerettet werden muss. Für „First Steps“ ganz große Schritte. Es ist einer der unschönen Aspekte des Films, der damit allerdings der regulären Maxime von Abenteuern mit Superhelden folgt. Aber letztendlich weiß man eigentlich worauf man sich einlässt, und der Kampf gegen Galactus ist schließlich nicht das wirkliche Herzstück dieses Abenteuers – kurz und gut, es ist das Produktionsdesign.
Das O.K. von Chefetage und Machern für das Konzept des retro-futuristischen Designs in einem eleganten Mix von 60er- und 70er-Jahre, ist bemerkenswert. Viel spektakulärer ist allerdings, was unter der Aufsicht von Produktionsdesigner Kasra Farahani entstanden ist. Von Schiefertafel zu Vinyl-Tonträgern, von Röhrenfernseher zu Schalensessel, Kostüme, Frisuren, Automobile. Nick Gottschalk hat mit seinen Architekten und Bühnenbauern ein Retro-Optik geschaffen, die rundum begeistert. Jill Azis hat alles mit einer Ausstattung füllen lassen, die zu Tränen rührt – doch auch immer wieder für Lacher sorgt, aber nicht weil man sich darüber lustig macht. Die Kamera erlaubt es, in jedem Bild auf Erkundung zu gehen, und man wird begeistert fündig. Es ist makellos.
So makellos wie die Visuellen Effekte. Sofern man sich eine lebende Fackel, oder dehnende Gliedmaßen vorstellen kann. Allein die Spiegelungen auf Silver Surfers Körper, oder Sue Storms Haare in der Schwerelosigkeit. Bereits Ende der 60ern hat man sich über das Raketen-Design von Filmen und Comics aus den Früh-60ern lustig gemacht. Aber hier funktioniert es, ohne auch nur geringste Zweifel zu wecken, Dank der fantastischen Effekte und der konsequenten Einhaltung des visuellen Konzeptes.
„The Fantastic Four: First Steps“ ist auf Erde-828 angesiedelt. Das ist so ein Ding des Multiversums, was aber für ein unbefangenes Schauen nicht relevant ist (dennoch: auf Erde-838 wird Reed Richards von John Krasinski gespielt). Das aber diese fantastischen Fantastic Four den Weg auf die für das MCU erfundene Erde-199999 finden werden, haben bereits die „Thunderbolts*“ verraten. Vorerst hat Shakman mit einem unglaublich inspirierten Team der merklichen Superhelden-Müdigkeit Einhalt geboten. Auch wenn „First Steps“ nicht perfekt ist. Erbsenzähler werden immer fündig, und selbst neutrale Beobachter können das ein oder andere bemängeln. Aber warum erst mit so etwas anfangen. Gutes Kino ist dann, wenn die Schwächen irrelevant werden.
Darsteller: Pedro Pascal, Vanessa Kirby, Joseph Quinn, Ebon Moss-Bachrach, mit Ralph Ineson, Julia Garner, Natasha Lyonne, Paul Walter Hauser, Sarah Niles u.a.
Regie: Matt Shakman
Drehbuch: Josh Friedman, Eric Pearson, Jeff Kaplan, Ian Springer
Kamera: Jess Hall
Bildschnitt: Nona Khodai, Tim Roche
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Kasra Farahani
USA / 2025
115 Minuten