EDITORIAL: Adele, ein Lied und die Freude der Fans

Großes Brimborium. James Bond wird 50 Jahre. Am 5. Oktober 1962 hatte der Film DR. NO in England Premiere. Ein dankbares Thema, das die Medien undifferenziert aufgreifen. Bond wird 50, der 5. Oktober wird zum Bond-Tag ausgerufen. Und weil der dreiundzwanzigste James-Bond-Film vor der Tür steht, zelebriert man diesen Tag mit der Premiere des gesungenen Streiches für den jüngsten Film SKYFALL. Lediglich die von den Großen gerne ignorierten Online-Blogs machen darauf aufmerksam, dass Bond bereits seit 1953 in Buchform auf dem Markt ist, und bereits 1954 einmal für das Fernsehen verfilmt wurde. Diese Ignoranz ist schade, weil sich das Phänomen Bond eben nicht einzig auf die von EON-Productions gemachten Filme beschränken lässt. Aber mit einem griffigen Jubiläum erregt man einfach mehr Aufmerksamkeit, somit fiel der werbende Effekt für den Titelsong Skyfall weit höher aus. Adele hat ihn komponiert, zusammen mit ihrem Langzeit-Kollaborateur Paul Epworth. Was bei dieser Komposition allerdings auffällt, ist die Abwesenheit von Filmkomponist Thomas Newman, der SKYFALL orchestral vertonen wird.

Adeles stimmliche Umsetzung ihres eigenen Textes ist überragend. Ihre Stimme steht der von Shirley Bassey oder Nancy Sinatra in nichts nach, ist also in bester Tradition. Und Tradition ist der eigentliche Motivator für den von einem fast 80-köpfigen Orchester begleiteten Song SKYFALL. Eigentlich ein sehr gutes Lied, jedenfalls für das Ohr eines Otto-Normal-Hörers. Über musikalische Mängel oder tonale Stimmigkeiten können sich studierte Köpfe die selbigen zerbrechen. Skyfall geht ins Ohr und bleibt im Kopf. Jedenfalls für den, der den Titelliedern der Bond-Filme schon immer interessiert gegenüberstand. Bleibt zu hoffen, dass er die Kraft zu einem werbenden Zugpferd besitzt. Eigentlich benötigt ein Bond-Film keine dieser treibenden Katalysatoren. Aber vielleicht, und das ist ein sehr verhaltenes Vielleicht, könnte SKYFALL als Film etwas Beistand vertragen. Der Volksmund hat einiges wegen EIN QUANTUM TROST noch nicht verziehen.

Dass der Song SKYFALL in alter Tradition steht, ist für den hörenden Puristen wunderbar. Und wer fragen will, wie sich diese Tradition ausnimmt, der sollte wieder die besagten studierten Köpfe befragen. Wer sich durch die Palette von Bond-Songs hört, weiß auf alle Fälle, was gemeint ist. Es geht schließlich nicht um eine akademische Auseinandersetzung, sondern um einen unvoreingenommenen Hörgenuss. Und unvoreingenommen gehört ist SKYFALL zweifellos ein grandioser Bond-Song. Doch was ihm definitiv fehlt, sind eine aktuelle Note und der gewisse Hauch an Eigenständigkeit. Um das zu hören, braucht man keinen akademischen Grad. Duran Duran haben das mit A VIEW TO A KILL geschafft, die ihrem eigenen Stil treu bleiben konnten, aber das gewisse Etwas an Wiedererkennung für einen James-Bond-Film mit einbrachten. Und wie Adele waren sie aktuelle Hitparaden-Vertreter. Oder damals die Wings, die mit und für LIVE AND LET DIE 1973 sogar einen Oscar gewonnen haben. Bestimmt auch dafür, dass die Wings unter Paul McCartney die bisherige Struktur von Bombast-Balladen aufbrachen, dabei dennoch dem Geist des eigentlichen Films und der bisherigen Reihe gerecht wurden.

Nur NOBODY DOES IT BETTER von Carly Simon für SPION DER MICH LIEBTE und Sheena Eastons FOR YOUR EYES ONLY aus IN TÖDLICHER MISSION konnten 1977 und 1981 noch einmal Nominierungen für den Oscar erreichen, für einen Sieg reichte es in beiden Fällen nicht mehr. Adeles Komposition von SKYFALL hätte wieder diese Chance, zumindest auf eine Nominierung. Doch wesentlich schöner wäre diese zweigleisige Komponente, dass ein Bond-Song nicht nur den Geist des Films wiederspiegelt, sondern als eigenständiges Produkt erfolgreich sein kann. Die gegenseitige Befruchtung wäre außerordentlich, wie zuletzt der Soundtrack zu TITANIC bewiesen hat. In den Download-Charts sieht es für Adele bisher sehr gut aus, mit diesem seit langem typischsten Bond-Song aller typischen Bond-Songs. Oder mag am Ende genau das der Schlüssel zum Erfolg sein? Ist das die persönliche Note und Eigenart von SKYFALL, dass der Song alle Register zieht, ohne eben Strukturen aufbrechen zu müssen? Das wäre schon ein Ding.

Nach 59 Jahren James Bond und 25 Filmen wäre das Phänomen Bond wieder da, wo auch sein ursprünglicher Erfolg begründet liegt. Nicht nur in einem fulminanten Titelsong, der entgegen aller Erfahrungen auf seine Tradition vertraut. Nein, vielleicht sogar in einem Film, der allen Zweiflern zum Trotz überraschen könnte.

Die Royal-Premiere von SKYFALL ist am 23.10.2012 in London, Deutschlandstart am 1. November 2012. Und Adeles Titellied kann auf allen legalen Plattformen heruntergeladen werden.

Bildquelle: Cover – XL Recordings / Postermotive – Sony Pictures/Columbia Pictures
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