EDITORIAL: Paul und ich – Teil 1

Das bekannteste Filmfestival der Welt hat am 15. Mai 2013 begonnen. Über ein Festival zu berichten, dass mit Filmen aus aller Welt, in allen Genres, mit allen Stilmittel aufwartet, würde über einen groben Abriss nicht hinaus gehen. „Im Wettbewerb“ stehen zum Beispiel Filme von Kore-Eda Hirokazu oder Arnaud des Pallières. Ja, vielen stellen sich da die Haare zu Fragezeichen. Aber es sind auch die Coen-Brüder vertreten, François Ozon, Steven Soderbergh, Polanski, Luhrman und vor allem Nicolas Winding Refn. Schon besser. Also, ausgewogen zu berichten, wenn man nicht selbst persönlich anwesend sein kann, ist ein schwieriges Unterfangen. Persönlich verfolge ich Cannes während des Festival-Verlaufs kaum. Doch im Vorfeld, machte mich Cannes stutzig und neugierig, als das offizielle Poster des 66. Festivals 2013 vorgestellt wurde. Es zeigt Paul Newman und seine Frau Joanne Woodward sinnlich auf dem Boden liegend, und küssend. Paul Newman, der Star meiner Kindheit, der Held meiner Jugend, das unerreichte Vorbild meines Lebens.

Meine Beziehung mit Paul Newman begann in ganz jungen Jahren, weil mich meine, zugegeben, manische Liebe zum Kino von Anfang an zu allen zugänglichen Filmen trieb. Er und sein Kumpel auf Lebenszeit, Robert Redford, starben im Kugelhagel. Soviel verstand ich bereits vom Kino, das der Held gar nicht sterben konnte. Das Regisseur George Roy Hill nicht das selbe Wissen über das Kino hatte wie ich, bescherte mir ein schockierendes Erlebnis. Aber mit dem Verlust der Filmfigur Butch Cassidy, hatte ich den Schauspieler Paul Newman gewonnen. Dies führte unweigerlich dazu, dass ich Filme ansah, die ich in meinem Alter unmöglich begreifen konnte, aber wahnsinnig toll fand, weil Paul Newman darin spielte. Wie zum Beispiel EINE NEUE ART VON LIEBE – A NEW KIND OF LOVE, von 1963. Dieser Film war in jenem Jahr nicht auf dem Filmfestival in Cannes. Aber das aktuelle Cannes-Postermotiv mit Newman und Woodward war während der Dreharbeiten zu NEUE ART VON LIEBE entstanden. Von einer Werbeagentur etwas aufgehübscht, ziert es dieses Jahr groß- und breitflächig die Festivalstadt.

Die Begründung für die Auswahl des Motives liegt in der weit zurückreichenden Verbundenheit des Paares Newman-Woodward mit dem Festival, die 1958 mit DER LANGE, HEISSE SOMMER – THE LONG HOT SOMMER begann. Ebenfalls ein Film, der nur positive Erinnerungen assoziiert. Dieses Mal nicht nur weil Paul Newman mitspielte, sondern weil ich den Film auch noch verstand. Ich habe alle Filme von Paul Newman gesehen, alle Kino- und Fernsehfilme. An seine frühen Auftritte in diversen amerikanischen Serien ist ja kaum heranzukommen. Und wie interessant könnten sie sein, wo er da nur kurze unbedeutende Rollen hatte, weil seine Star-Qualitäten erst im Kino entdeckt wurden. Ja, ich habe sie alle gesehen, bis auf einen. Tatsächlich kann ich mich, ohne es als Verlust zu bezeichnen, an einige von all diesen Filmen gar nicht mehr richtig erinnern. Wie an den etwas unlustige, aber witzig gemeinte RALLY ‚ROUND THE FLAG, BOYS – KEINE ANGST VOR SCHARFEN SACHEN. Oder Peter Ustinovs Regie-Abenteuer LADY L, der eher absurd war, als angedacht komisch.

All den negativen Beispielen stehen natürlich die Königsklassen gegenüber, wie FORT APACHE – THE BRONX, oder HOMBRE, oder ABSENCE OF MALICE – DIE SENSATIONSREPORTERIN, oder, oder, oder. Wer hier mitließt, ohne selbst zwangsläufig Fan zu sein, wird einen Film einfügen können, der Mister Newmans Ruf begründet, einer der populärsten Darstellern des Filmgeschäfts gewesen zu sein. Er war es, und das stimmt mich wieder traurig. Ich habe alle seine Fernseh- und Kinofilme gesehen, bis auf einen. Es ist eine Aufzeichnung des mit dem Pulitzer-Preis geehrten Bühnenstücks OUR TOWN nach Thornton Wilder. Eine DVD, die mir just in der Woche zugesandt worden war, als Paul Newman den Kampf verloren hatte. In meinem fortgeschrittenen Alter, war es kindliche Naivität, die mir suggerierte, ich könnte etwas bewahren, wenn ich die lange Liste der gesehenen Filme von und mit Paul Newman unvollendet lasse.

Zum Beispiel hat Joanne Woodward 1973 die Goldene Palme als beste Darstellerin erhalten, für THE EFFECT OF GAMMA RAYS ON MAN-IN-THE-MOON MARIGOLDS – DIE WIRKUNG VON GAMMASTRAHLEN AUF RINGELBLUMEN. Jawohl, trotz dieses Titels war auch Paul Newman für die beste Regie nominiert. Noch einmal ist dieses Paar, das ziemlich genau 50 Jahre glücklich verheiratet war, zusammen gekommen. Das Filmfestival von Cannes ehrt diese Künstler, aber in erster Linie diese Menschen. Und dies ehrt Cannes. In wunderbaren Erinnerungen schwelgend, wird es Zeit, einen Film zu schauen, den ich noch nie gesehen habe. Und dann, dann habe ich wirklich alle gesehen.

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Bildquelle: Copyright Poster BRONX AGENCY / Bildmotiv PARAMOUNT PICTURES
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