ONWARD: Keine Halben Sachen

Onward 1, Copyright WALT DISNEY STUDIOS MOTION PICTURESONWARD – Bundesstart 05.03.2020

Er gilt als Meilenstein der Computeranimation, sozusagen der Wegbereiter für scheinbar lebensechte Dinosaurier. 1986 verantwortete John Lasseter in Personalunion LUXOR JR., einen Zweiminüter um eine kleine Schreibtischlampe und ihren Ball. Das der Produzent, Drehbuchschreiber und Regisseur Chef von Pixar Animation werden sollte, schrieb die Kinogeschichte von selbst. Wie einst Walt Disney, revolutionierte John Lasseter den Animationsfilm, und ohne zu übertreiben, prägte das Blockbuster-Kino, wie es im modernen Kino nur Steven Spielberg konnte. Über jeden Pixar-Film hielt er seine beeinflussende Hand. Manchmal weniger gelungen, aber meistens mit phantastischem Erfolg, bei Einspielergebnissen, Publikum und Kritikern. Und nun musste Lasseter seinen Platz räumen, aus Gründen, die bizarrer weise schon niemanden mehr verwundern. Sexuelle Belästigung. Jetzt ist ONWARD: KEINE HALBEN SACHEN der erste Pixarfilm ohne den Einfluss von John Lasseter. Und irgendwie scheint dieser Film wie ein Omen.


Es war einmal… Magie, Magie, Magie. Da beherrschten stolz fliegende Einhörner die Lüfte, Elfen bevölkerten die Höhlen und Magier schützten alle Wesen mit ihren Zauberstäben. Bis jemand die Glühbirne erfand. Und dann kam das Häuser bauen, und später Automobile. Willkommen im hier und jetzt, einer ganz normalen Kleinstadt, in einer Welt die längst alle Magie verloren hat. Die jugendlichen Elfenbrüder Ian und Barley, so will es das Gesetz der Dramaturgie, könnten nicht unterschiedlicher sein. Der eine verschüchtert und traurig, der andere extrovertiert und immer polternd laut. Gemeinsam haben sie lediglich die Sehnsucht nach ihrem verstorbenen Vater, auch wenn Mutter Laurel alles Elfen mögliche tut, um den beiden eine heimische Geborgenheit zu bieten. Doch urplötzlich ergibt sich die Möglichkeit, noch einmal einen Tag mit dem Vater zu verbringen. Aber nur durch Magie. Und zu diesem Zeitpunkt ist im Film schon so oft und aufdringlich das Wort Magie gefallen, dass man annehmen muss, die Reise würde zu Disneys Magic Kingdom führen.

Man findet einige Details und Besonderheiten, die bei ONWARD gelungen sind und gut funktionieren. So wie Ian und Barley, die sympathisch und ansprechend zum Leben erweckt wurden, und charakterlich genau die richtigen Töne anschlagen. Doch allgemein bedrachtet, ist das Charakter-Design eher als typisch und gewohnt zu bezeichnen. Ein behäbig fauler Zentaur, auf Motorrädern marodierende Feen, oder ein depressiver Mantikor. Letztendlich reichen diese netten Einfälle nicht aus, um einen sozusagen abendfüllenden Film wirklich zu füllen. Die witzigste Idee wird gleich zu Anfang mit zwei Einhörnern verschenkt, was für den weiteren Verlauf viel verspricht, aber zu keinem Zeitpunkt wieder erreicht wird. Wirklich herzliche Lacher bleiben einen bei ONWARD verwehrt. Immer wieder gibt es Momente zum Schmunzeln, hier und da gibt es Anlass zu einem amüsierten Glucksen. Aber das Humorlevel der drei Schreiber, Regisseur Scanlon ist einer davon, ist nicht sonderlich ausgeprägt, erst recht nicht ausgewogen.

ONWARD 2, Copyright WALT DISNEY STUDIOS MOTION PICTURES
Worauf sich ONWARD ziemlich penetrant versteift, ist sein melancholischer Ton, der immer wieder die Sehnsucht nach dem Vater rührselig in den Vordergrund drängt. Der jüngere Ian gewinnt dadurch im Verlauf etwas leicht depressives. Der ältere Barley hingegen erweist sich mehr und mehr als verkannter Besserwisser, der auf alle Unwegsamkeiten umgehend die korrekte Lösung bereit hält, ohne das die Gelegenheit für Spannungsmomente gegeben wird. Hier mutiert der Film dann auch zu einem Spiegel jenes Rollenspieles, welches die Elfenbrüder als Leitfaden für ihre eigene Suche nutzen. Was sich originell anhört, verläuft aber im Nichts, weil die Macher die Selbstreferenz überhaupt nicht als Metaebene deutlich machen können. Und werden die Hinweise des allwissenden Barley übergangen, folgt die Strafe umgehend. Dieses immer wieder genutzte Erzählelement ist bereits beim zweiten mal vorhersehbar, lässt aber dann auch keine Alternativen mehr für den Verlauf zu, weil Barley die korrekte Lösung bereits in den Kinosaal gestellt hat.

Aber auch sonst verstehen es die Filmemacher, jede Überraschung zu umgehen. Möglicher Freiraum oder ein Spiel mit der Erwartungshaltung wird nicht wahrgenommen, lag scheinbar auch nie in der Absicht von Buch und Regie. Wenn ein Fabelwesen über die Jahre verlernt hat zu fliegen, dann ist das wie ein leuchtender Pfeil auf den Ausgang dieses Handlungselementes. Auch der sentimentale Kern von Ians Begehren wird immer wieder prominent in den Vordergrund gedrängt, um mit einer moralisierenden Wende den Versuch einer Überraschung zu kreieren. Diese ist aber leider schon so absehbar gewesen, dass es viel mehr überrascht, wie uninspiriert sich Ians Dilemma auflöst. In all den Bemühungen, originell zu sein, temporeich zu inszenieren und technischen Ansprüchen gerecht zu werden, tut sich ganz am Ende eine viel dringlichere Frage auf, die man schlicht vergessen oder ignoriert hat, aber alles auf den Kopf stellen könnte. Die weiblichen Elternteile werden vielleicht um einiges schneller diese Frage stellen.

Während sich Kinder ohne Zweifel in dem chaotischen Treiben, diesen farbenfrohen Bildern, den tollpatschigen Fehlschlägen und abenteuerlichen Hindernissen der Reise bestens aufgehoben fühlen, bleibt dem begleitenden Erwachsenen der Spaßfaktor ziemlich fern. Was Pixarfilme bisher immer so besonders machte, ist die homogene Zusammenführung aller Altersgruppen, wo das Wort Familienfilm tatsächlich als solches funktioniert und Humor sowie Dramaturgie eben nicht für zwei Gruppen aufgeschlüsselt werden müssen. Leider ist es genau das, was ONWARD vermissen lässt. Schlimmer noch, ihm gelingt es nicht Erwachsene mit einzubeziehen. Auf jeden Fall nicht auf dem von diesem Studio gewohnten Niveau.

Onward 3, Copyright WALT DISNEY STUDIOS MOTION PICTURES

 Stimmen:
Tom Holland / Christian Zeiger – Ian Lightfoot
Chris Pratt / Leonhard Mahlich – Barley Lightfoot
Julia Louis-Dreyfus / Annette Frier – Laurel Lightfoot
Octavia Spencer – The Manticore
Mel Rodriguez -Colt Bronco
Kyle Bornheimer – Wilden Lightfoot
Lena Waithe – Officer Spector
Tracey Ullman – Grecklin
u.a.

Regie: Dan Scanlon
Drehbuch: Dan Scanlon, Jason Headley, Keith Bunin
Kamera: Sharon Calahan, Adam Habib
Bildschnitt: Catherine Apple
Musik: Jeff Danna, Mychael Danna
Prdouktionsdesign: Noah Klocek
USA / 2020
102 Minuten

Bildrechte: WALT DISNEY STUDIOS MOTION PICTURES
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar