Special-Effects – Teil 1

Ist das denn echt?

Wir leben in einer Zeit, in der die Kunst der Spezial-Effekte ihre Magie verloren hat. Was Illusion ist und was Wirklichkeit,  ist als Frage irrelevant geworden. Viel zu selbstverständlich nutzen Filmemacher in aller Herren Länder den Computer mehr oder minder erfolgreich, um den Anforderungen von anständigem Handwerk aus dem Weg zu gehen.

Eine amerikanische Durchschnittskomödie protzt heute mit mehr vom Computer nachbearbeiteten Szenen, als sich ein durchschnittlicher Monsterfilm in den Fünfzigerjahren Effekteinstellungen leisten konnte. Die Witherspoon-Komödie LEGALLY BLONDE 2 glänzte mit 48 Einstellungen, die am Computer fertiggestellt werden mussten. Weit gefehlt, wer glaubt, dass die künstlich erschaffenen Welten billiger sein würden als aufwendiger Kulissenbau und das Bezahlen von Statisten.

Nach wie vor halten sich Programmierer und Handwerker finanziell die Waage. Um beim Exempel LEGALLY BLONDE 2 zu bleiben, war hier das Einhalten des Drehplans der Vater des Effekt-Kindes. Absurde Verträge machen einen zusätzlichen Drehtag um ein Vielfaches teurer als einen herkömmlichen.

Es ist alles eine Frage des Image, wenn man einen Film auf CGI (Computer Generated Imagery) hin ausrichtet. Damit entfällt allerdings ein künstlerischer Entstehungsprozess während der Dreharbeiten, weil keine Freiheiten mehr gegeben sind. Die Arbeiten am Computer laufen zeitgleich zum Dreh der Live-Action-Sequenzen. Eine Abstimmung beider Arbeitsprozesse für kurzfristige Änderungen ist nicht einfach nur kostenintensiv, sondern auch ein logistischer Alptraum. Das mussten die Effekt-Spezialisten von WETA erfahren, als zwei Monate vor der Premiere Regisseur Peter Jackson entschied,  das im bereits fertigen Film KING KONG der Hauptdarsteller älter, gemeiner und geschundener aussehen sollte.

Im Bereich der Effekte wird innerhalb der Branche zwischen den Spezial-Effekten und den visuellen Effekten unterschieden. Der Spezial-Effekt wird vor dem verwendeten Aufzeichnungsgerät erzeugt und direkt aufgenommen, der visuelle Effekt hingegen entsteht nach der Aufnahme durch Manipulation des Materials. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist dieser Unterschied überhaupt nicht relevant, doch als Bezeichnung betrifft es vollkommen unterschiedliche Handwerkstypen.

Filmische Effekte gibt es seit Anbeginn des Films. In gewisser Weise kann man sogar ANKUNFT EINES ZUGES der Brüder Lumière von 1895 schon als einen einzigen Effekt bezeichnen, in dem die Filmpioniere einen Zug in einen Bahnhof auf die Kamera zu fahren ließen. Der noch unbedarfte Zuschauer kannte solche Aufnahmen noch nicht und erschrak selbstverständlich ob des immer größer werdenden Objektes. Ob tatsächlich Menschen in Panik schreiend aus den Vorführzelten stürmten, gehört wohl zu den modernen Legenden des Kinos. Aber die Wirkung war nicht verfehlt.

Als sich das Kino um die Jahrhundertwende immer mehr kommerzialisierte, begann man auch viel bewusster mit den ersten Spezial-Effekten zu arbeiten. Wobei der älteste aller Tricks noch viel früher erfunden wurde, nämlich die „angehaltene Kamera“. Eine Aufnahme wird gedreht, die Kamera angehalten, nichts darf sich weiter bewegen, dann entfernt man ein Objekt oder fügt eines hinzu und dreht weiter. Wie durch Magie erscheint oder verschwindet etwas in der Szenerie. Natürlich sieht das heute mehr als lächerlich aus, allerdings nur, weil wir die Zusammenhänge besser begreifen. Zur damaligen Zeit brachte das die Leute zum Staunen. Oder waren wir nicht alle erschrocken, wie real der T-Rex in JURRASIC PARK uns anschrie?

Mit der Jahrhundertwende kam schon das Verfahren von MATTE PAINTING ins große Spiel der Illusionen. Eine Glasscheibe wird vor der feststehenden Kamera ebenso fest installiert. Man kann darauf Vordergründe malen, wie zum Beispiel Palmen, wenn sich dahinter die Protagonisten in einer Dschungellandschaft bewegen sollen, oder Gesteinsformationen wie bei Méliès‘ 1902 entstandenen TRIP TO THE MOON.


Viel beliebter war es allerdings, den Hintergrund mit Matte Painting aufzupeppen. Auf einer realen Scheune, vor der sich Leute bewegten, konnte man auf der Glasscheibe an einer geeigneten Stelle einen Kirchturm aufmalen und bekam dadurch ein ganz anderes Gebäude. So etwas sparte Geld beim Kulissenbau. Noch beliebter war dieser Trick, wenn man ganze Landschaften verändern wollte. Wo ein Wald war, konnte man eine Stadt hin malen oder umgekehrt. Man brauchte in der realen Szenerie klare Linien, damit das künstliche Bild sich leichter integrieren ließ. Und was immer sich in der realen Szenerie bewegte, durfte diese definierte Linie nicht überschreiten, weil sonst zum Beispiel ein Kopf hinter der auf Glas aufgemalten Landschaft verschwand, die sich optisch viel weiter im Hintergrund befand.

Warum Glas? Weil man mit entsprechender Beleuchtung von hinten das Bild in Helligkeit und Brillanz der realen Umgebung anpassen konnte. Nebenbei sei erwähnt, dass die Matte-Maler echte Künstler in der fotorealistischen Darstellung von Umgebung sind. Na ja, die meisten jedenfalls. Dennoch wurde ihre Leistung bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts nie im Vor- oder Abspann gewürdigt. Die Studios wollten nicht zugeben, dass sie mit Hilfe dieser Künstler kräftig im Budget gespart hatten.

Irgendwann reihte sich Herr Schüfftan in die Trickspezialisten-Liga ein, indem er das Glas der MATTE-PAINTINGS durch einen Spiegel ersetzte und diesen im 45°-Winkel zur Kamera anbrachte. Auf einem minimalistischen Set bewegten sich nun die Darsteller in gerader Linie zur Optik. Es wird soviel von der verspiegelten Fläche entfernt, wie von diesem minimalistischen Set zu sehen sein soll. In einem 90°-Winkel zur Kameraachse kann nun ein Modell stehen oder sich eine andere Szenerie abspielen, die auf der verbleibenden Spiegelfläche zu sehen ist. Die Spezial-Effekt-Leute müssen nur darauf achten, dass es einen optisch logischen Übergang von der durchsichtigen zur sich spiegelnden Fläche ergibt, und fertig ist die Illusion. Eugen Schüfftan hatte seine eigene Methode mit Fritz Langs METROPOLIS perfektionieren können und voll ausgenutzt. So hat er auch Filmaufnahmen von in der Luft befindlichen Modellflugzeugen auf den Spiegel projiziert, während sich Menschen in einer realen Kulisse bewegten. Der METROPOLIS-Produktion ist es grundsätzlich zu verdanken, dass sämtliche bekannte Arten von Spezial-Effekten verbessert und zur Perfektion gebracht wurden. Für die damalige Zeit.


SCHÜFFTAN hatte gegenüber dem einfachen MATTE PAINTING wunderbare Vorteile, weil mehr Möglichkeiten. Doch beide Effekte ließen keine Kamerabewegungen zu. Und spätestens seit D.W. Griffith wusste man, dass sich die Kamera auch bewegen wollte (Griffith ist nicht der Erfinder von Kamerafahrten oder Close-ups oder anderen Kamera-Finessen, aber er war der erste, der es verstand, diese gezielt dramaturgisch einzusetzen).

Zum MATTE PAINTING-Verfahren zählt auch eine bemalte Leinwand, die hinter einem Darsteller vorbeigezogen wurde, wenn er zum Beispiel in einem Auto saß oder ein Pferderitt simuliert werden musste. Dies wurde aber bald von der Rück- und Frontprojektion abgelöst. Auf eine lichtdurchlässige Leinwand wird von hinten ein Film projiziert und davor bewegt sich der Darsteller. Eine Frontprojektion gibt ein kontrastreicheres, schärferes Bild der Projektion, aber der Projektionsstrahl ist dann auch auf dem Schauspieler zu sehen. Dieser muss deswegen so hell ausgeleuchtet werden, dass das Personenlicht die Projektion überstrahlt. Diese beiden sehr beliebten Verfahren hielten sich bis Mitte der 1980er in der Filmindustrie, mit meist weniger überzeugenden Resultaten.

Die Kamera konnte sich aber noch immer nicht bewegen. Doch die Lösung war nicht sehr weit, weil sich auch Matte Painting um wesentlich verbessert hatte, mit deutlich höherem Aufwand selbstverständlich.

Auf der Glasplatte vor der Kamera wurde der Bereich des zu ersetzenden Hintergrundes schwarz bemalt, damit dieser nicht belichtet wird. Die Szene mit dem minimalen Set wurde gedreht, und anhand eines Referenzstreifens fertigt der Künstler die MATTE. Die eigentliche Szene wird noch nicht entwickelt. Bei der fertigen MATTE wird nun der Bereich schwarz angemalt, in dem sich die Live-Action abspielt. Erneut helfen Teststreifen, das Material der MATTE-Aufnahme bei der Entwicklung an den Live-Action-Film anzupassen. Der Teil mit den Darstellern wird jetzt noch einmal belichtet, nämlich mit dem MATTE-Material, das nun in den noch nicht belichteten Bereich des Live-Action-Films gebrannt wird. Dass der vorher belichtete Bereich wieder mit Schwarz abgedeckt werden muss, versteht sich fast von selbst, man will ja eine Doppelbelichtung vermeiden. So schreitet Claudette Colbert in Los Angeles durch die Landschaft des Himalaya.

Wie sollte es auch anders sein, auch von dieser Methode gibt es leicht differenzierte Varianten, die in ihrer Gesamtheit aber nichts zur Sache tun, weil das Prinzip bestehen bleibt.

MATTE bedeutet eigentlich nichts anderes als Maske. Wie konnte sich nun zum Beispiel ein Mensch in einer vollkommen irrealen Welt bewegen? Angenommen wir haben eine Aufnahme einer Mondlandschaft, mit einer wunderschönen Raumstation. Nun soll sich hier einer im Raumanzug bewegen und wichtige Dinge tun.

Oder man will ein Raumschiff durch eine total unwirkliche Welt fliegen lassen? Frank Williams meldete da bereits 1923 ein Patent an. Die „bewegliche Maske“, das bis heute gültige Kernstück visueller Effekte.

Wir filmen das Objekt der Begierde vor einem richtig schwarzen Hintergrund. Alles was hier in der folgenden Erklärung an schwarzen Flächen bleibt, wird beim filmen NICHT belichtet.

Diese Aufnahme wird mit sehr kontrastreichem Film im Labor „umgekehrt“. Durch den extrem hohen Kontrastumfang bleibt nur Schwarz und Weiß auf dem Film. Durch das umkehren, wird jetzt unser fliegendes Objekt schwarz und der Hintergrund lichtdurchlässig. Wir, und alle anderen, nennen das REVERSE MATTE.

Jetzt filmen wir den unwirklichen Hintergrund. Kann ein Matte Painting sein, ein Foto, eine filmische Aufnahme, oder sogar ein bereits gefilmter Effekt, der um weitere Effekte erweiter werden soll.

Im Labor wird nun dieser Hintergrund auf die REVERSE MATTE kopiert. Da nur der weiße Teil lichtdurchlässig ist, bleibt die Silhouette des einzufügenden Objektes (unbelichtet) über dem Hintergrund.

Jeder vernünftige Kameramann dreht vom Objekt, sowie dem Hintergrund natürlich mehr als man wirklich braucht. Dieses „überflüssige“ Material dient als Referenz, dass man im Labor schon vorher die Filme in Helligkeit und Kontrast, und eventuell auch in der Farbgebung  aufeinander abstimmen kann.

Dann, endlich, wird unser fliegendes Objekt (mit unbelichtetem schwarzem Hintergrund) und die unwirkliche Welt (mit der unbelichteten schwarzen Silhouette) zusammengefügt.

Warum manche dieser Effektschüsse aus den 1940ern besser aussehen wie welche aus den 1980ern, hat erstaunlicherweise nichts mit dem Material, oder den Gerätschaften, oder der Zeit zu tun. Es liegt schlicht und ergreifend an der Qualität der Rotoskopie. Natürlich bleiben oftmals sichtbare Ränder bei einem TRAVELING-MATTE-Effekt. Sehr, sehr einfach ausgedrückt, wird bei der Rotoskopie der fertige Effekt nachbearbeitet, indem die Ränder zwischen Hintergrund und eingefügtem Objekt Bild für Bild, meist per Hand, nachbearbeitet werden.

Besonders wahnsinnige Spezialisten kopierten wirklich jedes einzelne Filmbild der 22mm x 16mm großen Vorlage auf zum Beispiel DIN A 4 Größe auf, retuschierten kräftig und filmten diese Bilder wieder mit Einzelbildschaltung ab, ganz wie bei einem Zeichentrickfilm. Wenn man bedenkt, das eine Filmsekunde vierundzwanzig Bilder hat… Respekt!

Was 1923 begann, hatte noch uneingeschränkte Gültigkeit, als 1976 STAR WARS in Produktion ging. Alles eine Frage der Maske. Was nichts anderes heißen soll, als dass das als Beispiel genannte Objekt durchaus auch durch einen Darsteller ersetzt werden kann. Und schon zieht Clark Gable sein Pferdegespann durch das brennende Atlanta.

Oder wir machen den Unsichtbaren. Frank Whales Ballade des bedauerlichen Wissenschaftlers, die er 1933 mit Claude Raines drehte, ist mustergültig im Gebrauch von TRAVELING MATTE. Für sein Entstehungsdatum verzeichnete INVISIBLE MAN einen extremen Aufwand und eine heute noch erschreckende Perfektion in seiner Tricktechnik.

MATTE PAINTING und das daraus entwickelte TRAVELING MATTE bilden den Grundpfeiler der Tricktechnik, weil sie in Kombination mit anderen Tricktechniken erstaunliche Welten öffneten. Dazu sei noch erwähnt, dass man in den Disney Studios mit speziellen Hintergründen und Sodium-Lampen das Verfahren dahingehend veränderte, dass es möglich wurde, reale Darsteller in eine gezeichnete Welt zu transferieren. Ub Iverks würdigte man dafür 1965 mit einem Oscar, als dies erstmals bei MARY POPPINS gezeigt wurde.

TRAVELLING MATTE ist im Übrigen ein Verfahren, das sich von der rein mechanischen Arbeit 1923 bis in den Computer heutzutage hinein erhalten hat. Je nach Quelle werden INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE oder DIE HARD 2: DIE HARDER  genannt, die als erstes ein MATTE PAINTING im Computer mit Realfilm zusammenfügten.

Bis auf die Tatsache, dass noch so einige Tricktechniken zu behandeln sind, können wir schon ein schönes Fazit ziehen. Welches hier lautet? – MATTE PAINTING kann ein Spezial-Effekt sein und TRAVELING MATTE ein visueller Effekt.

Schönen guten Abend.

 

Bildquelle: Turner Home Entertainment, Columbia Tri Star, Parufamet, Paramount

Schreibe einen Kommentar