CONCRETE COWBOYS

Concrete Cowboy 1 - Copyright NETFLIXNetflix – 02.04.2021

„Mein Neffe war bei allem nie bei der Sache. Immer hat ihn jemand angebrüllt: Konzentrier‘ dich, konzentrier‘ dich, konzentrier‘ dich! Aber wenn wir in der Stallung sind und auf der Koppel und er ist auf dem Pferd, ist dies das einzige worum er sich schert. Er ist fokussiert, er ist engagiert und er will etwas erreichen. Er will sein Pferd verstehen. Es ist wundervoll. So kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass ich erster Hand gesehen habe, was ein Pferd mit einem machen kann, der normal nie bei der Sache ist, und plötzlich konzentriert ist und Dinge auf die Reihe kriegt.“ – Ivannah-Mercedes (Rolle der Esha) – Reiterin aus der Fletcher Street

Er will einfach nicht vernünftig werden, geht keiner Schlägereien aus dem Weg und zieht gerne auch anderweitige Schwierigkeiten an. Nach zähem Ringen wird der fünfzehnjährige Cole von seiner Mutter nach Philadelphia gebracht und bei seinem entfremdeten Vater abgesetzt. Harp, einer von nicht wenigen Cowboys inmitten der Großstadt, nimmt seinen Sohn mit stoischer Gelassenheit auf, allerdings nicht mit Güte und Fürsorge. Als vermeintlicher ‚Ghetto Junge‘ muss Cole sein Leben zwischen Pferdestallungen, Cowboys und einhergehender Verantwortung auf die Reihe bringen.

Was Filmautor Ricky Staub mit seinem Spielfilm-Erstling probiert hat, ist die klassische, nicht sehr subtile Struktur des Filmes über das Erwachsenwerden mit den Einblick in ein kulturelles Novum zu verbinden. Das Novum sind die legitimen Nachfahren der Cowboys, welche die Tradition von den Pferden innerhalb der Stadtgrenzen nicht nur aufrecht erhalten, sondern wirklich leben. Hier ist es Philadelphia und ihre mittlerweile durch die Presse bekannte Fletcher Street, den Pferden und ihren aus der Zeit genommenen Reitern.

Concrete Cowboy 3 - Copyright NETFLIX

 

Durch einen Photoartikel im Life-Magazin aufmerksam geworden, recherchierte der Jugendbuch-Autor Greg Neri und schrieb den Roman ‚Ghetto Cowboy‘. Der wiederum animierte Ricky Staub und seine Kumpel Dan Walser, die zusammen schon am Kurzfilm THE CAGE gearbeitet haben, zu einer Filmadaption. Das ist mit einem Ensemble, welches nicht besser gewählt sein könnte, beeindruckend authentisch gelungen. Und Harp Darsteller Idris Elba machte sich gleich als Produzent mit verantwortlich. Das Elba seine Rollen stets mit überzeugender Nonchalance ausfüllt, bestätigt er auch hier wieder. Und wie der Brite den schweren Philadelphia-Slang meistert ist Sahnehäubchen mit Kirsche.

Coles Eingewöhnung in die Gegend um die Fletcher Street ist natürlich seinem trotzigen Verhalten entsprechend ziemlich steinig. Und versierte Zuschauer werden die Geschichte sehr schnell durchschaut haben, wenn Coles Kindheitsfreund Smush auf der Bildfläche erscheint, der unentwegt Pott raucht, sich mit Drogenhandel Geld verdient und ein schnelles Auto fährt. Da fallen die Ratschläge und Philosophien des Vaters schnell hinten runter. Mit den zu erwartenden Konsequenzen.

Es ist schwer nachzuvollziehen, warum Staub und Walser nicht etwas tiefer aus dem unerschöpflichen Gewässern des wirklichen Lebens geschöpft haben. Denn so richtig wollen die zwei Komponenten von authentischer Cowboy-Historie und dramatisierter Pubertätsgeschichte nicht zusammen gehen. Die eine ist beinahe etwas zu glorifizierend beschrieben, wenn sie der andern zu herkömmlich und altbackenen Handlungsteil gegenüber steht. Der Wunsch keimt auf, Staub hätte sich komplett einer Dokumentation verschrieben.

Mit seiner sehr authentischen Bildsprache trägt Kameramann Minka Farthing-Kohl, ebenfalls THE CAGE Kollaborateur, in erster Linie dazu bei, CONCRETE COWBOYS die Atmosphäre einer ungetrübten Dokumentation zu geben. Viele Bilder sind nüchtern, beobachtend und ehrlich. Andere wiederrum sind traumhafter Poesie entsprungen, die allerdings scheinen, als hätten sie sich tatsächlich aus einem wirklichen Moment heraus ergeben zu haben.

Concrete Cowboy 2 - Copyright NETFLIX

 

„Da ist ein Pferd in deinem Haus“, könnte wirklich einer jener ikonischen Filmzitate werden, sollte CONCRETE COWBOY ein entsprechend großes Publikum finden. Doch Sätze wie, „harte Dinge kommen vor guten Dingen“, oder „Pferde sind nicht das einzig was hier geknackt werden muss“, sind Dialogzeilen die einfach jede Spannung, oder Subtilität aus der Handlung nehmen. Ein wenig zu viel Holzhammer und viel zu viel Wink mit dem Zaunpfahl. Die Darsteller und die Geschichte hätten es einfach nicht gebraucht.

Aber eine hohe Hürde, die absolut für den Film spricht, nimmt er dennoch. Und zwar mit seinen hervorragenden Nebendarstellern, die zum größten Teil wirkliche Reiter aus der Fletcher Street sind. Als vor hundert Jahren die Motorisierung in den Städten begann, wurden Pferde in den Städten obsolet. Aber die Tradition wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Nicht nur in Philly, sondern in vielen Großstädten der USA. Diese kaum bekannte Besonderheit alleine hätte diesen Film schon interessant genug gemacht. Man muss eben versuchen, die leider viel zu aufgesetzte Dramaturgie gelassen zu sehen.

Greg Neri hat auf seiner Web-Site etwas schlecht gerade Kopien der Artikel vom Life-Magazin und Philadelphia Weekly bereitgestellt.

Concrete Cowboy 4 - Copyright NETFLIX

 

Darsteller: Idris Elba, Caleb McLaughlin, Lorraine Toussaint, Jharrel Jerome, Method Man, Ivanna-Mercedes, Jamil Prattis, Byron Bowers, Michael Upshur, Albert C. Lynch Jr. u.a.
Regie: Ricky Staub
Drehbuch: Ricky Staub, Dan Walser
Kamera: Minka Farthing-Kohl
Bildschnitt: Luke Ciarrocchi
Musik: Kevin Matley
Produktionsdesign: Timothy W. Stevens
Großbritannien – USA / 2020
111 Minuten

Bildrechte: NETFLIX
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