PERFECT

Respect - Copyright METRO-GOLDWYN-MAYER– Bundesstart 25.11.2021

Eigentlich fehlt, dass RESPECT mit jenem Konzert anfängt, in welches der Film am Ende münden wird. Der lange, steinige Weg des Superstars Aretha Franklin, eingebettet in den größten Erfolg ihrer bis dahin hart erkämpften Karriere. Das haben so viele andere Musik-Biografien auch schon zelebriert, um das ikonografische ihrer Figuren zu untermauern. Und weil genau dieses Element abgedroschen und vor allem unoriginell weil einfallslos ist, hat wohl Liesl Tommy in ihrem Film darauf verzichtet. Aber viel besser lässt dies dann RESPECT auch nicht aussehen. Geschweige denn anfühlen. Eine Biografie über eine derartige Persönlichkeit, mit einem relativ bekannten Werdegang, muss gerade die unbekannten Facetten freilegen, was Liesl Tommy nicht gelingt. Denn RESPECT ist eine Katastrophe, die keinerlei Beziehung zu ihren Figuren, und erst recht nicht zu der Geschichte aufbaut.

Zehn Jahre ist Aretha, von allen nur Re genannt, wenn der Film beginnt, und die kleine in der Nacht aus dem Bett geholt wird, um für die Freunde ihres Vaters zu singen. Man merkt, dass sich Re bei soviel Aufmerksamkeit sehr wohlfühlt. Es macht ihr auch viel Spaß in der Kirche zu singen, weclher ihr Vater als Baptisten-Pastor vorsteht. Für Aretha ist der Weg damit vorgegeben. Unter dem Deckmantel von Gott und einer Bestimmung, beginnt der herrschsüchtige Vater über die Karriere und das Leben der jungen Frau zu bestimmen. Aretha akzeptiert das, weil ihr ein Hit wichtiger ist, als Selbstbestimmung.

147 Minuten inklusive ausgedehnten Abspann, sind für eine Biografie keine ungewöhnliche Laufzeit. Aber dafür hat das Drehbuch von Tracey Scott Wilson sehr wenig zu erzählen. Einzelne Stationen von Arethas Karriere oder privatem Leben werden abgehandelt oder nur angerissen, in die Tiefe geht Liesl Tommys Inszenierung dabei sehr selten. Zudem werden manche Verbindungen oder aufgeworfene Fragen erst viel später in der Handlung aufgezeigt. Da beginnen die Zuschauenden zu rätseln, anstatt eine Bindung aufzubauen. Was sehr oft vom Thema wegführt.

Respect 1 - Copyright METRO-GOLDWYN-MAYER

Die Beziehungen von Aretha zu den Männern in ihrem Leben sind immer toxisch. Als es ihr endlich gelingt, sich von ihrem manipulativen Vater zu lösen, fällt sie auf den großspurigen Ted White herein, den sie zu lieben glaubt. Aber auch Ted ist nur daran interessiert sie zu unterwerfen, um über Arethas Talent zu Geld und Ehren zu kommen. Als Künstlerin gewinnt sie Anerkennung, sie will aber unbedingt Hits, wobei ihr auch der Narzisst Ted White nicht behilflich ist. Dennoch braucht es noch einige Jahre, bis Re endlich ihre Selbstachtung findet, und ihre Selbstbestimmung forciert.

Der Handlung kann man durchaus folgen und den Weg der schnell als Queen of Soul gepriesenen Sängerin nachvollziehen. Aber der Film erklärt kaum die Person Aretha Franklin, ihre Motivation ist Stückwerk, welches man sich spekulativ selbst zusammensetzen muss. Entweder wird keiner der Charaktere mit hilfreichem Hintergrund dargestellt, oder die Regie versucht scheinbar absichtlich in die Irre zu führen, was weitgehend kontraproduktiv ist. Was zum Beispiel ist mit Arethas Kindern? Warum wird diese Frau nie als Mutter thematisiert, deren Verantwortung sie ja nie nachzukommen scheint.

Ein exzellent hassenswerter Forest Whitaker als Reverend C.L. Franklin, dessen Leben durchaus auch eine eigenständige Verfilmung vertragen würde, wird durchweg herrisch und negativ inszeniert. Erst gegen Ende gewinnt er überraschend den Habitus einer erlösenden Figur für seine Re. Das ist schwer nachvollziehbar und greift kaum noch, weil der Reverend den ganzen Film über keinen Spielraum bekam, für den Zuschauer weitere charakterliche Facetten aufzuzeigen. Darunter leiden aber auch alle anderen Darsteller, besonders Marlon Wayans als Ted White, der im Film nichts weiter sein darf, als ein viel zu offensichtlicher Aufschneider ohne Charisma.

Technisch ist der Film überragend, besonders in seiner bildlichen Umsetzung. Kramer Morgenthau hat in diesem Jahr schon den MANY SAINTS OF NEWARK das perfekte Zeitkolorit verpasst, und bei RESPECT legt er ordentlich nach. Die leicht fahlen Bilder haben keinen sehr hohen Farbkontrast, was eine durchgehende Stimmung für Zeit, aber auch für Orte und Gesellschaft schafft. Wobei eine wirkliche Auseinandersetzung mit der gespaltenen Gesellschaft findet nicht statt. Das Re mit Dr. Martin Luther King als Freund der Familie aufgewachsen ist, wird erwähnt, genau wie ihre wohltätigen Auftritte für die Bürgerrechtsbewegung. Doch ihre persönliche Einstellung findet genauso wenig Erwähnung, wie der reale Einfluss der Sängerin auf die antirassistische Bewegung.

Respect 3 - Copyright METRO-GOLDWYN-MAYER

Mit ‚Here I Am‘ gibt es nur einen neu komponierten Song, der nur im Abspann gespielt wird. Ein allzu auffälliges Zeichen, um sich qualifizieren zu können, wenn man um einen Musik-Oscar buhlen möchte. Aber Hauptdarstellerin Jennifer Hudson hat noch 17 Lieder als Aretha eingesungen, die allesamt während des Films zu hören sind. Das mag Fans der Queen of Soul begeistern. Für einen an der Geschichte interessierten Zuschauenden wird es zur Belastung, weil Liesl Tommy es für eine gute Idee hielt, alle Songs auch in voller Länge auszuspielen. Das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, und bremst merklich einen Fluss, in dessen Verlauf man auf diese besonderen Momente hofft, die den Film und seine Erzählweise einzigartig machen. Leider vergeblich.

Überall ist zu lesen, dass Jennifer Hudson von Aretha Franklin als ihr Alter-Ego handverlesen war. Und während sich Hudson zumindest stimmlich als herausragende Wahl behaupten kann, kann man sich nur schwer vorstellen, dass Miss Franklin von der Verfilmung selbst begeistert gewesen wäre. Auch darstellerisch ist Hudson umwerfend. Nur dass dem Publikum in der Inszenierung kaum Punkte gegeben werden, an denen man Hudsons seelische und emotionale Aus- und Umbrüche fest machen kann. Der immerzu erwähnte ‚Dämon‘ der gelegentlich aus ihr hervor bricht, erweckt den Eindruck einer fadenscheinigen Ausgestaltung, um Hudson ganz tief in die Tasche des emotionalen Facettenreichtums greifen zu lassen, damit RESPECT dramaturgisch mit anderen Musiker-Biografien mithalten kann.

Wenn RESPECT mit der Aufzeichnung von Aretha Franklins erfolgreichsten Album ‚Amazing Grace‘ endet, schreibt man das Jahr 1972. Was bedeutet, dass gerade einmal 20 Jahre erzählt sind, von einer Karriere, die noch 40 Jahre anhalten soll. Aber die bleiben vielleicht für ein inspirierteres Drehbuch, mit eine innovativere Regie. Und dann verkneift man sich vielleicht auch das überaus dumme Biografie-Versatzstück, die portraitierte Künstlerin selbst noch einmal ausgedehnt in Szene zu setzen. Eine direkte Gegenüberstellung ist respektlos und fragwürdig in Bezug auf die herausragende Leistung einer Darstellerin, die uns 135 Minuten als eine andere Person überzeugte.

Respect 2 - Copyright METRO-GOLDWYN-MAYER

 

Darsteller: Jennifer Hudson, Forest Whitaker, Marlon Wayans, Marc Maron, Audra McDonald, Gilbert Glenn Brown, Saycon Sengbloh, Hailey Kilgore u.a.
Regie: Liesl Tommy
Drehbuch: Tracey Scott Wilson
Kamera: Kramer Morgenthau
Bildschnitt: Avril Beukes
Musik: Kris Bowers
Produktionsdesign: Ina Mayhew
Kanada – USA / 2021
145 Minuten

Bildrechte: METRO-GOLDWYN-MAYER
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