DIE WUNDERSAME WELT DES LOUIS WAIN

Electrical Life of Louis Wain - Copyright STUDIOCANALukELECTRICAL LIFE OF LOUIS WAIN
– DE Kinostart 21.04.2022
– UK auf Amazon Prime
& DVD/ Blu-ray

Ob nun Louis Wain tatsächlich dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass Katzen als in der Wohnung lebende Haustiere Akzeptanz fanden, sei einmal dahin gestellt. Aber zumindest einen erhebliche Anteil hatte der ungewöhnliche Illustrator allerdings. Seine Zeichnungen von vermenschlichten Katzen waren eine frühe Variante von den späteren Comicstrips in Tageszeitungen. In dieser Verfilmung des Lebens von Louis Wain, wird der Einfluss des Zeichners auf das Schicksal von Katzen genauso behandelt, wie alle anderen Punkte in diesem bewegten Leben – es verkommt zu einem absurden Abriss der nicht zwischen Farce und Komödie unterscheiden möchte.

1880 ist Louis Wain 20 Jahre alt. Weil der Vater verstorben ist, muss er für den Unterhalt sorgen, der noch die Mutter und fünf jüngere Schwestern einschließt. Wegen seiner Schnelligkeit und Detailtreue ist er ein begehrter Illustrator bei der Zeitung. Er verliebt sich in Emily, die Gouvernante seiner Schwestern, und heiratet sie trotz des Eklats den die Beziehung in der Gesellschaft auslöst. Als Emily an Krebs erkrankt, beginnt Louis nur noch ihr Lieblingstier zu zeichnen. Seine Katzenbilder machen ihn weltberühmt, reich wird er allerdings nicht. Wegen Schizophrenie verbringt er die letzten Jahre seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt.

Wer am Leben des Exzentrikers wirklich interessiert ist, sollte sich wegen Eckdaten seiner Biografie an anderer Stelle kund tun. Denn so wie Regisseur und Co-Autor Will Sharpe seinen Film inszeniert hat, ist schwer zu erkennen wie einzelne Szenen und manchmal ganze Sequenzen überhaupt einzuschätzen sind. Sehr leicht einzuschätzen ist hingegen wie viel Energie Will Sharpe in den Film gesteckt hat, und je mehr Energie spürbar wird, desto anstrengender werden die Bemühungen dies als Biografie zu bezeichnen. Auch wenn der Film all diese Eckdaten tatsächlich korrekt wiedergibt, bis auf das Alter von Emily (was irrelevant ist).

Electrical Life of Louis Wain 3 - Copyright STUDIOCANALukUnterhaltsam ist THE ELECTRICAL LIFE trotz allem. Besonders das Tempo in dem Sharpe inszeniert, machen die 111 Minuten extrem kurzweilig. Dabei bleiben allerdings auch viele Tiefen auf der Strecke, wie zum Beispiel die schändlich unterforderte Andrea Riseborough als älteste der Schwestern, die als hysterisch keifende Jungfer degradiert bleibt. Dies ist Cumberbatchs Film voll und ganz. Als Emily bekommt lediglich Claire Foy gerade so viel mehr Spielraum, um die Figur Louis Wain verständlicher zu machen.

Heute streitet man sich ob Wain wirklich schizophren war, oder dem autistischen Spektrum zuzuordnen war. Für damalige Verhältnisse der beginnenden 1900er scheint das ohne Belang, die Psychiatrie war so oder so das Schicksal des Zeichners. Und Benedict Cumberbatch spielt ihn mit einer überzeichneten Verschrobenheit, die schon wieder dem natürlichen Wesen des Darstellers selbst nahe kommt, der sich auch in der Öffentlichkeit immer wieder gerne als Possenreißer zeigt.

Seine Art sich zu bewegen, wie er auf Menschen reagiert, die stoische Mimik, nicht zu vergessen die absurde Szene im Schwimmbad. Louis Wain mag ein wundersamer Mensch gewesen sein, aber Cumberbatch verleiht ihm die Aura eines bedauernswerten Unikums. Das wird natürlich dadurch vielfach bestärkt, wenn Will Sharpe die meisten Szenen umsetzt, als würden sie aus einem Keystone-Einakter aus der Stummfilmzeit entsprungen sein.

Electrical Life of Louis Wain 4 - Copyright STUDIOCANALukObwohl viel Tragik im Leben dieses Mannes war, präsentiert sich der Film über weite Strecken als überdrehte Posse. Lediglich im Mittelteil tritt alles einen Schritt zurück. Wenn Emily und Louis ihren streunenden Kater Peter im Garten finden, und ihn wie ein Kind annehmen. Emilys Krankheit, und Louis‘ verzweifelter Versuch mit Portraits von Peter den Schmerz für alle zu kompensieren. Bis er schließlich seine berühmten Bilder von Katzen veröffentlicht, die menschliches Verhalten karikieren.

In diesem Abschnitt zeigt Sharpe wie eine vernünftige Biografie ausgesehen hätte, die als solche auch verständlich gewesen wäre. Das Arthur Sharpe (Bruder des Regisseurs) für die Musikuntermalung sehr prominent Theremin und singende Säge einsetzt, ist ein origineller, weil zeitgenössischer Einfall der eine sehr stimmungsvolle Atmosphäre schafft. Sollte jemand Elemente des Films zu beanstanden haben, zeigt sich der Soundtrack über dies erhaben.

Die Musik ist eine durchgängig verlässliche Konstante, die LIFE OF LOUIS WAIN als Film zusammenhält. Wohingegen Erik Wilsons Entscheidung den Film in 1,33:1 zu drehen eher fadenscheiniges Gimmick ist. Das alte Seitenverhältnis von 4:3 im Bild sollte ebenfalls die damalige Zeit reflektieren. Aber wie die meisten Filme mit diesem Anliegen geht auch Wilson nur einen halbherzigen, am Ende unnötigen Weg, weil er dennoch digital und in Farbe gedreht hat.

Dennoch hat Erik Wilson zum Teil sehr stimmungsvolle und herrlich komponierte Bilder geschaffen. Diese hätten aber in 2,39:1 noch wesentlich mehr Eindruck gemacht. Zweifellos findet DIE WUNDERSAME WELT DES LOUIS WAIN ein zufriedenes Publikum. Da spielt Benedict Cumberbatch, hier schleichen Katzen, und er versagt sich weitgehend den straff durchkomponierten Dramen-Klischees. Aber als eigenständig aufschlussreiche Biografie schlichtweg zu wenig, hingegen als unkonventionell abwechslungsreiche Kinounterhaltung zu empfehlen.

Electrical Life of Louis Wain 2 - Copyright STUDIOCANALuk

 

Darsteller: Benedict Cumberbatch, Claire Foy, Andrea Riseborough, Toby Jones,  Sharon Rooney, Aimee Lou Wood, Hayley Squires sowie Taika Waititi, Nick Cave, Olivia Coleman als Erzählerin u.a.
Regie: Will Sharpe
Drehbuch: Will Sharpe, Simon Stephenson
Kamera: Erik Wilson
Bildschnitt: Selina Macarthur
Musik: Arthur Sharpe
Produktionsdesign: Suzie Davies
Großbritannien / 2021
111 Minuten

Bildrechte: AMZON STUDIOS / STUDIOCANAL
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