MASSIVE TALENT

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OF  MASSIVE  TALENT
– Bundesstart 16.06.2022

Bereits bei Prime Video UK
Vom unattraktiven Stichwortgeber zum Oscar-Preisträger, von der Action-Ikone hin zum überzeichnenden Grimassenschneider. Ob Nicholas Kim Coppola, oder dann Nicholas Cage, später schließlich der kumpelhafte Nick, er hat sich schon alles in seiner Karriere gefallen lassen müssen. Und Hand aufs Herz, irgendwie hat er auch die ganze Bandbreite verdient. Der fast sechzigjährige Darsteller, der in vierzig Jahren in über hundetrt Filmen dabei sein durfte, ist ein Phänomen in sich selbst. Seine Filme lehnt man dankend ab, oder hat sie für die Dauerschleife im heimischen DVD-Regal. Cage hat nie wirklich polarisiert. Er war irgendwie einfach immer da. In den letzten Jahren wartete kaum einer auf seine Filme, und wenn sie da waren, wurden sie geguckt. Das greift MASSIVE TALENT auf, hier setzt der Film an. Der weltberühmte Schauspieler Nicholas Cage steckt wegen eines unlösbaren Karrieretiefs in einer Sinnkrise fest.

Ex-Frau Olivia kann ihn trösten aber nicht helfen, und Tochter Abby ist genervt und gelangweilt gleichermaßen. Die Versuche, Abby vom expressionistischen deutschen Film der 20er Jahre zu begeistern, begeistert nur den Schauspieler selbst. Ausgerechnet ein Typ wie David Gordon Green, der Regisseur, der HALLOWEEN kaputt gemacht hat, verwehrt dem arbeitshungrigen Cage eine Rolle. Die Einladung eines reichen Fans aus Spanien gießt dabei natürlich nur Öl ins Feuer. Der Superstar als private Freizeitbelustigung.

Das Drehbuch von Regisseur Tom Gormicon und Kevin Etten lügt sich wegen Nicks Kariere selbst in die Tasche, aber nur ein bisschen. Man will dem Star nicht weh tun, man möchte nur Spaß. Somit sei allerhand verziehen. Niemand könnte, oder wollte daran Anstoß nehmen. Der Mensch Nicholas Cage wird zu einer Kunstfigur, der hier nur auf seine Filme reduziert wird. Aber auch das ist in Ordnung, und hält noch genügend Unterhaltungspotential bereit. Für Kritiker, Cineasten, und vor allem treue Fans.

Jener reiche Superfan entpuppt sich als vermeintlicher Waffenschmuggler Javi Guiterrez, von Pedro Pascal brillant verkörpert. Hier kann Pascal wieder gutmachen, was ihm die Macher mit einer miesen Inszenierung von WONDER WOMAN 1984 zunichte machten, und in THE BUBBLE unbeachtet blieb. Pascal bringt den ehrfürchtigen Supernerd mit dem brutalen Waffenschieber ausgezeichnet zusammen. Da stimmen das komödiantische Timing und die glaubwürdige Bedrohlichkeit.

Die CIA-Agenten Vivian und Martin sehen eine Chance, Cage als Maulwurf bei Javi einzuschleusen. Das Treffen auf dem großzügigen Grundstück wird zu einem paranoiden Katz-und-Maus-Spiel. Javi glaubt im Auftrag der CIA von Nick getötet zu werden. Und Nick glaubt, dass Javi ihn bereits entlarvt hat, und auf eine Gelegenheit wartet, ihn zu töten. Aber beide geben vor, von den vermeintlichen Plänen des anderen nichts zu ahnen. So glaubt jeder dem anderen einen gewaltigen Schritt voraus zu sein.

Massive Talent 1 - Copyright LEONINE DISTRIBUTION

 

Man kann das Konzept tatsächlich als genial bezeichnen. MASSIVE TALENT funktioniert bis hierhin ganz ausgezeichnet. Er ist überaus komisch, wunderbar satirisch, und die Darsteller lassen allesamt nichts zu wünschen übrig. Das Kreativteam leistet tadellose Arbeit. Ohne überhöhte Stilmittel, sind sie klar darauf konzentriert, die jeweiligen, dramaturgischen Elemente auf den Punkt zu bringen. Besonders witzig und gleichermaßen spannend gelungen ist das, wenn beide gleichzeitig, aber jeder für sich glaubt vom anderen überwältigt zu werden.

Und dann wollen die Filmemacher wieder schlauer sein als ihre funktionierende Idee. Tom Gormican und Kevin Etten verderben mit einem absolut missratenen dritten Akt, was die erste Stunde so originell und unterhaltsam macht. Ein wirklich brutaler Gangster tut sich auf, und aus dem unterhaltsam absurden Trugbild wird eine reale Bedrohung. Es kommt zu Verfolgungsjagden, Schießereien, Faustkämpfen, und ärgerlichen Spannungsmomenten.

Der letzte Akt ist inszeniert wie ein schlechter achtzigerjahre B-Actioner, ohne dem Trash-Kino der Achtziger überhaupt das Wasser reichen zu können. Regisseur Tom Gormican offenbart mit dieser, seiner zweiten Regiearbeit, dass seinem Film definitiv ein Produzent mit Gespür für das Material gefehlt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, was die Macher sich dabei gedacht haben, wo doch der Zuschauer selbst in eine ganz andere Richtung gedacht hat. In eine Richtung, die der absurd verdrehten Ausgangssituation gerecht werden würde.

MASSIVE TALENT ist im Gesamten ein Film geworden, für den Nicholas Cage immer wieder geächtet wird. Es ist einer jener Film, weswegen der fiktive Nick am Anfang in einer depressiven Schaffenskrise steckt. Was als abenteuerlich surrealistische Hommage beginnt, erweckt am Ende den Anschein, als wollte sich Tom Gormican über seinen Hauptdarsteller lustig machen. Selbst mit Abstand und als Außenstehender kann man guten Gewissens behaupten, dass dies überhaupt nicht in Gormicans Absicht gelegen haben kann.

Was bleibt, ist eine Huldigung an das breite Repertoire an Filmen des Darstellers. Und da sind ja einige Schätze und auch Bomben zusammengekommen, an die man hier unvoreingenommen erinnert wird. Offiziell will man ausgerechnet MASSIVE TALENT als Nicholas Cage hundertsten Film zählen, was allerdings nicht mit der Filmografie zusammen passen will. Was den Film auch nicht besser machen würde. Besser wäre es MASSIVE TALENT zu Gesicht gestanden, hätte man Tiffany Haddish und Ike Barinholtz als CIA-Agenten nicht so radikal, ohne einen Anflug von Erklärung in der Mitte des Films fallen lassen, deren Rollen einfach nicht zu Ende erzählt waren.

Massive Talent 2 - Copyright LEONINE DISTRIBUTION

 

Darsteller: Nicolas Cage, Pedro Pascal, Nicholas Kim Coppola, Sharon Horgan, Paco Léon, Neil Patrick Harris, Lily Mo Sheen, Alessandra Mastronardi, Tiffany Haddish, Ike Barinholtz u.a.
Regie: Tom Gormican
Drehbuch: Tom Gormican, Kevin Etten
Kamera: Nigel Bluck
Bildschnitt: Melissa Bretherton
Musik: Mark Isham
Produktionsdesign: Kevin Kavanaugh
USA / 2022
107 Minuten

Bildrechte: LIONSGATE / LEONINE DISTRIBUTION
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