SUNDOWN – Geheimnisse in Acapulco

SUNDOWN - Bundesstart 09.07.2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darsteller: Tim Roth, Charlotte Gainsbourg, Albertine Kotting McMillan, Samuel Bottomley, Iazua Larios, Henry Goodman und Jesús Godinez Regie & Drehbuch: Michel Franco Kamera: Yves Cape Bildschnitt: Michel Franco, Óscar Figueroa Produktionsdesign: Claudio Ramirez Castelli Frankreich, Schweden, Mexiko / 2021 82 Minuten Bildrechte: ASCOT ELITE ENTERTAINMENTSUNDOWN
– Bundesstart 09.07.2022

Die schlichte Frage ist: Warum? Filme wie Michel Francos SUNDOWN hält diese Frage am Leben. Ein erschreckend dünner Plot, der immer nur Fragen aufwirft. Jeder Hinweis intensiviert das grundlegende Warum. Die ersten fünfzehn Minuten frönt die Familie Bennett in einem Luxus-Resort in Acapulco. Sonne, Drinks am Strand, noch mehr Sonne, Drinks am Infinity Pool, abends in einer offenen Bar mit gediegener Live-Musik mit noch mehr zu trinken. Wer nicht aufpasst kann leicht überhören, dass Alice und Neil kein Paar, sondern Geschwister sind, Alexa und Colin die noch minderjährigen Kinder von Alice. Ein Notfall in der Familie beordert die Geschwister umgehend zurück nach England. Noch bevor die Bennetts am Flughafen einchecken können, erreicht sie die Nachricht, dass die Mutter verstorben sei.

Ein Film mit einer derart unscheinbaren Geschichte erregt selbst in Kunstkinos eigentlich nur Aufmerksamkeit mit einem Namen wie dem Independent Urgestein Tim Roth. Wie beispielsweise MEMORIA mit Tilda Swinton. Und Roth trägt SUNDOWN, in jeder Minute. Unter dem Vorwand, Neil habe seinen Reisepass im Hotel vergessen, muss Alice alleine mit den Kindern fliegen. Neil, mit seinem Reisepass in der Tasche, lässt sich von einem Taxi zurück bringen, in eine billige Absteige.

Anders als der Titel vermitteln mag, ist SUNDOWN weit davon entfernt mit starken Farben oder einladenden Bildern zu spielen. Yves Cape, der schon des Öfteren die Bildgestaltung für Filmautor Michel Franco übernahm, lässt die Bilder durch strahlenden Schein der Sonne oftmals bleich und ausgewaschen aussehen. Optisch sind die Tagesszenen von eher unangenehmer Atmosphäre. Neil verbringt die nächsten Tage scheinbar unbekümmert am Strand, lernt die Ladenbesitzerin Berenice kennen, und ignoriert vehement Alice‘ verzweifelte Anrufe.

Sundown 2 - Copyright ASCOT ELITE

 

Auch wenn es schwer fällt Neil zu verstehen, sein kaltes Verhalten nachzuvollziehen, hat Michel Franco sein Publikum dann doch recht schnell im Griff. Neils mysteriöses Wesen fasziniert letztendlich doch. Die Neugierde was ihn antreibt, oder vielmehr antriebslos macht. Es ist eine existenzielle Frage, die Franco bewegt und Roth für die Rolle sofort anspringen ließ. Obwohl Charlotte Gainsbourg als sichere Besetzung gelten sollte, verschwimmt der inhaltliche Zusammenhalt etwas durch ihren Beitrag.

Zweifelsfrei phantastisch in ihrer Interpretation von Alice, ist Gainsbourg allerdings als Schwester von Roth linguistisch nicht ganz glaubwürdig. Mit einem anderen familiären Gefüge wäre es durchaus machbar gewesen, was dem Inhalt nicht entgegen gestanden wäre, aber die Stimmung geschlossener gehalten hätte. Es macht SUNDOWN nicht schlechter, würde ihn aber um jene ablenkenden Nuancen, noch intensiver machen. Das Zwiegespräch in dem Alice ihren Bruder zur Rede stellt, ist dennoch ein atemberaubend nahegehendes Erlebnis.

Neil verschmilzt am Strand mit der Menge der Einheimischen. Nachts wird er zum Schatten der Leuchtstoffreklame billiger Läden und Absteigen. Das Warum ist allgegenwärtig, und am Ende steht dann die große Frage wie man selbst gehandelt hätte. Michel Franco stellt eine unangenehme Frage, die damit zusammenhängt, ob man an Schicksal oder Zufall glaubt. Es wird gewitzte Zuschauende geben, welche die Auflösung erahnen. Für manche wird es eine überraschende Wendung sein.

Es ist sehr selten, dass sich ein Filmautor so reflektiert seines Themas bewusst ist wie Michel Franco. Die außergewöhnliche Laufzeit von nur 82 Minuten konzentriert SUNDOWN sehr konsequent auf die Bereitschaft seines Publikums. Er ist nicht einfach, ganz sicher herausfordernd, aber es wird nicht langatmig. Viele Regisseure überbeanspruchen gerne ihre existenziellen Themen in zeitlichen Auswüchsen. Franco kommt auf den Punkt, und mit dem fantastischen Tim Roth wird SUNDOWN zu einem sehr intensiven Schauspiel. Die Frage wie wir gehandelt hätten, begleitet noch weit über den Film hinaus.

Sundown 3 - Copyright ASCOT ELITE

 

Darsteller: Tim Roth, Charlotte Gainsbourg, Albertine Kotting McMillan, Samuel Bottomley, Iazua Larios, Henry Goodman und Jesús Godinez
Regie & Drehbuch: Michel Franco
Kamera: Yves Cape
Bildschnitt: Michel Franco, Óscar Figueroa
Produktionsdesign: Claudio Ramirez Castelli
Frankreich, Schweden, Mexiko / 2021
82 Minuten

Bildrechte: ASCOT ELITE ENTERTAINMENT
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