– Bundesstart 08.05.2024
– Release 06.12.2023 (ESP)
Jeden Abend Macaroni and Cheese aus der Mikrowelle, ein Spiel Computer-Pong gegen sich selbst, und ein sehnsüchtiger Blick in die Fenster der Nachbarn, die gemeinsam auf den Sofa scherzen und kuscheln. Dog ist kein glücklicher Hund. Aber die Fernsehwerbung verspricht Abhilfe, mit Amica 2000, dem Roboter-Freund. Schnell bestellt, noch schneller geliefert, aber aufwendig zusammengebaut. Robot ist eine technologisches Wunderwerk, dass mit Dog sofort auf einer Wellenlänge liegt. Aber Robot muss auch erst einmal das Leben kennenlernen. Es ist zirka 1980 in New York. ‚September‘ von Earth, Wind & Fire ist noch aktuell. ‚September‘ wird das gemeinsame Lied von Dog und Robot. Die Tage der Einsamkeit sind vorbei. Und die anfängliche Melancholie weicht einer Zeit voller Freude und gemeinsamer Unternehmungen. Der spanische Filmemacher Pablo Berger hat ein wirklich sehr seltenes Stück voller weiser Einsichten geschaffen.
Berger muss sich aber jede der für ROBOT DREAMS verdienten Lorbeeren mit Sara Varon teilen, der Schöpferin der 2007 erschienen Graphic Novel. Varons Arbeiten zeichnen sich durch Geschichten mit ungewöhnlichen Freundschaften aus, wie dem Huhn und der Katze, oder die Aubergine mit dem Cupcake. Doch Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere ist zweifelsfrei ‚Robot Dreams‘, den Pablo Berger werkgetreu ins bewegte Medium übertragen ließ. Der Zeichenstil der Amerikanerin ist die ‚klare Linie‘, durch französische und belgische Comics beliebt geworden. Und das Art-Department der Filmadaption hat nicht einfach nur den Stil, sondern auch viele Bildmotive der Vorlage übernommen.
Jetzt wird zu zweit Pong gespielt, und zu Earth, Wind & Fires ‚September‘ tanzen Robot und Dog auf Rollschuhen im Central Park. Robot lernt durch seinen Freund das Leben kennen, und Dog war nie glücklicher. Aber dann sie gehen zum Baden an den Strand von Coney Island. Robot rostet ein und kann nicht mehr bewegt werden. Noch bevor Dog angemessen reagieren kann, wird der Strand über die Wintersaison geschlossen, die Behörden verweigern den Zutritt. Dog beruhigt sich damit, dass er nur bis zum Saisonstart warten muss, um seinem Freund endlich helfen zu können. Aber da kommt das Leben selbst dazwischen, was für die Freunde radikale Veränderungen mit sich bringt.
Die süße Ode an die Freundschaft, wird zum bittersüßen Melodram über den Verlust. Aber der Film verliert nie seinen Fokus auf die Schönheit des Lebens. Die Welt von Varon, oder in diesem Fall von Berger, ist bevölkert von anthropomorphisierten Tieren. Dieses Setting gestaltet vieles einfacher, unkomplizierter, und irgendwie luftiger. Aber der Film wird zu keinem Zeitpunkt trivial. Das macht ROBOT DREAMS auch zu diesem ganz besonderen Erlebnis. Denn trotz seiner sehr komplexen Themen, spricht er wirklich alle Altersgruppen gleichermaßen sehr anspruchsvoll an. Die Geschichte ist mit all ihren unzähligen Facetten eine sehr genaue Betrachtung generationenübergreifender Erfahrungen.
So leicht und unprätentiös sich ROBOT DREAMS auf den ersten Blick ausnimmt, so intensiv trifft dann die Erkenntnis, wie tiefgreifend er die Themen von Einsamkeit, Verlust und der Sehnsucht nach Glück behandelt. Berger will und kann herzergreifend bewegen, aber in seiner straffen Inszenierung lässt der Regisseur keinen Platz für Schwere oder Melancholie. Deswegen darf Robot träumen, wenn er am Strand liegend auf die Saisoneröffnung wartet. In seiner Achselhöhle brütet derweil eine Vogelmutter. In seinen Schaltkreis-Träumen malt sich Robot in verschiedenen Variationen seine Rückkehr zu seinem Freund aus. Während Dog einen anderen Roboter kennenlernt.
Obwohl durch den Zeichenstil die Bilder sehr einfach wirken, sprüht jede Szene vor aberwitzigen Details. Die auf den ersten Blick naiv gezeichneten Figuren überraschen mit sehr präziser Mimik und Gestik, und jede Szene lädt nicht einfach nur zum Entdecken ein, sondern fordert es richtiggehend heraus im Detail betrachtet zu werden. Besonders die Straßen- und Strandszenen sind hinreißend belebte Sequenzen. Mit Mittelfinger grüßende Punks, der verrutschte Bikini der Gazelle, oder Lowrider putzende Latinos. Es ist ein Fest für Augen und Sinne. Verkörpert von Tieren und Robotern, die eine Welt von wirklicher Menschlichkeit beleben. Außer die Hasen, diese verflixten Hasen.
Zudem wird das Ganze von einem genialen Ton-Design getragen, welches die Großstadtatmosphäre in herrlichen Nuancen wiedergibt. Deswegen sollte man den Film auch unbedingt in der Originalfassung sehen (kleiner Kalauer). ROBOT DREAMS ist ein Film, der jeden anspricht, den aber auch einfach jeder mögen muss. Nicht weil er irgendwelche Maßstäbe sprengt, oder der Weisheit letzten Schluss verkörpert, sondern weil er so anders ist, und doch eine greifbare Allgemeingültigkeit besitzt. Der Film ist eine Liebeserklärung an jene Zeit, an die Stadt, und vor allem an das Leben. Nie traurig, aber sehr bewegend. Und nach all den heiteren und nachdenklichen Wirren des wahren Lebens, schenken uns Pablo Berger und Sara Varon am Ende doch ein zufriedenes Lächeln. „My thoughts are with you, Holdin‘ hands with your heart to see you“ – Earth, Wind & Fire
Stimmen: Ivan Labanda, Tito Trifol, Rafa Calvo, José Luis Mediavilla, José Garcia Tos, Graciela Molina, Esther Solans
Regie & Drehbuch: Pablo Berger
nach der Graphic Novel von Sara Varon
Art Director: José Luis Ágreda
Bildschnitt: Fernando Franco
Musik: Alfonso de Vilallonga
Frankreich, Spanien / 2023
102 Minuten