IF – IMAGINÄRE FREUNDE

IF Imaginary 1 - Copyright PARAMOUNT PICTURESIF – IMAGINARY FRIENDS
– Bundesstart 16.05.2024
– Release 03.05.2024 (FR)

Preview 12-05-24, Cineplex, Fürth
Die zwölfjährige Bea ist ein sehr aufgeschlossenes Mädchen, dass für einige Zeit bei Großmutter unterkommt. Ihr schräger und stets zu Streichen aufgelegter Vater muss wegen einer schweren Herzoperation ins Krankenhaus, was dieser aber ganz nach seiner Natur weniger dramatisch sieht. Bea wird von dieser unschönen Situation durch seltsame Beobachtungen in Omas Wohnhaus abgelenkt. Sind die Bewohner in der obersten Etage am Ende gar keine Menschen? Diese Frage wird sich natürlich keiner der Zuschauenden stellen, denn genau deswegen sind gekommen. Der aus gutem Grund vielbeschäftigte Schauspieler John Krasinski hat sich nach seinen beiden genredefinierenden Buch- und Regiekreationen A QUIET PLACE kurz einmal vom Horror entfernt. Vielleicht, aber nur vielleicht, hat das mit seinen beiden eigenen Kindern zu tun, die jetzt im richtigen Alter sind, dass Papa ihnen ihren ganz persönlichen Familienfilm schenkt.

Und was für ein Familienfilm das ist, in dem Krasinski sogar einem gleichzeitigen Steißbein-, Arm- und Beinbruch des jungen Benjamin noch eine heitere Note entlocken kann. Bea übernimmt in IF nicht nur die Hauptrolle, sondern auch den Blickwinkel des Publikums unter zwölf Jahren. Unerschrocken und neugierig stellt sie sich den Bewohnern im Dachgeschoss des Wohnhauses. Einsame Imaginäre Freunde, von ihren realen Kindern vergessen, die erwachsen wurden. Blue, das über zwei Meter große Etwas aus Plüsch, und die kindgroße Insektenfigur Blossom. Um sie kümmert sich Cal, ein stets schlecht gelaunter Mensch, der versucht vergessene IFs an neue Kinder zu vermitteln.

Krasinski lässt in seinem selbst geschriebenen Film keine großen Probleme aufkommen, sondern vermittelt über seine Hauptprotagonistin die positive Einstellung, dass Probleme zum Lösen da sind. Selbst mit dem mürrischen Cal kommt sie gut zurecht, der vom Wesen her das genaue Gegenteil ihres unablässig frohgelaunten Vaters ist. John Krasinski spielt Beas Vater selbst, und wie sich herausstellen wird, ist die Rolle des Cal ganz bewusst an Ryan Reynolds vergeben. Ein fabelhafter Twist, der sich erst im dritten Akt langsam heraus kristallisiert. Auch wenn sich diese Wendung für die begleitenden Eltern vielleicht etwas schneller offenbart. Es gibt dem Film eine tiefergehende Bedeutung.

Während die lebenswichtigen Operation des Vaters näher rückt, will Bea mit Cal zusammen passende Kinder für Blue, Blossom und die anderen vergessenen IFs finden. Unterstützt werden sie vom alten Teddybären Lewis, Gründer des Seniorenheims für ausgediente Imaginäre Freunde. Doch die Aufgabe gestaltet sich schwierig, was Bea auf eine ganz neue Idee bringt. Und die hilft nicht nur den IFs und anderen Erwachsenen, sondern unbewusst auch ihr selbst. Und wer glaubt, dass dieser Handlungsverlauf keinen wirklich großen Anspruch mit sich bringt, dann ist das eine Meinung aus Sicht von Erwachsenen. Aber gerade die, …sollten sich auch einfach mal fallen lassen.

IF Imaginary 3 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

John Krasinski hat einen Film gemacht, der förmlich und manchmal wortwörtlich vor Energie explodiert. Meist gibt Steven Spielbergs Stammkameramann Janusz Kaminski gerne eine unheilvolle Atmosphäre mit entsättigt realistischen Bildern vor. Hier zaubert Kamiski ein Feuerwerk an Farben und einer unglaublich dynamischen Kamera, die ständig in Bewegung ist und zu fliegen scheint.  Die horror- und actionerprobten Christopher Rouse und Andy Canny meistern den Schnitt mit sichtlicher Freunde an mitreißendem Tempo und gleichzeitig fließender Eleganz. Der Regisseur erlaubt sich aber auch keine Füllszenen, sondern gibt jeder Einstellung eine Berechtigung.

Eingebunden ist eine Revue-ähnliche Musikeinlage zu Tina Turners ‚Better be good to me‘, die an Dynamik und Eindrücken die Sinne richtiggehend fordern. Es ist eine atemberaubende Reise durch eine imaginäre Welt mit all ihren imaginären Möglichkeiten. John Kasinskis Botschaft könnte nicht einfacher sein, aber auch nicht eindringlicher. Die Kleinen dürfen nie aufhören zu träumen, und die Großen dürfen nie aufhören Kind zu sein. In diesem Sinne ist die bewegendste Szene des Films dann auch mit Großmutter, und ihrer Erinnerung an vergessene Zeiten. Es ist einfach wundervoll, Fiona Shaw endlich einmal nicht in ihrer Stereotyp-Besetzung der verbitterten Matrone zu sehen.

Aber es ist letztendlich Cailey Flemings Film. Trotz des mächtigen Niedlichkeitsfaktors der IFs und den namhaften Nebendarstellern, vermag sie dieses magische Abenteuer mit viel Enthusiasmus und ansteckender Herzenswärme zu tragen. Einen entgegen seines Typs merkwürdig verhaltenen und wortkargen Eindruck macht Ryan Reynolds, was aber im späteren Verlauf auch eine inhaltliche Erklärung findet. Von den massiven Sprachtalenten für die Imaginären Freunde, wie Louis Gossett Jr., Steve Carell, Phoebe Waller-Bridge, und vielen anderen, braucht man nicht reden. In der deutschen Fassung werden sie, wie nicht anders zu erwarten, von uninteressanten Semi-Promis synchronisiert.

Was IF allerdings nicht vollbringt, ist der perfekte Familienfilm zu sein. Auch wenn er dafür an vorderster Stelle steht. John Krasinski erlaubt sich in der Inszenierung einige merkwürdig sprunghafte Szenenwechsel, die immerhin dem Film ordentliches Tempo geben, aber viele Szenen einfach nicht atmosphärisch nachwirken lassen. Doch das deutlichste Manko ist Michael Giacchinos sehr anstrengender Soundtrack. Unablässig tönt Giacchinos Score über die kompletten 104 Minuten, meist lauter als essenzielle Toneffekte. Und die Musik gibt über Gebühr aufdringlich jede Stimmung in jeder Szene vor, was sehr schnell die Nerven strapaziert. Aber wenigstens kann man vernehmen, warum ein lilafarbener Riese ausgerechnet Blue genannt wird.
Der alternde Teddy Lewis ist die letzte Rolle von Louis Gossett Jr., ihm ist der Film mit Szenen nach dem Abspann gewidmet.

IF Imaginary 2 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Darsteller: Cailey Fleming, Ryan Reynolds, Fiona Shaw, Alan Kim, Bobby Moynihan u.a.

als Ifs: Louis Gossett Jr., Steve Carell, Phoebe Waller-Bridge, Emily Blunt, Matt Damon, John Stewart Awkwafina, Richard Jenkins, George Clooney, Bradley Cooper, Jon Stewart, Sam Rockwell, Christopher Melonie, Maya Rudolphs sowie erstmals Brad Pitt als Keith

Regie & Drehbuch: John Krasinski
Kamera: Janusz Kaminski
Bildschnitt: Andy Canny, Christopher Rouse
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Jess Gonchor
USA / 2024
104 Minuten

Bildrechte: Paramount Pictures
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