Nominiert für einen Oscar in der Kategorie Kurzfilm-Dokumentation
– Release 21.07.23 (US)
– kostenlos auf YOUTUBE
Der Vermögensstand von weißen Familien ist in den Vereinigten Staaten siebenmal höher als bei Schwarzen. Arlo Washington ist Frisör in Little Rock, Arkansas, und tut etwas dagegen. Er fährt mit den Filmemachern Christine Turner und John Hoffman über die Interstate 630, die sich wie eine asphaltierte Begrenzung durch Little Rock zieht. Auf der einen Seite ein Stadtteil mit 30.ooo Anwohner, vernagelten Häusern, kaum zu findenden Geldautomaten, und keiner einzigen Bank. Auf der anderen Seite der I 630, ein Viertel mit 8000 Anwohnern, für die 17 verschiedene Banken zur Verfügung stehen. Die ethnische Aufteilung erklärt sich aus den Zahlen. Thematisch klingt das natürlich nach einer sehr bequemen Möglichkeit, den Aufschrei nach sozialer Gerechtigkeit zu befeuern. Bevor man sich aber von voreiliger Skepsis beeinflussen lässt, sollte man BARBER OF LITTLE ROCK einfach anschauen.
Auch wenn Turner und Hoffmans Film emotional aufgeladene Szenen zeigt, äußerst bewegende Interviews mit finanziell Betroffenen führt, und meist auch erschreckende Fakten offenbart, bleibt der Film erstaunlich zurückhaltend. Wobei nüchtern der falsche Ausdruck wäre. Nüchtern ist eher Arlo Washingtons Aussage, dass es nur Hilfe durch Selbsthilfe geben kann. Es ist eben keine Aufschrei, sondern klares Bekenntnis zum Status Quo. Deswegen hat der ausgebildete Frisör Washington in den vergangenen Jahren auch 1500 Menschen kostenlos zu zertifizierten Frisören ausgebildet. Ein Job an den in Amerika weit höhere Ansprüche gestellt werden als zum Beispiel in Deutschland.
Eine ebenso effektive, vielleicht sogar wichtigere Fördermöglichkeit sind zinsfreie Darlehen für Geschäftsgründungen, betriebsbedingte Zahlungsschwierigkeiten, oder persönliche Unterstützung wegen Krankheit und/oder Erwerbslosigkeit. Geschäftsdarlehen liegen bei zirka 5000$, Privatkredite bei 1000$. Washington hat dafür ‚People Trust‘ gegründet, eine offizielle CDFI Stelle. CDFI Funds sind staatlich geförderte und zertifizierte Büros zur Vergabe von Krediten zur Förderung der strukturellen Ökonomie. Zahlen und Fakten sind nur hier an dieser Stelle von Bedeutung. Im Film sprechen die Menschen hinter diesen Zahlen und Fakten mit den Zuschauenden.
Kreditnehmer sind nicht nur unbescholtene Schicksale aus der Gemeinde, sondern ein für dieses Viertel repräsentativer Querschnitt. Die meisten kommen dabei erstaunlich gut vorbereitet mit soliden Businessplänen zur Antragstellung. Den Filmemachern gelingt der sehr differenzierte Spagat, Washington als Held der Geschichte bestehen zu lassen, aber den Fokus stets auf den zukünftigen Frisören und Geschäftsinhabern zu halten. Das macht den Film zu einem allgemeingültigen Beispiel für die immer weiter auseinandergehende Schere des Vermögens zwischen Schwarzen und Weißen. Hoffman und Turner erzählen ohne emotionales Theater, die Geschichte spricht eindrucksvoll für sich selbst.
Es gibt Momente die zum richtigen Zeitpunkt die notwendige Ruhe bekommen, um sich bei den Zuschauenden festzusetzen. BARBER OF LITTLE ROCK ist aus dem Grund so eindringlich ansprechend, weil er sehr leicht verständlich ist. Nicht auf Basis für Dumme, sondern weil sich die Problematik tatsächlich so erschreckend einfach erklärt, aber auch die Abhilfe so einfach zu gestalten ist. Es braucht zum Start nur Menschen wie Arlo Washington. Und diesem prophezeit ein Kreditnehmer, dass diese schöne Institution sehr schnell über ihm zusammenbrechen wird, denn den großen Banken gefallen solche finanziellen Quertreiber einfach nicht.
95% aller von ‚People Trust‘ gewährten Darlehen werden pünktlich zurückgezahlt. Der traurige Witz bei der Angelegenheit, die amerikanische Regierung finanziert die CDFI Funds und damit ‚People Trust‘, durch Kredite bei jenen Banken, welche Antragsteller von ‚People Trust‘ als Kunden kategorische Absagen erteilen. THE BARBER OF LITTLE ROCK ist kostenlos bei YouTube zu sehen.
Bei der C.D.F.I. liegt der durchschnittliche Kreditrahmen für Geschäftsgründungen bei 5000$ – wie zum Beispiel für eine Autowerkstatt
Mit: Arlo Washington und Anwohner seines Districts
Regie: John Hoffman, Christine Turner
Kamera: Tony Hardmon
Bildschnitt: Virginie Danglades, Andrew Saunderson
Musik: Jongnic Bontemps
USA / 2023
35 Minuten