Walt Disneys FRANKENWEENIE 3-D

FRANKENWEENIE – Bundesstart 24.01.2013

Vor fast dreißig Jahren verwarfen die Disney-Obersten Tim Burtons FRANKENWEENIE, der unter dem Buena-Vista-Label produziert worden war, als zu düster und für Kinder abschreckend. Zeiten ändern sich, und so bringt Disney 28 Jahre später eine dreimal längere Fassung von FRANKENWEENIE, ebenfalls unter der Regie von Tim Burton, in die Kinos. Und weil Tim Burton gerne mit Puppen spielt, und 3-D so schick ist, hauchte man FRANKENWEENIE mit vielen neuen Teilen ebenso neues Leben ein. Aber macht dieser moderne Prometheus überhaupt Sinn, wenn eine bereits überaus gelungene Version gar nicht zu den Toden gezählt werden darf? Anders als bei medizinischen Experimenten, ist das keine moralische Frage, sondern eine Sache des Geldes. Die Goldgräber von Disney verwalten die nicht zimperliche Miramax-Filmbibliothek, beheimaten auch, ohne Einfluss zu nehmen, die Marvel-Studios und filmen demnächst auch im Star-Wars-Universum. Zeiten ändern sich, und somit ist auch das Verhältnis zu FRANKENWEENIE entspannter geworden.

Es ist noch immer die düstere, leicht morbide Geschichte von Victor, der durch einen Unfall seinen Hund verliert, sich allerdings zu helfen weiß. Bei den Nachbarn löst das Terror aus, bei den Mitschülern puren Neid. Victor und sein Hund Sparky haben alle Pfoten voll zu tun, um Verständnis zu erlangen und die Stadt vor monstermäßigen Bedrohungen zu schützen.

John August hat FRANKENWEENIE geschrieben, nach dem originalen Script von Leonard Ripps, welches aus einer Idee von Tim Burton entstanden war. August wurde somit die undankbare Aufgabe zuteil einen 30-Minuten-Film auf das Dreifache zu strecken. Undankbar deswegen, weil FRANKENWEENIE von 1984 eigentlich bereits auf den Punkt war. So wird aus der damaligen Frankenstein-Hommage, ein überzogener Familienspaß. Was August der Geschichte hinzufügte, tut dem eigentlichen Gedanken des damaligen Frankenweenie keinen Gefallen. Sicher ist es ein fantastisches Abenteuer, wenn Victors Mitschüler ihren Teil dazu beitragen, die Stadt zu terrorisieren, aber dabei gingen die persiflierenden, aber zeitgleich als tiefe Verbeugung zu verstehenden Momente vollkommen verloren. Diese Erweiterungen begeistern zweifellos das junge Publikum, den verbissenen und unverzeihlichen Kino-Nerd allerdings stößt es nur sauer auf.

Man darf die neue Version von FRANKENWEENIE durchaus gut heißen, ihr viel Gutes abgewinnen und ordentlich Spaß dabei haben. Man darf als Bewunderer der ‚84er Fassung allerdings auch die Frage stellen, warum sich jemand einen mit Puppen realisierten Stop-Motion-Film ansehen sollte, dessen Vorgänger als realer Film schon ein bewundernswertes Cineastenstück war. Oder warum man das zeitgeschichtlich korrekte Seitenverhältnis von 1:1,33 nicht beibehielt. Oder warum, obwohl in Schwarzweiß, trotzdem  nicht auf 3-D verzichtet wurde. Wie bei ALICE IN WONDERLAND verzichtete Burton erneut darauf in 3-D zu drehen, und die Konvertierung hat dem Film letztendlich auch kein besseres Leben eingehaucht. Eigentlich ist es ein Wunder, das Tim Burton sich erneut mit dem Ohren-Konzern eingelassen hat. Schließlich ist der Vater von SCHERENHAND EDWARD neben den Coen-Brüdern einer der wenigen Filmemacher ist, die selbst für ein Mainstream-Publikum einen eigenen Stil pflegen können.

FRANKENWEENIE ist ein unterhaltsamer, teilweise hintersinniger Film, der seinen filmischen Vorbildern mit viel Gefühl Tribut zollt. Er entspricht aber keineswegs der erstaunlichen Hommage, die Burton 1984 zum Leben erweckt hatte. Warum sich jemand schon wieder auf 3-D einlässt, obwohl er wegen derselben Sache zwei Jahre zuvor mit seinem finanzierenden Studio im Clinch lag, entzieht sich jeder Vernunft. Finanziell hingegen scheint es plausibel. Kreativ bedingt, hat der Filmautor Burton durch das künstliche Aufblasen der Geschichte künstlerisch zurückstecken  müssen. Vielleicht ging er das Risiko auch bewusst ein. Es wird am Ende keine Rolle spielen. Man muss FRANKENWEENIE von 1984 einfach hintenvor lassen, um die Fassung von 2012 in vollen  Zügen genießen zu können. Es gibt also einen paradoxen Film, der zu gleichen Teilen perfekt ist, oder aber perfekt sein könnte. Eine zwielichtige Sache, über die am Ende dann doch nur der Zuschauer entscheiden kann. Es bleibt das Gefühl, einer ehrfurchtsvollen, beflügelten Hommage beizuwohnen, genauso wie das ärgerliche Erlebnis von überflüssiger Geldschneiderei. Nicht nur der eigensinnige Humor der älteren Fassungen, die dem Familienfilm von 2012 vollkommen abgeht, hätte James Whale bewogen, sich für den Erstling zu entscheiden.

Darsteller:
Victor Frankenstein – Charlie Tahan / Niklas Münninghoff
Mrs. Frankenstein– Catherine O’Hara / Melanie Manstein
Seltsames Mädchen – Catherine O’Hara / Farina Brock
Mr. Frankenstein – Martin Short / Jakob Riedl
Nassor – Martin Short / Benedikt Gutjan
Mr. Rzykruski – Martin Landau / Erick Ludwig
Elsa Van Helsing – Winona Ryder / Laura Maire
u.a.

Regie: Tim Burton
Drehbuch: John August nach Leonard Ripps und Tim Burton
Kamera: Peter Sorg
Bildschnitt: Chris Lebenzon, Mark Solomon
Musik: Danny Elfman
Produktionsdesign: Rick Heinrichs
USA / 2012
zirka 87 Minuten

 Bildquelle: Walt Disney Studio Motion Pictures
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