auf DVD / Blu-ray: THE SON

Son - Copyright LEONINE DISTRIBUTION– Bundesstart 26.01.2023

Es war ein beachtlicher Erfolg, den Romancier und Dramatiker Florian Zeller mit seine Regiedebüt THE FATHER erlangte. Auf der Bühne feierte Zellers Stück Erfolge, wurde sogar vorher schon einmal verfilmt, aber keiner kennt sein Kind so gut wie der Vater des Stückes selbst. Zeller blieb seiner eigenen Vorlage treu, und machte daraus großes Kino, ohne den Möglichkeiten des überhöhten Melodrams zu verfallen. THE FATHER ist ein einzigartiges Vexierspiel, das eindringlich versteht, die Zuschauenden nicht nur Beobachter sein zu lassen, sondern sie ihn den Verstand des Protagonisten zu versetzen. Zwei Jahre vor ‚Der Vater‘ schrieb Zeller 2010 das Stück ‚Die Mutter‘, aber Nachfolgefilm sollte ‚Der Sohn‘ werden, das 2019 verfasst worden war. Peter hat Kate samt seinem Sohn Nicholas verlassen, um eine neue Familie mit Beth zu gründen. Bis sich Kate meldet, weil Nicholas unter massiven Problemen leidet, und lieber bei Peter leben möchte.

Man könnte Florian Zellers Themen auch Alltagsprobleme nennen, auch wenn Alzheimer in THE FATHER weit über die gängige Begrifflichkeit von Problem hinausgeht. An dieser Stelle muss der Sohn demnach Nicholas sein, der über einen Monat nicht in der Schule war und eine offensichtlich depressives Bild abgibt. Peter scheint etwas überfordert, dass Nicholas in sein neues Leben einzieht. Seine neue Frau Beth ist überhaupt nicht begeistert, die sich eigentlich mit dem eigenen Nachwuchs als Familie genug empfand. THE FATHER brillierte so überragend durch Anthony Hopkins und Olivia Coleman. THE SON steht mit hochkarätigen Talenten wie Jackman, Dern und Kirby, aber auch Zen McGrath in nichts nach.

Es ist allerdings erschreckend, wie Florian Zeller versäumt, dieses sicher scheinende Ensemble nach dessen Möglichkeiten agieren zu lassen. Für diesen Film hat Florian Zeller wie beim Vorgänger, auf das selbe Team in den Hauptbranchen gesetzt. Als Co-Autor der Drehbuchfassung stand demnach wieder Christopher Hampton zu Seite, der schon weit kniffligere Dramaturgien umsetzte. Was den Umkehrschluss zulässt, er und Zeller haben sich eng an den Aufbau des Bühnenstücks gehalten – und der ist dürftig. Das Gerüst der Handlung ist nicht mehr, als eine Abfolge in den Standards von Problembewältigung. Mit den richtigen Techniken umgesetzt, wäre das sogar ausreichend.

Nicht sehr lang in den Film hinein wird klar, das mit dem titelgebenden Sohn eigentlich Peter gemeint ist. Durch die schlechte Elternschaft des eigenen Vaters, sieht er sich unter psychischen Druck gesetzt. Der Charakter des Kindes wird immer mehr zur Staffage, an dem sich die Hauptfigur entlang arbeitet. Peter will all das richtig machen, wo er glaubt, dass sein eigener Vater versagt hat. Jede Vernunft begabte Zuschauerin und jeder Zuschauer, wird umgehend erkennen, dass Nicholas ärztliche Behandlung nötig hat. Sein Verhalten, seine permanent offensichtlichen Lügen, und vor allem die Selbstverletzungen, setzen keine medizinischen Kenntnisse von Nicholas selbstzerstörerischen Zustand voraus.

Son 1 - Copyright LEONINE DISTRIBUTION

 

Zeller nutzt keine inszenatorischen Finessen, um die konventionelle Handlung entweder interessanter zu gestalten, oder Szenen eine erweiterte Bedeutung zu verleihen. Was der Regisseur in THE FATHER mit dem Verwirrspiel der wechselnden Schauspieler erreicht hat, fehlt THE SON auf allen Ebenen. Durch die Banalität des Handlungsaufbaus ergibt sich keine emotionale Spannung, und die technischen Umsetzungen sind schlichte Bebilderungen mit zweckmäßigem Schnitt. Wo bei anderen psychologischen Dramen Kamera, Schnitt und Ton die Erzählebenen erweitern, bleiben diese Branchen bei diesem Film eigenartig neutral bis passiv.

Lediglich Anthony Hopkins kurzer Auftritt als Peters Vater bricht brutal aus dem atmosphärischen Gleichklang der Inszenierung heraus. Die Linie zwischen Entsetzen und unfreiwilliger Komik ist in dieser Szene vollkommen aufgehoben. Hopkins spielt genial gegen sein Image des souveränen Intellektuellen. Nur fügt es sich nicht in die vorgegebene Struktur, weil die schockierende Offenheit in diesem Auftritt keinen Einfluss auf Peters Handlung hat. Auch wenn er sich immer wieder bemüht zeigt, ein guter, oder vielleicht sogar besserer Vater zu sein. Aber Peter ist kein Charakter der besonders ist, geschweige denn, dass er eine Weiterentwicklung durchlaufen würde.

Vanessa Kirby, dass ist die mit der eindrucksvollsten Geburtsszene die jemals im Kino zu sehen war, bleibt als junge Mutter unbedeutend. Auch wenn der unvermittelte Zuzug des Stiefsohnes die Lebensplanung von Beth aus der Bahn wirft, ergibt das nur kurzes Konfliktpotenzial. Einen Einfluss auf Peter, oder dessen ganze Situation, wird Beth nicht zugestanden. Welche Art von Mutter Laura Dern darstellen soll, bleibt ungewiss. Für Kate ist es in Ordnung, den Sohn ohne weiteres zum Vater ziehen zu lassen. Kate und Peter sind als Eltern in Szene gesetzt, die nur damit beschäftigt sind wahnsinnig besorgt um ihr Kind zu sein, ohne dass sie wirklich etwas für ihn tun.

Während die exzellenten Qualitäten der Darsteller hinlänglich bekannt sind, und bei anderen Gelegenheiten verdient gefeiert werden, bekommen sie mit Ausnahme von Hopkins, keine Gelegenheit dies angemessen ausführen zu dürfen. Florian Zeller hat mit THE SON keinen guten Film gemacht. Er ist inhaltlich flach und in den Charakterzeichnungen fragwürdig. THE SON ist nur gut anzusehen, weil Jackman, Dern, Kirby und Hopkins grundsätzlich interessant sind. Aber darstellerisch ist es für keinen eine Herausforderung, was letztendlich die Bereitschaft des Publikums beeinflusst, sich emotional einzubinden. Und dann setzt Zeller in den letzten zehn Minuten noch ein Feuerwerk an Kitsch und Melodram obendrauf, dass THE SON den letzten Rest Würde raubt.

Son 2 - Copyright LEONINE DISTRIBUTION

 

Darsteller: Vanessa Kirby, Anthony Hopkins, Hugh Jackman, Laura Dern, Zen McGrath, Gretchen Egolf u.a.
Regie: Florian Zeller
Drehbuch: Florian Zeller, Christopher Hampton
Kamera: Ben Smithard
Bildschnitt: Yorgos Lamprinos
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: Simon Bowels
Großbritannien, Frankreich / 2022
123 Minuten

Bildrechte: LEONINE DISTRIBUTION
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