RENFIELD

Renfield - Copyright UNIVERSAL STUDIOS– Bundesstart 25.05.2023

Um Nicolas Cage ist es ruhig geworden. Nicht ruhig gemessen am Arbeitspensum, aber in der Aufmerksamkeit die seine Filme manchmal erreichten, und ihn kassenträchtig machten. Dem Marketing nach zu urteilen, ist RENFIELD ein weiteres Vehikel für die große, überzogene Nicolas Cage-Extravaganza. Seine ins hysterische gleitende Artikulation, das leicht psychotische Grimassieren. Und RENFIELD bietet genau diese Plattform, für die man ihn wegen seiner exaltierten Ausdrucksweise entweder ablehnt, oder kultisch verehrt. Das große Aber folgt mit der Erkenntnis, dass RENFIELD nicht Nicolas Cages Film ist. Nicholas Hoult spielt Robert Montague Renfield, und es ist sein Film. Es ist erneut eine Rolle in dem bereits beachtlichen Portfolio von Hoult, die zeigt das dieser Mann eigentlich nur noch diesen einen ‚bestimmten Film‘ davon entfernt ist, seinen Platz unter den führenden Leinwandgrößen einzunehmen.

Seit über hundert Jahren ist Robert Montague Renfield schon der Vertraute des Grafen Dracula. Ebenfalls unsterblich, kümmert er sich darum, dass der Graf immer Frischfleisch bekommt. Denn nach Vorstellung von ‚The Walking Dead‘ Erfinder Robert Kirkman, saugt der Transsylvanier nicht nur Blut, sondern isst auch Menschenfleisch. Im Heute sind sie in New Orleans gestrandet. Während der Graf tagsüber ruht, besucht Renfield eine Selbsthilfegruppe für Opfer von toxischen Beziehungen. Nie hat Dracula sein Versprechen von einem ausgewogenen Verhältnis gehalten, am Ende missbraucht und demütigt er Renfield doch immer wieder.

Einen wirklich starken Einstieg hat Regisseur Chris McKay mit dem schwarzweiß Prolog inszeniert, indem das Material von Tod Brownings DRACULA (1931) Verwendung findet und sich Bela Lugosi per CGI von Szene zu Szene langsam in Nicolas Cage verwandelt. Das gefällt nicht nur Cineasten, sondern ist eherne Filmkunst, und zeigt wie Computer das Spektrum des Erzählens noch erweitern können. Sprachlich erzählt wird die einhergehende Geschichte von Renfield, sprich Nicholas Hoult selbst. Im traurig, fast depressiven Ton versucht er sich den Zuschauenden gegenüber zu erklären, und teilt mit uns wie belastend diese Beziehung ist.

Das er zum Beispiel Käfer und Spinnen essen muss, um wenigsten kurzzeitig zu übernatürliche Kräften zu kommen. Die braucht er für die vielen ausladende Kampfsequenzen, die dann auch mit extrem blutigen Auswüchsen einhergehen. Denn die Häscher des Grafen lauern überall. Die Splatter-Effekte sind reichlich und immer wieder grotesk überzogen, was den Ekelfaktor gering hält. Dennoch bleibt kein Körperteil vor dem ausreißen, quetschen oder zerschmettern verschont. Wenngleich die Kampfchoreografien etwas mehr Eleganz vertragen könnten, hat McKay diese Schlachtplatten doch sehr witzig und mit aberwitzigen Ideen umgesetzt.

Der entsprechende Gegensatz zu Renfields Charakter ist die ständig unzufriedene, immer wütende, und niemals freundliche Polizistin Rebecca. Das Talent von Darstellerin/Rapperin/Comedian Awkwafina für perfektes Timing und knochentrockenem Humor ist großartig, und ihre Präsenz herausragend. Trotz der nicht gerade stattlichen Körpergröße gewinnt sie durch ihr energiegeladenes Spiel eine glaubwürdige Überlegenheit gegenüber weit voluminöseren Darstellern. Nichts gegen Autor Ryan Ridley, aber die Vermutung ist naheliegend, dass der Großteil von Awkwafinas treffsichere Pointen improvisiert ist.

Renfield1 - Copyright UNIVERSAL STUDIOs

 

Awkwafina beiseite, beweist sich Ryan Ridler auch so als cleverer Filmautor, der den Wechsel von leichten TV-Serien auf die große Leinwand wirklich zu nutzen versteht. Der Film ist Horror ohne Grusel, ansehnliches Mixed-Martial-Arts-Spektakel, starkes Splatter-Vergnügen, sehr zurückhaltende Romanze, aber grundsätzlich eine Komödie mit absurden Eigenheiten. Was Ridley als Buch vorgelegt hat ist es eine perfekte Mischung, die Chris McKay mit wunderbaren Feingefühl sehr harmonisch zusammenbringt. McKay weiß genau wann leise Töne angebracht sind, weiß aber auch exakt den Moment, um wieder Vollgas zu geben.

Während Rebecca eigentlich einen kriminellen Familienclan ausheben will, versucht diese Familie den Grafen als Verbündeten zu gewinnen. So kreuzen sich die Wege von ihr und dem von Selbstzweifel geplagten Renfield. Die Konstellationen für den Showdown sind keine wirkliche Überraschung, was irrelevant wird, weil definitiv der Weg das Ziel ist. Und da sind Awkwafina und Hoult einfach wunderbar. Da stimmt nicht nur die Chemie im Paar, sondern auch die Chemie zwischen dem Paar und dem Publikum. Trotz des kruden Humors, der vielen Albernheiten, dem extrem blutigen Ambiente, sind es Figuren für die man wirklich einsteht und um die man sich sorgt.

Eine gelungene Überraschung ist Ben Schwartz in der Rolle des schmierigen Sohnes der Clan-Matriarchin. In Schwartz würde man vom Typ und seinen bisherigen Rollen her eigentlich nicht den skrupellose Gangster sehen. Aber genau diese widersprüchliche Assoziation macht ihn schließlich zu einem zwar sehr witzigen, aber dennoch unberechenbar kaltblütigen Gegenspieler. Es ist eigentlich ein fantastisches Ensemble, in dem fast jeder seine Rolle auf den Punkt bringt. Trotz der umwerfenden Komik, bringen die meisten dennoch im Rahmen des Konzeptes eine gewisse Glaubwürdigkeit in die Rollen, weil der Film sonst nicht funktionieren würde.

Möchte man unbedingt einen schwachen Punkt benennen, ist dies eigentlich Nicolas Cage. Die einen hassen ihn, die anderen lieben ihn. RENFIELD hat ungewöhnlich viel Energie, ist unglaublich reich an Ideen, und ist überwältigend in Tempo und Rhythmus inszeniert. Da kann ein einziger Makel auf diesen außerordentlichen Spaß überhaupt keinen Einfluss haben. Die vorangegangenen Superlativen hat RENFIELD verdient, weil er alle denkbaren Zweifel einfach von der Leinwand fegt, und sich als wirklich attraktive Überraschung entpuppt.

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Darsteller: Nicholas Hoult, Awkwafina, Nicolas Cage, Ben Schwartz, Shoreh Aghdashloo, Brandon Scott Jones, Adrian Martinez u.a.
Regie: Chris McKay
Drehbuch: Ryan Ridley,  nach der Idee von Robert Kirkman
Kamera: Mitchell Amundsen
Bildschnitt: Zene Baker, Ryan Folsey, Giancarlo Ganziano
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: Alec Hammond, Julie Berghoff (second unit)
USA / 2023
93 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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