JURASSIC WORLD: REBIRTH
– Release 02.07.2025 (world)
Es gibt eine einzige Sequenz in Gareth Edwards‘ „Jurassic World: Die Wiedergeburt“ in der man die berauschende Magie noch einmal regelrecht spüren kann, mit der Steven Spielberg vor mehr als drei Jahrzehnten mit „Jurassic Park“ die Kinowelt in Ekstase versetzte. Die Helden Zora Bennett und Henry Loomis werden Zeuge vom Liebesgeplänkel eines Titanosaurus-Paares, und dazu arrangiert Komponist Alexandre Desplat das ikonische Thema von John Williams. Es ist eine perfekte Reminiszenz an die Brontosaurus-Sequenz des Originals. Edwards schafft es diesen mitreißenden Zauber zu wiederholen, in dem er sich ganz bewusst am Original orientiert, aber mit seiner individuellen Art zu inszenieren. Schließlich ist Gareth Edwards auch der Mann, der einen Film über Monster gemacht hat, der auch noch „Monsters“ heißt, in dem es aber nicht um Monster ging.
Hätte sich jemand 1993 vorstellen können, dass man sich an Dinosauriern satt sehen kann? Nicht mit der raffinierten Inszenierung, nicht mit dieser Spannung, nicht mit diesem Gespür für Wunder wie es Steven Spielberg vermochte. Aber Dinosaurier wurden zum Selbstzweck. Zeigen um des Zeigens willen. Das Drehbuch von „Jurassic Park“-Autor David Koepp greift das sogar auf, in dem „Wiedergeburt“ in einer Zeit spielt, in der Dinosaurier uninteressant geworden sind. Ein sterbender Brontosaurus wird durch die belebten Straßen von New York transportiert, und keinen interessiert es.
Letztendlich verfällt aber „Die Wiedergeburt“ in den gleichen Charakter wie seine „World“-Vorgänger – möglichst viele neue, und immer größere Dinosaurier in die unwahrscheinlichsten Gefahrensituationen einbauen. Fünfzehn Jahre nach Teil Sechs – „Dominion“ – hat der Klimawandel die Dinosaurier auf die Höhe des Äquators verbannt. Sozusagen ein ’natürlicher‘ Schutzwall, für Menschen gesperrt. Genauso natürlich sind die Beweggründe dennoch dorthin zu gehen – Big Pharma sieht ungeheure Möglichkeiten mit Dino-Blut. Ebenso natürlich müssen es die größten Dinosaurier sein. Und weil man bei natürlich ist, für jede Standardsituation gibt es eine Standardfigur.
Eigentlich ist alles so, wie man erwartet. Alles so, wie man sich wohlfühlt. Dieses Wohlbehagen mit dem Vertrauten und dem liebgewonnenen Gewohnheiten. Aber immer wieder blitzt dieser Gareth Edwards durch, der aus gutem Grund wegen den No-Budget-„Monsters“ den Auftrag zum Very-Big-Budget „Godzilla“-Remake bekam. Hier und jetzt gibt es Standardfiguren, deren Bestimmungen so unheimlich leicht vorhersehbar sind. Man weiß sofort wer das erste Opfer wilder Reißzähne sein wird, und man weiß sofort welche wunderliche Figur sich ‚überraschend‘ bewähren wird. So klischeebeladen die Protagonisten gezeichnet sein mögen, haben einige der Dialoge eine verblüffende emotionale Tiefe. Besonders zwischen den rohen Kriegern Zora und Duncan. Das macht zum einen die Sensibilität von Autor/Regisseur Edwards, und zum anderen natürlich Johansson und Ali. Nachdenkliches unter Söldnern, was für ein Genuss.
Gareth Edwards kann Dialog, er hat ein Gespür, was auch ein wesentlich positives Merkmal von „Die Wiedergeburt“ ist. Auch wenn Mahershala Alis Erscheinung viel zu offensiv den Typus des Söldners verkörpert, und Scarlett Johansson eben – weder Fisch noch Fleisch – einfach Scarlett Johansson ist, die man grundsätzlich unabhängig von allem gerne sieht. Man könnte meinen, dass sich „Bridgerton“s Jonathan Bailey in dieser Runde schwer tun würde. Doch facettenreich, aber nie aufdringlich, ist Bailey der perfekte Fisch-aus-dem-Wasser-Paläontologe, der zudem noch eine beachtliche Chemie mit der wirklich konträren Johansson-Figur entwickelt. Eine authentisch freundschaftliche Beziehung, bei der später eine tiefere Verbindung auch absolut natürlich scheint.
Zweifelsfrei unterliegt leider auch dieser „Jurassic World“ den Konventionen des High-Concept-Mainstreams, was seine Erzählform in gewisser Weise auch – um es nicht trivial zu nennen – sehr gewöhnlich macht. Und auch die Dinosaurier immer größer und gefährlicher. Der zweite Vorteil in der künstlerischen Kraft des Regisseurs ist sein Verhältnis zu Beziehungen. Nicht nur den greifbaren Beziehungen zwischen den Figuren, sondern auch zwischen Mensch und Natur. Was seinerzeit viele Kaiju-Freunde bei „Godzilla“ (2014) aufgestoßen hat, war der allzu subjektive Blick auf die Monster aus der menschlichen Perspektive. Damit hat Gareth Edwards auf der Leinwand auch fantastisch die ‚monströsen‘ Größenverhältnisse inszeniert. Damit gelingen ihm tatsächlich auch hier die nervenaufreibendsten Bilder. Wenn Saurier nur kurz, und dann auch nur schemenhaft zu erkennen sind, oder lediglich ihre Körperpartien in Relation gesetzt sind.
Die üblichen, relativ herkömmlichen Spannungsmomente sind ganz nach den tricktechnischen Schauwerten umgesetzt. Jeder Dinosaurier attackiert. Manche Dialoge nehmen mit ihrer Schwarzweißmalerei vorweg, was dann tatsächlich schlimmstmöglich passiert. Die fliehende Menschenbeute entkommt immerfort nur eine Zähnlänge dem Gebiss des fresswütigen Dinosauriers. Das der Mensch überhaupt nicht in der Nahrungskette der unbeeinflusst entwickelten Population von Sauriern sein dürfte, ignoriert man auch hier. Es ist in weiten Teilen ermüdend wie reproduziert die Actionszenen sind, die seit vier Teilen keine Entwicklung erfahren haben.
Auch wenn Scarlett Johansson weniger Söldner als einfach nur die Johansson ist, schafft sie mit ihren beiden Hauptdarstellern Mahershala Ali und Jonathan Bailey sehr ansprechende Fixpunkte, um den Film mit Leben und Energie zu füllen. Die anderen Darsteller fallen – wenngleich solide gespielt – leider in die Kategorie standardisierte Familienunterhaltung. Es geht um Profit (nicht neu in der Serie), Klimawandel, und um unkontrollierbaren Fortschritt. Wie mit den drei vorherigen „World“-Filmen eingeführt, sind in diesem ersten Teil einer neuen Trilogie, Dinosaurier-Mutationen die maßgeblichen Menschenjäger. Wenn man sich dabei das Design des neuen Obermonsters Distortus Rex ansieht, ist diese inhaltliche Ausrichtung noch nicht sehr überzeugend.
Wobei Distortios Rex bei der visuellen Einbindung noch zu den überzeugenden Effekten zählt. Bei der Reputation und dem Produktionsaufwand ist hingegen die Schlauchboot-Sequenz mit Urgestein T-Rex fast schon katastrophal zu bezeichnen. Wirklich sehr gut inszenatorisch ausgearbeitet, sieht man ganz deutlich, dass hier zwei unterschiedliche Filme zusammengefügt wurden. Auch bei anderen Szenen sind die Kompositionen mancher Einstellungen nicht wirklich gelungen. Zu sagen, der Unterhaltungswert wäre deswegen nicht mehr gegeben ist natürlich falsch. Aber es überrascht doch, und es enttäuscht. Aber in „Die Wiedergeburt“ geht es auch noch um Verlust, Lebensängste und Verantwortung, und das funktioniert dann wider Erwarten erstaunlich gut.
Hätte sich jemand 1993 vorstellen können, dass man sich an Dinosauriern satt sehen kann? Seinerzeit nicht. Aber mittlerweile hat es in seiner abgetragenen Konzeption einen faden Beigeschmack. Wenn gleich zu Anfang an einem Spiegel die Warnung steht: Objekte im Rückspiegel können näher erscheinen als sie sind – dann weckt das Erinnerungen an überwältigend magisches Kino. Heute ist es solide und verlässliche Unterhaltung, die man nicht bereuen muss. Allerdings auch nicht mehr. In einigen Szenen erkennt man sehr gut das, was Gareth Edwards soweit gebracht hat. Und das sind auch die Momente die mitreißen. Blickt man nur einen Film auf „The Creator“ zurück, weiß man, dass sein nächstes Projekt wieder außergewöhnlich sein wird. Der nächste „Jurassic World“ wahrscheinlich nicht. Dazu müßte Universal endlich einmal loslassen können, um zu zeigen, dass Dinosaurier in den richtigen Händen noch faszinieren würden.
Darsteller: Scarlett Johansson, Jonathan Bailey, Mahershala Ali, Rupert Friend, Manuel Garcia-Rulfo, Luna Blaise u.a.
Regie: Gareth Edwards
Drehbuch: David Koepp
Kamera: John Mathieson
Bildschnitt: Jabez Olssen
Musik: Alexandre Desplat
Produktionsdesign: James Clyne
USA / 2025
134 Minuten