FFF20: BECKY

FFF20-klein, Copyright ROSEBUD ENTERTAINMENTNÜRNBERG / Cinecitta 16.- 20.09.20
HAMBURG / Savoy Filmtheater 16.- 20.09.20
MÜNCHEN / Cinema 16.- 20.09.20
STUTTGART/ Metropol 23. – 27.09.20
KÖLN / Residenz-Astor 23. – 27.09.20

Becky 1 - Copyright VERTIGO RELEASINGBECKY
– Amazon Prime US
– DVD / Blu-ray ab
30.10.2020

Was die beiden Regisseur Jonathan Milott und Cary Murnion mit der Eingangssequenz von BECKY geschaffen haben, dass verspricht einen Film voller innovativer Überraschungen. Szenen aus dem Schulalltag der dreizehnjährigen Becky sind in Einstellung und Geschehnissen den Bildern aus dem Knastleben von Neo-Nazi  Dominick nachgestellt. In einer mitreißenden Parallelmontage gehen diese gedoppelten Aufnahmen immer wieder ineinander über. Hier ist man schon überzeugt, dass der cineastische Ton des Film getroffen ist. Später versuchen es die Regisseure mit einem erneuten inszenatorischen Gimmick, wo ihnen gelingt, die erwähnte Eingangssequenz zu so etwas wie einer Auflösung hin zu führen. Der erste Dialog der Kontrahenten Becky und Dominick setzt die beiden Gesichter in gleicher Einstellungsgröße und fast gleichem Hintergrund  per Split-Screen gegenüber. Es erweckt den Eindruck als ständen sie sich tatsächlich gegenüber, obwohl sie weit getrennt sind und mit Walkie-Talkies kommunizieren.

Zwei ansprechende Einfälle in der Inszenierung die leider den einzig prägnanten Eindruck auf den Zuschauer hinterlassen. Ansonsten zerfällt diese Gore und Splatter Variante von KEVIN ALLEIN ZUHAUS in viele kleine Teile, die nie wirklich zueinander passen wollen. Sicher ist, dass die Zwillings-Regisseure versuchen die Versatzstücke den Home-Invasion-Thrillers auf den Kopf zu stellen. Das gelingt nur bedingt, weil es ebenso viel kleine Teile gibt, welche gegen die guten Absichten der Macher arbeiten. Bei gleich zwei Regisseuren und dazu drei Drehbuchautoren fragt man sich als Genre-Freund und -Kenner, ob der Spruch mit den vielen Köchen wieder zu greifen scheint. Sicher ist, dass der gesamte Handlungsverlauf gar nicht so stimmig ist, und immer wieder ins Stolpern gerät. Wenn die unter dem Tod ihrer Mutter leidende Becky mit dem Vater ins Landhaus fährt ist die Stimmung ohnehin nicht rosig. Als dann auch noch die Stiefmutter in Spe samt Sohn aus erster Ehe auftaucht, ist es mit der inneren Ruhe des trotzigen Kindes endgültig vorbei. Becky zieht sich in ihr Versteck im Wald zurück, gerade als der geflohene Dominick mit seinen drei Gefolgsleuten das Haus betritt und Vater, sowie Stiefmutter und Stiefbruder als Geisel nehmen.

Da ist erst mal Kevin James, der mit einem ‚Paul Blart‘ im Nacken und sehr viel KING OF QUEENS mächtig Ballast mit sich herum trägt, um in einer endlich einmal zynisch, brutalen Rolle ernst genommen zu werden. Eigentlich kann sich James in seiner Rolle des fiesen Nazis ganz gut behaupten, er kommt aber nie über ein stereotypes Mittelmaß hinaus. Was ihn nun zu dem überlegenen Anführer der Gruppe macht, bleibt ebenso verschlossen wie ein besonderes psychologischen Profil mit dem er sich von so einem Rollenstandard abheben kann. Da beweist sich Lulu Wilson als ganz anderes Kaliber, die mit ihrem Charakter auch nur einem bekannten Typus folgen darf, dafür aber emotional voll aufdreht, und damit zeigt, was dem Film im Gesamten fehlt. Denn was ihm fehlt ist diese ungezügelte Energie welche Ernsthaftigkeit und den Hang zum Drama aufzubrechen versteht. Denn die Prämisse einer unbescholtenen Dreizehnjährigen gegen vier eiskalte Knastflüchtlinge ist ohnehin mit wenig Realismus gesegnet, trotzdem versucht sich die Handlung entgegen jeder Vernunft immer wieder an einem wirklichkeitsnahen Ablauf. Was darauf hinausläuft, dass Becky bei ihrem Rachefeldzug immer wieder scheitert.

Das ein Kind in diesem Alter den Bösen derart überlegen ist, hat selbstverständlich nichts mit Realität zu tun. Dafür ist aber der Zuschauer auch nicht gekommen. Aber die fünf Köche dieser Suppe nehmen sich viel zu ernst, wonach Becky im Handlungsverlauf eigentlich drei mal getötet worden wäre. Und da passen die Teile der Inszenierung einfach nicht zusammen. Was dem Zuschauer als Überraschung präsentiert wird, generiert nur Rätselraten, weil sich Becky immer wieder als gar nicht so genial erweist. Und die bösen Jungs haben immer genau diese eine Schwäche, welche Beckys erdachte Fallen funktionieren lassen, ohne das sie diese Schwächen überhaupt kennen würde.

Da aber der Film ganz klar ein Thriller mit Splatter-Effekten sein will, und eben kein Psychodrama, fehlt ihm eindeutig an morbidem Humor und einer gehörige Portion trockenem Zynismus. Den Einsatz des von den Gangstern gesuchten Schlüssels als MacGuffin, also ein Antrieb für die Handlung ohne eigentlichen Nutzen, nimmt man den Machern dann am Ende eher übel, anstatt es als originellen Einfall zu honorieren. Dafür dürfen sich die Freunde von deftigen Schlachtplatten freuen, denn da hat Becky den Tisch mit sehr originellen Leckereien gedeckt. Da kneift man hin und wieder einmal die Augen zusammen. Aber Hand aufs Herz, genau dafür ist man auch gekommen, wenngleich im Gesamten viel mehr möglich gewesen wäre.

Becky 2 - Copyright VERTIGO RELEASING

 

Darsteller: Lulu Wilson, Kevin James, Joel McHale, Robert Maillet, Amanda Brugel, Ryan McDonald, James McDougall, Isaiah Rockcliffe u.a.
Regie: Jonathan Milott, Cary Murnion
Drehbuch: Nick Morris, Ruckus Skye, Lane Skye
Kamera: Greta Zozula
Bildschnitt: Alan Canant
Musik: Nima Fakhrara
Produktionsdesign: Melanie Garros
USA / 2020
93 Minuten

Bildrechte: VERTIGO RELEASING
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