AMERICAN REUNION als Wiedersehen mit Versatzstücken

Die Klasse von `99 ist erwachsen geworden. Sollte man meinen. 13 Jahre später laufen Jim, Oz, Kevin und auch Finch immer noch in dieselben Peinlichkeitsfallen. Nur nicht Stifler, der nach wie vor selbst so frei von Taktgefühl ist, dass er erhaben und frei von aller Scham alle anderen in die Scheiße reiten kann. Ja, als die Klasse ihren Abschluss machte, war die obszöne Welt noch in Ordnung. Nach Teil 3 von 2003 haben sich in nur 9 Jahren selbst die plattesten Humoresken und der genialste Unsinn für eine Wiederverwertung längst überholt. Jede Generation hat ihr PORKYS. Um die Jahrtausendwende war es AMERICAN PIE. Doch was ist es jetzt? Denn AMERICAN PIE ist mit seiner Zeit nicht gewachsen.

Dies ist ein Film, der einzig und allein die Nostalgiker des kruden Kinos ansprechen wird. Was in Teil eins in Form einer Internet-Übertragung für Furore sorgte, ist mittlerweile in der wirklichen Welt einer von allen Konventionen befreiten You-Tube-Generation kaum noch nachvollziehbar. Ein Film, der an das demografisch wichtige Zielpublikum gerichtet ist und ein für die Studio-Gewaltigen kaum gewinnbringendes Publikum anspricht. Das war bestimmt anders erdacht, und so mancher Produzent kommt im Nachhinein ins Grübeln. Denn was offensichtlich ein nostalgischer Trip werden sollte und gleichzeitig eine erfolgreiche Weiterführung sowie Wiederbelebung einer sehr erfolgreichen Reihe, die ihre Direkt-auf-DVD-Produktionen gänzlich ignoriert, ist als Konzept nicht aufgegangen.

Seit dreizehn Jahren ist längst bekannt, dass die Darsteller durchweg sympathisch sind, in ihren Rollen perfekt besetzt. Und nach wie vor sind sie zu jeder Peinlichkeit bereit. Wann immer es um Körperflüssigkeiten geht, haben die liebgewordenen AMERICAN-PIE-Figuren noch immer etwas damit zu tun. Das ist, was man bei AMERICAN REUNION verspricht und als Zuschauer letztlich auch erwartet. Und so entspinnt sich ein Film, der zu unterhalten versteht, attraktive Darsteller und eine ordentliche Portion Humor zeigt, welche auf bekanntem Niveau angesiedelt ist und noch immer hervorragend funktioniert. Innerhalb der Reihe ist AMERICAN REUNION ein gelungener und auch sehr unterhaltsamer Teil. Doch eigenständig gesehen fehlt ihm das gewisse Etwas, dieses Besondere, das ihn von sonstigen Jugendkomödien abhebt. Und ihm wäre eine besondere Aufgabe zuteil gewesen. Ähnlich einem mit allen Ingredienzen erfolgreichen Familienfilm wäre AMERICAN REUNION in der Lage gewesen, ein jugendliches Publikum mit den Kino-Veteranen von damals gleichermaßen anzusprechen. Dreizehn Jahre scheint keine lange Zeit. Im Angesicht von Sehverhalten und Aufmerksamkeitsspanne dieser Tage bei Filmen und Serien ist es im Mainstream-Kino dann doch eine Ewigkeit.

Aber die Autoren und Regisseure Schlossberg und Hurwitz verlieren sich in einem geschlossenen Universum von Selbstzitaten, Rechtfertigungsversuchen und Anbiedereien. Und hier wird aus einem eigentlich wunderbar unkorrekten Film eine absehbare Abfolge von bekannten Klischees dieser gern gesehenen Reihe. Dicht an dicht reihen sich Szenen mit aufgefrischten Anekdoten, Wiedersehen mit nur fragwürdig wichtigen Figuren und immer wieder derb schmuddeligen Neuerungen. AMERICAN REUNION ist unterhaltsames und gelungenes Kino, auch wenn der Zuschauer sich mehr versprechen wird, als der Film letztendlich imstande sein wird zu alten.

Man geht immer auf ein Klassentreffen mit der Spannung, was einen erwartet. Wie erging es den anderen, was ist aus ihnen geworden, wo sind die eigenen Zukunftspläne und Hoffnungen hin? Was ist aus den Figuren von vor dreizehn Jahren geworden? Irgendwie sind sie die Alten geblieben. Das hat etwas Beruhigendes, das hat etwas sehr Unterhaltendes, und es macht gewiss keinen schlechten Film. Als Kevin fragt Thomas Ian Nicholas einmal in einer Szene, ob sie in vergangenen Tagen jemals so unausstehlich waren wie die Jugendlichen zur heutigen Zeit. Ja, sie waren so unausstehlich und auch peinlich, aber auch so unterhaltsam. Nach neun Jahren – gerechnet vom letzten Teil – geht es im Kino unserer Tage eben noch peinlicher, noch unausstehlicher, aber auch wesentlich unterhaltsamer zu. AMERICAN REUNION ist ein guter Film, ein unterhaltsamer Film, ein Film, der kaum jemanden enttäuschen wird. Doch er ist nicht geworden, was er hätte sein können. Aber wie schmutzig und vulgär wäre das wohl geworden, wenn man nach heutigem Standard gehen würde? Vielleicht zeigt uns das Teil zwei der zweiten Trilogie. Denn der scheint trotz aller Bedenklichkeiten unausweichlich.

American Reunion
Darsteller: Jason Biggs, Alyson Hannigan, Chris Klein, Tara Reid, Seann William Scott, Thomas Ian Nicholas, Mena Suvari, Eddie Kaye Thomas, Jennifer Coolidge, Eugene Levy, Natasha Lyonne u.v.a.
Regie: Jon Hurwitz, Hayden Schlossberg
Drehbuch: Jon Hurwitz, Hayden Schlossberg nach Charakteren von Adam Herz
Kamera: Daryn Okada
Bildschnitt: Jeff Betancourt
Musik: Lyle Workman
Produktionsdesign: William Arnoldt
USA / 2012
zirka 112 Minuten


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