JOY RIDE – The Trip

Joy Ride - Copyright LEONINE DISTRIBUTIONJOY RIDE
– Bundesstart 24.08.2023
– Veröffentlichung 05.07.2023

Preview 23.08. 2023, Cineplex Fürth
Blickt man auf das bisher respektable Schaffen von Adele Lim zurück, als Produzentin und Drehbuchautorin, muss ihr Regiedebüt so etwas wie ein Rundumschlag sein. Unter anderem hat sie bei CRAZY RICH ASIANS  mitgeschrieben, oder auch bei RAYA UND DER LETZTE DRACHE. Zum Beispiel war sie bei den Serien LETHAL WEAPON oder auch LIFE ON MARS Produzentin. Wer also mit Adele Lims Vita vertraut ist, wird kaum auf das vorbereitet sein, was sie mit JOY RIDE auf das Publikum loslässt. Die Autorinnen Teresa Hsiao und Cherry Chevapravatdumrong haben zum Beispiel für FAMILY GUY geschrieben, und selbst das reicht nicht annähernd an die Energie, den Humor, die Momente und die intellektuelle Tiefe von diesem Film heran. Er ist wahrlich nicht das Beste, und auch nicht das Lustigste, was Amerikanerinnen mit asiatischer Herkunft ins Kino gebracht haben. Aber ganz gewiss das Ungewöhnlichste.

Audrey ist asiatischer Herkunft und die Adoptivtochter eines amerikanischen Paares. Lolo ist gerade mit ihren Eltern von China nach Seattle immigriert. Gleich ihre erste Begegnung auf dem Spielplatz macht sie zu beste Freundinnen fürs Leben. Lolo wird Künstlerin mit Hang zu Geschlechtsteilen, und wohnt in Audreys Garage. Audrey selbst wird erfolgreiche Anwältin mit Aussicht auf Partnerschaft in der Kanzlei. Aber erst wenn sie in China einen Klienten an Land zieht. In Ermangelung ihrer chinesischen Sprachkenntnisse wählt Audrey ausgerechnet ihre verrückt verdorbene Lolo als Dolmetscherin.

Gleich von Anfang an dreht JOY RIDE voll auf. Adele Lim lässt ihre Darsteller kein Blatt vor den Mund nehmen. Tatsächlich keines. Und sie scheut sich nicht auch zu zeigen, was man vielleicht besser nicht sehen sollte. Die ersten 65 Minuten sind eine Tour de Force durch wirklich allen Arten von Humor, auf wirklich jedem Niveau. Das ist brüllend komisch, manchmal peinlich, oft entlarvend, und meistens sogar sehr tiefgründig. Die unbarmherzige Energie des exzellenten Ensembles, und ihre mitreißend natürliche Art miteinander, oder aufeinander zu reagieren ist schlichtweg überwältigend.

Lim treibt den Film richtig voran. Sie lässt keinen Leerlauf zu, und auch nie eine Pointe stehen. Im Gelächter des einen Gags, kann man den Nächsten schon verpassen. Sofern einem zum Lachen zumute ist. Nicht selten sehen die Zuschauenden auch beschämt zur Seite, oder schütteln ungläubig den Kopf. Der große Reiz und einhergehende Erfolg von JOY RIDE ist der sprunghafte Humorwechsel. Es ist nie absehbar, was kommen wird. Und das Schlag auf Schlag. Zur Reisegruppe gesellt sich K-Pop-Fan Deadeye, nichtbinär und unberechenbar. Sowie Filmstar Kat, die Studienkollegin, die in China Karriere macht.

Joy Ride 2 - Copyright LEONINE DISTRIBUTION

 

Erstaunlich ist das Gleichgewicht, dass Adele Lim ihren Figuren gibt. Auch wenn Audrey und Lolo im Vordergrund stehen, werden Deadeye und Kat nie als lustige Sidekicks benutzt. Jede dieser Personen hat etwas zu dem abenteuerlichen Trip beizutragen, der sich in China entwickeln wird. Da geht es um Herkunft und Identitäten, Selbstfindung und Beziehungen. Und es dreht sich sehr, sehr viel um Klischees und Vorurteile von und über Asiaten, Amerikanern asiatischer Herkunft, und Amerikanerinnen. Der Film hält dabei allen einen Spiegel vor, Zuschauenden und den Charakteren gleichermaßen.

Immer wieder stellt man fest, wie intelligent und präzise viele beiläufig scheinende Äußerungen sind. Wie Asiaten wahrgenommen werden. Wie sich Asiaten untereinander wahrnehmen. Und die Ignoranz gegenüber ihrer japanischen, koreanischen, oder chinesischen Herkunft. Die Dialoge bestechen durch ihre pointierten Beobachtungen. Genau daraus zieht die Handlung auch eine sehr überraschende Wendung. Die ist gleichermaßen urkomisch und berührend. Das Tempo sackt an dieser Stelle etwas ab. Das ist aber auch notwendig, um gegenüber der Prämisse und den Figuren treu zu bleiben.

Optisch wirkt hier Paul Yee mit der Kamera ein wenig zu aufdringlich auf das Thema ein. Während die Sequenzen in Amerika relativ neutral ins Bild gesetzt sind, sprühen die diversen asiatischen Drehorte vor Leben und Farben, oder beeindruckenden Landschaftsaufnahmen. Jedes Setting hat seine eigene visuelle Atmosphäre. So oder so, das Anliegen der Regisseurin malaiisch-chinesischer Herkunft ist hervorragend umgesetzt. Verpackt in atemberaubenden Humorkonstellationen, die diesem Ansinnen allerdings mehr als gerecht werden, und es nie lächerlich werden lässt. Doch dazu muss man einiges vertragen, denn JOY RIDE deckt wirklich jedes Niveau an Humor ab. Und dabei werden auch sehr oft die Grenzen des guten Geschmacks überschritten.

Joy Ride 1 - Copyright LEONINE DISTRIBUTION

 

Darsteller: Ashley Park, Sherry Cola, Stephanie Hsu, Sabrina Wu, Ronny Chieng, Meredeíth Hagner, Timothy Simons und Daniel Dae Kim u.a.
Regie: Adele Lim
Drehbuch: Cherry Chevapravatdumrong, Teresa Hsiao
Kamera: Paul Yee
Bildschnitt: Nena Erb
Musik: Nathan Matthew David
Produktionsdesign: Michael Norman Wong
USA, Großbritannien / 2023
95 Minuten

Bildrechte: LEONINE DISTRIBUTION
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