LAST CONTACT

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Bundesstart 27.07.2023

60 Jahre in der Zukunft: Durch menschliches Fehlverhalten wurde der größte Teil der Erde mit Wasser überflutet. Dem Titelvorspann und der dabei gezeigten Grafik nach, handelt es sich um kleine Landmassen von China und von Grönland, die noch existieren. Es herrscht Krieg, aber wir erfahren nie warum, oder zwischen wem. Wir erfahren auch nicht, für welche Seite die drei Männer und eine Frau auf einem vorgeschobenen Wachposten Dienst tun. Vorbild für den Posten ist ein Turm der imposanten Maunsell-Festungen vor der Küste Englands, welche im Zweiten Weltkrieg den Zulauf und Hafen der Themse schützten. Ob tatsächlich auf einem der noch existierenden Türme vor Ort gedreht wurde, verrät das Marketing nicht. Wieder einmal ein Indiz, dass in Deutschland produzierte Filme im eigenen Land einfach schlecht bis gar nicht mit ihren exotischen Vorzügen beworben werden, wenn es sich nicht um eine Komödie handelt. Dabei hätte der zweite Langfilm des estnischen Regisseurs Tanel Toom durchaus mehr Aufmerksamkeit vertragen.

LAST CONTACT ist kein schlechter Film. Regisseur Toom nutzt einige der kargen Möglichkeiten eines offensichtlich niedrigen Budgets sehr geschickt und effizient. Die schier endlose Weite, in welcher der monumentale Wachturm allen Witterungen trotzt, ist imposant eingefangen und durchweg beeindruckend. Die Ablösung der für zwei Jahre dort stationierten Soldaten ist bereits drei Monate überfällig. Die Anspannung ist groß, weil es keine Verbindung zum Festland mehr gibt. Die Technikerin Cassidy reagiert sich sexuell mit Funker Sullivan ab. Und Mechaniker Baines ist mit der Instanthaltung überfordert.

Kommandant Hendrichs lässt Dienst streng nach Vorschrift verrichten, obwohl keiner sagen kann, ob es dort draußen noch jemanden gibt. Bis ein Schiff am Horizont auftaucht, auf dem sich allerdings keine Menschenseele befindet. Dennoch wäre es eine Möglichkeit dem Posten zu entkommen, und zu versuchen das Festland zu erreichen. Und dazu nimmt sich der Film auch Zeit. Zu viel Zeit. Im Grunde ist LAST CONTACT ein sehr raffiniert konstruierter Mystery-Thriller. Doch zu Anfang versucht Toom noch abzulenken, in dem er die Einsamkeit und einhergehende Unsicherheit als psychologisches Drama aufbaut.

Erst in der zweiten Hälfte nimmt die eigentliche Handlung Gestalt an. Einige falsche Fährten erklären sich im Kontext als Trugschluss aus der eigenen Erwartung. Der Film gewinnt an Tempo und Spannung. Immer mehr Handlungselemente fügen sich zum überraschenden Finale. Schön wäre es, wenn es die Schauspieler auch tragen würden. Doch Kate Bosworth und Lucient Laviscount sind darstellerisch zu eindimensional und in der Charakterzeichnung zu uninteressant für ein vier-Personen-Stück. Und Thomas Kretschmann ist viel mehr darauf bedacht seinen deutschen Akzent zu verbergen.

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Als Hendrichs hat Kretschmann eigentlich alle Zügel des Mysteriums, die den Wachposten umgeben, in der Hand. Im Ensemble der Englischsprecher tut sich der Deutsche merklich schwer, und wird im Dialog auf das Notwendigste beschränkt. Dabei wäre es unter den ohnehin ungeklärten Voraussetzungen des Szenarios vielleicht sogar spannender gewesen, die Mannschaft internationaler zusammenzusetzen. Lediglich Martin McCann macht als Baines einen starken Eindruck. Ständig wandelt er sehr glaubwürdig am Rande des Wahnsinns, wobei seine Unberechenbarkeit den Spannungsfaktor effektiv steigert.

Die Außenaufnahmen machen einen mehr als überzeugenden Eindruck. Mart Ratassepp vermittelt in der Bildgestaltung eine sehr eindringliche Stimmung von Verlorenheit und Isolation. Nur in den Innenaufnahmen entlarven sich die Kulissen allzuleicht als aufgelassene Räumlichkeiten einer Fabrikanlage. Als Zuschauender akzeptiert man das nur schneller, gehört es doch zum Standard von Budget-schwachen Filmen. Trotzdem hätte etwas mehr Einfallsreichtum dem Film gut getan, der immerhin sechzig Jahre in der Zukunft spielt. Filmisch betrachtet betrüge ja das Alter der Anlage Hundertvierzig.

Während LAST CONTACT inhaltlich immer mehr gewinnt, beginnt der Film an seiner nicht hinreichend erklärten Prämisse zu leiden. Projekte wie dieses, die aus finanziellen Gründen ein sparsames Gerüst an Mensch und Material nutzen, verzichten sehr gerne auf plausible Erklärungen im strukturellen Aufbau. Wie auch hier, was zum Beispiel eine medizinische Versorgung betrifft. Oder was das soziale Gefüge unter den Soldaten angeht. Das bärbeißige Verhalten des Kommandanten wäre in einer neu angelegten Situation stimmig. Aber nach über zwei Jahren, wird es unter diesen Umständen nicht plausibel.

LAST CONTACT ist auf dem Papier ein spannender, sehr geschickt konstruierter Thriller. Der Fokus liegt am Ende mehr auf Mystery anstatt Endzeit. Doch gerade in der Mischung ergibt sich ein sehr originelles Szenario. Es sind immer nur leicht zu vermeidende Kleinigkeiten, die sich zu einer größeren Enttäuschung ausbauen. Mit allen Punkten, die so hervorragend inszeniert sind, führt Regisseur Tanel Toom immer wieder vor Augen, was für Möglichkeiten er nicht nutzt. LAST CONTACT ist kein schlechter Film, aber er ist bei weitem nicht das, was er mit wenig mehr Fingerspitzengefühl sein könnte.

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Darsteller: Kate Bosworth, Lucien Laviscount, Martin McCann und Thomas Kretschmann u.a.
Regie: Tanel Toom
Drehbuch: Malachi Smyth
Kamera: Mart Ratassepp
Bildschnitt: Tambet Tasuja
Musik: Gert Wilden Jr.
Produktionsdesign: Kaia Tungal
Großbritannien, Estland, Deutschland / 2023
117 Minuten

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