NO HARD FEELINGS

No Hard Feelings - Copyright SONY PICTURES - CTMG Inc.– Bundesstart 22.06.2023

Dies ist einer dieser Filme, wo sich zwei Figuren erst auf ihren Kameramarkierungen positionieren, und dann mit ihrem erklärenden Dialog beginnen. Ein Dialog der in der Logik eines realen Verhaltens her bereits viel früher angefangen haben müsste. Der Anwalt und auch die besten Freunde von Jennifer Lawrence’ Charakter tun das, und Andrew Barth Feldmans Filmeltern tun es. Ein Inszenierungsstil der eigentlich Gift für einen natürlichen Erzählfluss ist. Aber nicht nur in diesem Bezug, sondern in allen Belangen ist NO HARD FEELINGS eine Tragödie. Regisseur Gene Stupnitsky hat immerhin BAD TEACHER geschrieben und GOOD BOYS geschrieben und inszeniert. Kaum etwas davon ist in NO HARD FEELINGS zu erahnen, und wenn, ist es lediglich ein schmerzhafter Hinweis, was an diesem Film falsch ist. Und es ist viel, was falsch ist.

Anstatt aus dem Vollen zu schöpfen, was die Darsteller scheinbar bereit waren zu geben, generiert der Film nicht einmal eine handvoll Momente, die wenn dann pubertierende Teenager mit vorgehaltener Hand zum kichern bringen. Maddie Barker hat massive Geldprobleme, verliert deswegen ihr Auto. Es droht auch die Pfändung ihres Hauses in dem von elitären Sommergästen belagerten Urlaubsort Montauk. Im Film wird die heimliche Abneigung der Einheimischen gegen die Sommerhaus-Besitzer angesprochen, aber die Chance für eine politisch unkorrekte Abrechnung, in beide Richtungen der Parteien, verpufft in der Unentschlossenheit des Drehbuchs.

Eine Geschichte auf das Notwendigste herunter zu brechen, muss nicht schlecht sein, als Beispiel GOOD BOYS. Doch wenn sich für Maddie die Chance auf ein neues Auto ergibt, just als ihr eigener Wagen von der Bank geholt wurde, verursacht das Zähneknirschen bei vernunftbegabten Zuschauenden. Die hyperprotektiven, und stinkreichen Eltern des introvertierten Percy möchten das ihr Sohn seine Jungmännlichkeit verliert und gesellschaftliches Leben schnuppert, bevor er nach Princeton auf die Universität geht. Für die, die tatsächlich noch ohne Schimmer sein sollten: Maddie soll sich inkognito an Percy heranmachen, und ihn flach legen.

Und so geht es dann fröhlich, oder dramatisch, oder einfach nur dumm weiter, wenn Stupnitsky seinen Film durch den Blaupausen-Katalog für banale Komödie chauffiert. Das Percy den Sex-Braten nicht riecht, stellt seine Befähigung für Princeton wirklich in Frage. Die Anmach-Szenarien sind plump und nur bedingt komisch. Wo andere anzüglichen Komödie mit für die Figuren höchstem Peinlichkeitsfaktor regelrechte Brüller erzeugen, inszeniert der Regisseur solche Szenen zum regelrechten fremdschämen. Der absonderliche Kampf am Strand, bei dem sich Maddie vollkommen nackt mit vier Teenager prügelt, wird zum fragwürdig ikonografischen Moment des Films.

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Wenn sich die sonst für Auftritte eher verschlossene Jennifer Lawrence für so eine Szene begeistern lässt, muss das einen dramaturgischen Einschlag verursachen, aber nicht nur zwischen die Beine von Jungs und Mädchen. Ähnlich der Diarrhö-Sequence in BRAUTALARM. So etwas muss man inszenieren können. Aber wie viele andere Szenen auch, ist dieser Moment in NO HARD FEELINGS beliebig und, viel schlimmer, irrelevant. Die Figur der Maddie hingegen ist nicht irrelevant, aber sie ist beliebig. Sie ist kein sympathischer Charakter, weil egoistisch und unverantwortlich. Später allerdings, wechselt sie ihre Wesenszüge nach Erfordernissen.

In so einem Film bedarf es mindestens einer Komponente die großartig funktioniert. Es ist ein grobe Mischung von ZUM AUSZIEHEN VERFÜHRT, CAN’T BUY ME LOVE und EINFACH ZU HABEN, nur hatten diese Vorbilder ansprechend attraktive Darsteller mit Präsenz. Und sie hatten eine solide Grundstimmung. Der Regisseur weiß das Talent von Lawrence nicht zu nutzen, was ihre Darstellung sprunghaft und widersprüchlich macht. Dem kann der relativ unerfahrene Andrew Barth Feldman kaum etwas entgegensetzen, außer trauriges oder enttäuschtes Gebaren. Wirklich witzig ist keiner von beiden, was allerdings an Buch und Regie liegt.

Eigentlich weiß NO HARD FEELING nie so richtig was er sein will, und wechselt seine Stimmung von Szene zu Szene, ohne eine zusammenhängende Linie zu behalten. Von anzüglich zu dramatisch, von humoristisch zu melancholisch. Es werden standardmäßig Elemente eingeführt, die am Ende eine erlösende Katharsis haben sollen. Und die sind so durchschaubar wie ein offenes Fenster, Stichwort Spürhund. Eine alkoholgeschwängerte Princeton-Party findet unter Aufsicht der Eltern statt. Es gibt auch das ausgeleierte Klischee vom unwahrscheinlichsten Moment zum richtigen Zeitpunkt, damit Percy die wahren Absichten von Maddie erfährt.

Wenn sich jemand zum Trottel macht, hat das keine Konsequenzen für den weiteren Verlauf. So ist die Szene mit dem zu stehlenden Wagen der noch am Schlepphaken hängt tatsächlich witzig, hat aber keine Auswirkungen, und löst sich letztendlich in Wohlgefallen auf. Wie so vieles andere Sequenzen. Laura Benanti und Matthew Broderick als Percys Eltern treten nur gemeinsam auf, um sie offensichtlich schnellstmöglich abgehandelt zu haben, oder den Autoren keine vernünftige Elternszene eingefallen ist. Das einzige was Gene Stupnitsky in seinem Film konstant aufzeigt, sind die Ansätze von unheimlich vielen ungenutzten Möglichkeiten. Was Jennifer Lawrence nach der mitreißend sensiblen Apple-Produktion CAUSEWAY und der spektakulären Netflix-Satire zum Drehbuch von NO HARD FEELINGS zog, wird ein Geheimnis bleiben. Ähnlich der Intentionen hinter Stupnitskys Inszenierungsstil.

No Hard Feelings 2 - Copyright SONY PICTURES - CTMG Inc

 

Darsteller: Jennifer Lawrence, Andrew Barth Feldman, Laura Benanti, Matthew Broderick, Natalie Morales, Scott MacArthur u.a.
Regie: Gene Stupnitsky
Drehbuch: Gene Stupnitsky, John Phillips
Kamera: Eigil Bryld
Bildschnitt: Brent White
Musik: Mychael Danna, Jessica Rose Weiss
Produktionsdesign: Russell Barnes
USA / 2023
103 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES – CTMG Inc.
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