THE FALL GUY

Fall Guy 1 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS– Bundesstart 30.04.2024
– Release 24.04.2024 (AUS)

Wer denkt, dass man bei einem Film mit Emily Blunt und Ryan Gosling nichts falsch machen kann, sollte erst einmal THE FALL GUY abwarten. Inszeniert wurde FALL GUY von David Leitch, der zuletzt BULLET TRAIN gemacht hat. Jener überambitionierte Action-Kracher, der in all seinen guten Absichten für Krawall, seine Seele vergessen hat. THE FALL GUY hat Seele, und sehr viel Herz, dass sind Emily Blunt und Ryan Gosling. Und, möchte man meinen, jede Menge aufregender Stunt-Arbeit. Es gibt Stunts im Minutentakt. Lee Majors hat seinerzeit zu Recht voller Stolz über seine auf Deutsch EIN COLT FÜR ALLE FÄLLE betitelte Serie gesagt, dass diese Huldigung gleichzeitig sehr viel Arbeit für die kaum benannten Helden im Stunt-Department bringen soll. Für ein Leinwand-Remake legt man da 37 Jahre später natürlich ordentlich oben drauf, mit Stunts im Minutentakt. So sehr der Film die Metaebene des Blicks hinter die Kulissen des Filmgeschäfts bemüht, ist FALL GUY nicht viel mehr als ein weiterer Action-Kracher in der Vita von David Leitch.

Natürlich sollte sich niemand für aufregende Action rechtfertigen müssen. Aber welchen Sinn ergibt es dann, die komplette Geschichte auch explizit im Rahmen von Dreharbeiten anzusetzen, wenn selbst der inneren Logik folgend, das Geschäft nicht annähernd glaubwürdig behandelt wird. Vielleicht weil MISSION IMPOSSIBLE- oder auch FAST & FURIOUS-Autor Drew Pearce anstelle einer Lehrstunde einfach nur Spaß generieren wollte. Was ihm vielleicht sogar gelungen wäre, hätte David Leitch nicht die Inszenierung übernommen. Was allerdings auch auf Ryan Goslings Initiative als Produzent zurückzuführen ist, und der hatte zumindest merkliche Freude beim Dreh.

Allerdings ist nicht überliefert, wie viele Kunststücke Ryan Gosling als Colt Seavers tatsächlich selbst gemacht hat. Aber als Colt, der Stuntman, wird er nach einer verletzungsbedingten Zwangspause überraschend für einen Film engagiert. Ausgerechnet für das Regiedebüt seiner ehemaligen Freundin Jody Moreno. In der Hoffnung wieder mit Jody zusammenzukommen, sagt er für den Job zu, macht unerkannt und ohne Probe eine achteinhalb fache Rolle mit einem Auto, und wird dennoch von seiner Angebeteten zurückgewiesen. Im Übrigen sind diese achteinhalb Rollen ein Rekord, der letztendlich die Bestmarke von CASINO ROYALs sieben Überschlägen gebrochen hat.

Fall Guy 4 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

Genau dieser Rekord ist bestes Beispiel, warum FALL GUY immer wieder enttäuscht. Man sieht diesen Stunt nicht am Stück. Erst während des Abspanns kommt man durch Set-Videos in den vollen Genuss dieser Glanzleistungen. Elísabet Ronaldsdottíer hat auch DEADPOOL 2 und BULLET TRAIN geschnitten, ein Gespür für Action-Szenen kann man also voraussetzen. Deswegen bleibt es ein Mysterium, warum wirklich alle Stunts, ob Sturz aus Höhe, Autosprung, oder Explosion von Zwischenschnitten unterbrochen werden. Viele Stunts verlieren ihre Glaubwürdigkeit an den Eindruck von cleveren Montage- und Kameratricks. Und der strukturlose Handlungsverlauf macht nichts besser.

Der wahre Grund für Colts Berufung zu den Dreharbeiten von METALSTORM, ist das Verschwinden von Hauptdarsteller Tom Ryder. Vor seinem Unfall war Colt erster Stuntman von Ryder, und jetzt soll er ihn ausfindig machen, bevor die Produktion das Fehlen ihres Stars bemerkt. Zudem will Produzentin Gail Meyer eben auch einen Mann der keinem auffällt. Damit tastet sich dieses Remake schon einmal ganz vorsichtig an die Vorlage heran, in welcher sich Seavers im zweiten Job als Kopfgeldjäger verdient macht. Colts Nachforschungen konfrontieren ihn erneut mit dem gigantischen Star-Ego von Ryder, und führen darüber hinaus zu einem Komplott von ganz finsterer Art.

Leitch baut immer wieder Sequenzen wie einen finalen Showdown auf, was sich im Textprogramm sicherlich gut gelesen hat, aber filmisch eine unbefriedigende Abfolge ohne Spannungsbogen ergibt. Dazwischen unglaublich witzige Dialoge zwischen Blunt und Gosling, einem Duo mit grandioser Chemie. Was die Frage wiederholt, wie man da etwas falsch machen kann. Jeder für sich ist schon perfekt nach dem Typus der Figur besetzt, aber zusammen könnten sie (im literarischen Sinne) die Leinwand sprengen. Wie unter anderem mit der perfekten Choreographie in der Split-Screen-Sequenz, wenn im Gespräch Colt und Jody die Wesenszüge der beiden Hauptfiguren ihres Films annehmen.

Fall Guy 3 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

Das die Genialität in der Split-Screen-Sequenz leider nur eine Ausnahme bildet, zeigt sich in einem weiteren Gespräch zwischen den Hauptdarstellern, die mit Megaphonen über alle Crewmitglieder hinweg ihre Probleme klären. Bei solchen Szenen von umwerfender Absurdität, zeigen sich Leitchs Grenzen originell und entsprechend witzig zu inszenieren. Was dann selbst Blunt und Gosling nicht mehr auffangen können. Hervorragend gelungen sind hingegen Unmengen von Filmzitaten in Wort und bildlicher Umsetzung, die sehr flüssig und natürlich eingearbeitet sind. Ein El Dorado für alle Film-Nerds. Der Respekt vor den großen, realen Filmvorbildern wird hier sehr hoch gehalten.

Es herrscht ein ständiger Wechsel in den Qualitäten der einzelnen Leistungsschauen. Wenn ein Element unglaublich witzig ist, wird durchaus auch mit belanglosen Kalauern gekontert. Oder atemberaubende Stunt-Sequenzen werden von unaufregenden Prügel-Standards abgelöst. Die Bildgestaltung von Jonathan Sela wird den spektakulären Choreographien nicht wirklich gerecht. Die schwindelerregende Kameraführung bei dem zwölf-Stockwerke-Sturz zu Anfang, bleibt eine Ausnahme. Für einen Film, der vorgibt das Handwerk und die Leistungen dieser verwegenen Künstler und Artisten würdigen zu wollen, bleibt die Umsetzung auf handelsüblichem Niveau des Popcorn-Kinos.

Popcorn ist gut, und absolut legitim. Aber das was FALL GUY vorgibt zu sein, ist er keineswegs. Während die kaum beachteten Menschen hinter und vor der Kamera gepriesen werden sollen, werden dessen ungeachtet inszenatorisch die hinlänglich bekannten Filmstars in den Vordergrund gedrängt. Aber wer kann zu Emily Blunt oder Ryan Gosling schon Nein sagen, und Aaron Taylor-Johnson war noch nie so herrlich verabscheuungswürdig. Was aber nichts an dieser strukturlosen Abfolge ändert, bei der alle Sequenzen wie eigenständige Episoden mit brachial unterschiedlichen Qualitäten wirken. Auch wenn alles irgendwie zusammen findet, scheint es nicht zusammen zu passen. Dazu gibt es einen bizarren Showdown, der nicht im Geringsten irgendetwas mit nachvollziehbaren Verhältnissen an einem Filmset zu tun hat. Anstelle von interessanten Einblicken hatte Autor Drew Pearce eben doch nur unverfänglichen Spaß im Sinn.

Fall Guy 2 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Darsteller: Ryan Gosling, Emily Blunt, Aaron Taylor-Johnson, Hannah Waddingham, Teresa Palmer u.a.
Regie: David Leitch
Drehbuch: Drew Pearce
nach der Fernsehserie von Glen. A. Larson
Kamera: Jonathan Sela
Bildschnitt: Elísabet Ronaldsdottíer
Musik: Dominic Lewis
Stunt Designer: Chris O’Hara
Stunt & Fight Coordinator: Sunny Sun, Jonathan Eusebio, Keir Beck
Produktionsdesign: David Scheunemann
USA / 2024
126 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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