BROKER – Familie gesucht

Broker - Copyright PLAION PICTURESBEUROKEO
a.k.a. BROKER
– Bundesstart 16.03.2023

Dong-soo arbeitet in einer Kirche, die sich um verlassene Babys kümmert, und diese gegebenenfalls bis zu einer möglichen Adoption groß zieht. Selbst als Waisenkind aufgewachsen, will Dong-soo diesen Kindern das gleiche Schicksal ersparen, welches mit einer unberechenbaren Zukunft durch behördlich ausgewählte Adoptiveltern einhergeht. Sein Partner ist Sang-hyun, der eigentlich eine Reinigung besitzt. Ab und an entnehmen sie, vornehmlich Nachts, Kleinkinder aus der Baby-Klappe der Kirche. Dong-soo löscht das Material der Überwachungskamera, und Sang-hyun stellt die Kontakte zu potentiellen Adoptiveltern her. Beide ziehen aber ausschließlich nette und fürsorgliche Paare in Betracht, die perfekte Eltern wären, aber die behördlichen Stolpersteine eventuell nicht meistern würden. Es ist eine banal klingende Prämisse, die der japanische Filmemacher Hirokazu Kore-eda für seine Protagonisten bereithält.

Und diese banal klingende Prämisse ist tatsächlich erst der Anfang einer eigentlich, salopp ausgedrückt, fragwürdigen Geschichte. Eigentlich. Fragwürdig, weil die illegalen Baby-Händler nicht uneigennützig, aber in bester Absicht agieren. Fragwürdig, weil die junge Mutter So-young ihr Baby erst im Stich lässt, dann aber ein Mitspracherecht an der Auswahl der zukünftigen Eltern einfordert. Fragwürdig, weil das schwerwiegende Verbrechen des Menschenhandel scheinbar entkriminalisiert werden soll.

Eigentlich. Denn Kore-eda, oft auch Koreeda geschrieben, hat nicht die Vergehen im Vordergrund, sondern nutzt diese lediglich als Grundlage für seine erzählerische Kernkompetenz – das menschliche Wesen mit seinen Schwächen und Liebenswürdigkeiten. Die Goldene Palme in Cannes 2018 für MANBIKI KAZOKU – SHOPLIFTERS gab es nicht aus Versehen. Nach LA VÉRITÉ – LEBEN UND LÜGEN LASSEN, für den Koreeda zum ersten Mal außerhalb seiner Heimat Japan und in einer anderen Sprache drehte, hat es den Filmemacher für BROKER nach Südkorea verschlagen.

Su-jin und Detective Lee von der Polizei haben die Gauner und ihre unverhoffte Partnerin längst unter Beobachtung, und warten nur sie in Flagranti bei einem abgeschlossenen Handel dingfest machen zu können. Bae Doona und Lee Joo-young sind in ihren unterschiedlichen Charakterzügen, aber wortlosen Einvernehmlichkeit schlichtweg hinreißend. Auch bei diesen beiden schimmert sehr schnell durch, dass diese Observation nicht einfach nur ein Job ist. Sie werden nicht zu Verbündeten der Menschenhändler, soweit geht Koreedas dann doch nicht, aber bekommen ein Verständnis von deren Absichten.

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Das Gerücht ist in der Welt, dass Hirokazu Kore-eda diesen Film in Südkorea wegen Song Kang-ho drehen wollte. Trotz THE HOST, SNOWPIERCER (Film), oder PARASITE wird der vielfach ausgezeichnete Darsteller in Europa nach wie vor kaum wahrgenommen. Im asiatischen Kino allerdings, ist Song Kang-ho eine feste Größe, und seine charmante Wesensart in BROKER zeigt auch wieder einmal warum. Nur das ihm Gang Dong-won als verbrecherischer Partner Dong-soo und Lee Ji-eun als Rabenmutter So-young in nichts nachstehen. Mit den sehr gut aufgelegten Darstellern gelingt es BROKER, dass alle Figuren gleichwertig wichtig werden.

Es ist ihre nach außen hin getragene Ruppigkeit, und dennoch merkliche Verletzlichkeit, welche die Figuren allesamt so nahbar und ehrlich macht. Langsam aber stetig führt Koreeda seine Protagonisten zusammen, indem er ihre zunächst unbestimmten Sehnsüchte nach und nach auffächert. Selbst die Polizistinnen werden Teil dieser Einheit, die einer Familie am nächsten kommt. Der vielbeschäftigte, weil virtuose Kameramann Hong Kyung-pyo hat auch für Broker ein stimmiges Konzept gefunden, das mit klaren Bildern und ungekünstelten Einstellungen die einnehmend herzliche Atmosphäre der Erzählung unterstützt.

Koreeda braucht keine Aufregung, keine Spannungsmomente, er überrascht eher mit seinem ruhigen Handlungsablauf. Nach einem dem Thema eigentlich angemessenen Kräftezehren zwischen Gut und Böse, Schuld und Sühne, Eigennutz und Selbstaufgabe sucht man bei BROKER vergebens. Keine der Figuren ist im Charakter schlecht, keine beweist sich als Engel. Dong-soo und Sang-hyun sind ganz sicher naiv in der Umsetzung ihres Anliegens, aber niemals mit krimineller Energie erfüllt.

Am Ende werden sich alle Wege gekreuzt haben, und das Publikum schätzt sich glücklich, das Hirokazu Kore-eda alle Möglichkeiten von konventioneller Dramaturgie umgangen ist. Somit ist Broker auch vom überstilisierten Melodram weit entfernt.  Sollten Bedenken vorherrschen, dass so ein schwieriges und komplexes Thema derart leicht – aber nie leichtfertig – behandelt wird, sollte man sich der eigentlichen Intentionen des Filmemachers versichern. Es ist ein erfrischender Blick auf das Gute in den Menschen, auch wenn diese sich schwer tun, den falschen Weg darin zu erkennen.

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Darsteller: Song Kang-ho, Gang Dong-wo, Bae Doona, Lee Ji-eun, Lee Joo-Young, Im Seung-soo u.a.
Regie & Drehbuch & Bildschnitt: Hirokazu Kore-eda
Kamera: Hong Kyung-pyo
Musik: Jung Jae-il
Produktionsdesign: Lee Mok-won
Südkorea / 2022
129 Minuten

Bildrechte: PLAION PICTURES
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