DR. SEUSS‘ LORAX

Im Allgemeinen spricht man beim Künstlernamen von Doktor Seuss das E und U wie ein langgezogenes U aus.  Der Dichter, Autor und Karikaturist hingegen gab stets preis, das E und U in seinem Namen werde wie ein O und ein langgezogenes I ausgesprochen. Diese Information mag nur für wenige Personen von Interesse sein, aber es ist von keinerlei Bedeutung für den Film von Chris Renaud und Kyle Balda. Renaud fiel mit der Regie für ICH, EINFACH UNVERBESSERLICH auf, Balda hingegen war schmückendes Regie-Beiwerk bei TOY STORY 2 oder auch MONSTER INC.. Illumination Entertainment und Universal Pictures haben LORAX umgesetzt, und das sagt schon wesentlich mehr darüber aus, was es mit einer filmischen Umsetzung von LORAX auf sich haben mag. Der letzte Animationsfilm von Universal war ICH, EINFACH UNVERBESSERLICH, ein Spaß, der von seiner Geschichte her überzeugte, in seiner visuellen Umsetzung allerdings viel zu abstrakt war. Diese losgelöste Form der visuellen Ausarbeitung ist allerdings schon von Dr. Seuss‘ Vorlage vorgegeben, und die Produzenten wollten sich unbedingt an dessen Illustrationen orientieren. Was sich auf den ersten Blick wie ein optisches Alleinstellungsmerkmal ausnimmt, ist nur zufällig identisch mit Universals vorangegangenem Animationsfilm und dem Design des jetzigen Blockbusters.

Thneed-Ville ist ein zauberhaftes Städtchen, so sauber, so aufgeräumt. Und kein Grün, das mit welken Blättern die Straßen verschmutzt, oder Erde, die man aus Versehen an den Schuhen in die Wohnung bringen könnte. Alles aus Plastik, und alles steril. Es ist wundervoll. Nur die junge, äußerst attraktive Audrey würde für ihr Leben gern einen richtigen Baum sehen. Und weil Ted unheimlich verknallt in Audrey ist, gibt es für ihn nur einen Weg, wie er seine Liebe zu Audrey zeigen kann.

Die Beziehung von Ted und Audrey bildet die Rahmenhandlung, die in weiten Teilen nicht aus der Feder von Dr. Seuss stammt. Aber Ted trifft, auf seiner Suche nach den letzten Bäumen, auf den verstoßenen Einsiedler Once-ler. Und der Once-ler wird Teds Fragen beantworten, wenn dieser bereit ist, sich die Geschichte des Once-lers anzuhören. Die Geschichte von Once-ler und dem Lorax, dem Fürsprecher der Bäume.

Von Anfang an dreht LORAX voll auf. Dies ist kein Familienfilm. Das ist knallbuntes, auch sehr lautes, dafür stets schräges Kinderkino. Es gibt nur sehr vereinzelt kulturelle Referenzen, die sonst für die älteren Zuschauer willkommene Abwechslung bieten oder ausgewogene Unterhaltungsebenen für alle Altersgruppen zeigen. Die Vorlage des Films ist ein Kinderbuch, und nichts anderes haben die Produzenten bei dieser aktuellen Filmversion im Sinn gehabt. Sehr bunt, ständig in Bewegung, unrealistisch ausufernde Kulissen, verschobene Perspektiven und proportional verzerrte Figuren und Gegenstände. Selbst die in der Geschichte verschwundenen Truffula-Bäume verweigern ihre Referenz zu realen Pflanzen.

Der eigentliche Kinderspaß könnte mitunter dann doch zur Erwachsenenfreude werden. Denn gerade in den englischsprachigen Ländern ist man mit den verschrobenen Reimen und den eigenwilligen Illustrationen von Kindesbeinen an groß geworden. Der LORAX wird aus dem Kinderkino auch zu einer wundersame Zeitreise für jung gebliebene Erwachsene. Aber der LORAX ist nicht nur schräge Unterhaltung, sondern auch ein mit Schwächen belasteter Knallbonbon. Einige überflüssige Songeinlagen stören dabei weniger, als die dem eigenen Stoff zuwiderhandelnden Attitüden. Ausgerechnet in der vom Original losgelösten Rahmenhandlung machen sich Ted und Audrey über die sprachlichen Besonderheiten der Vorlage lustig. Muss das denn sein, dass man sich als Rechtfertigung für eine vielleicht zeitlich überholte Vorlage darüber einfach lustig machen kann, um dennoch finanziellen Vorteil daraus zu schöpfen? Dieser Kritikpunkt mag sich engstirnig und konservativ ausmachen, doch so eine Art der Auseinandersetzung wirkt nur bedingt zeitgemäß und zeugt eher von Unsicherheit der Macher gegenüber ihrer Bezugsquelle. Zumindest war es eine künstlerische Fehlentscheidung, sich zum einen streng an die Vorlage zu halten, aber auf der anderen Seite schlauer als diese Vorlage sein zu wollen.

Wer an überladener Fröhlichkeit und grellbunter Moralstudie Spaß finden kann, ist bestens bei DR.SEUSS‘ LORAX aufgehoben. In der stereoskopischen Ausführung ist der LORAX zudem eine wilde Achterbahnfahrt, bei der keine Möglichkeit ausgelassen wird, 3-D-Effekte auf das Publikum loszulassen. Seien es ein Regen aus Marshmellows oder niedliche Bärengesichter, die sich auf die imaginäre Kamera zubewegen. Endlos scheinende Verfolgungsjagden, die aus subjektiver Sicht umgesetzt wurden, oder wilde Flüge über blühende und gerodete Landschaften. Das ist Kinderspaß der besonderen Art. Ein schräger Film, gepaart mit dem unterhaltsamsten Einsatz von modernsten cineastischen Errungenschaften.

Vielleicht, aber nur vielleicht, ist LORAX ein gelungener Film. Aber dazu muss man gerade als Erwachsener bereit sein, sich auf einiges einzulassen. Die Moralpredigt ist absehbar und nicht im Geringsten subtil, die Optik grell und überladen, das Tempo aberwitzig und darauf bedacht, keine Lücken in der Aufmerksamkeitspanne zu lassen. Es ist eben ein Film nach Dr. Seuss – und genau so umgesetzt. Seuss, mit O und langgezogenem I. Nur, damit diese Zeilen mit etwas Lehrreichem enden.

„Es geht nicht darum, was es ist, es geht darum, was daraus werden kann.“ Dr. Seuss

Sprecher: Lorax – Danny DeVito, Ted Wiggins – Zac Efron/Jannik Schümann, Audrey – Taylor Swift/Yvonne Greitzke, Once-ler – Ed Helms/Florian Halm, O’Hare – Rob Riggle/Olaf Reichmann, Großmutter – Betty White/Barbara Adolph, Mutter – Jenny Slate
Regie: Chris Renaud, Kyle Balda
Drehbuch: Ken Daurio, Cinco Paul nach Dr. Seuss
Bildschnitt: Claire Dodgson, Steven Liu, Ken Schretzmann
Musik: John Powell
Produktionsdesign: Yarrow Cheney
Stereoskopie-Supervisor: John R.A. Benson
USA / 2012
zirka 86 Minuten

Bildquelle: Universal Pictures / Universal International Pictures
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