DVD/Blu-ray: YOU SHOULD HAVE LEFT

You Should Have Left 1 - Copyright UNIVERSAL PICTURESYOU SHOULD HAVE LEFT
– auf DVD / Blu-ray

Vor einigen Jahren etablierte sich der Begriff der Apatow-Schmiede. Es sind Komödien, die stark über die Stränge schlagen, immer perfekt mit den passenden Darstellern besetzt sind, ein Publikum hauptsächlich über dem Teenager-Alter ansprechen, und sich trotz aller Geschmacklosigkeiten tatsächlich durch Tiefgang und Gehalt auszeichnen. Haben sich Erwachsene oder junge Erwachsene in den letzten Jahren mit zügellosem Humor unterhalten, dann war es meist aus der Schmiede von Judd Apatow. Geschrieben, inszeniert, oder produziert, oder gleich alles zusammen. Diese Begrifflichkeit findet nun auch im Horrorgenre mit der Blumhouse-Schmiede eine angemessene Verwendung. Produzent Jason Blums Qualitätsmerkmale: Experimentierfreude, Budgets über dem Sparten-Standard, überzeugende Variationen mit Versatzstücken des Genres, und Besetzungen mit namhaften Persönlichkeiten von außerhalb der Horrorschiene.

Einst war der mittlerweile in die Jahre gekommene Theo ein angesehener Banker. Ein Unglück für das er fälschlicherweise angeklagt war, hat seinen Ruf ruiniert und ihn aus der Bahn geworfen. Die Ehe mit der um einige Jahre jüngeren Susanna, und selbst die gemeinsame sechsjährige Tochter, scheinen seinem Gemütszustand wenig zuträglich. Zudem leidet Theo unter gerechtfertigter Eifersucht. Kurz entschlossen mietet die dreiköpfige Familie ein Haus in der walisischen Provinz, um ihre Ehe auf Vordermann zu bringen und Abstand von ihrer Umwelt zu gewinnen. Doch das Haus, oder irgendetwas darin, hat etwas anderes für die Drei vorgesehen.

Es sollte nicht verwundern, wenn sich der Plot nach einem altbekannten Muster anhört. Weil es genau das ist, aber ganz offensichtlich auch sein will, und muss. YOU SHOULD HAVE LEFT macht im Grunde alles richtig. Und YOU SHOULD HAVE LEFT macht aber auch einiges falsch. Es ist die erste Verfilmung eines Romans von Daniel Kehlmann außerhalb Deutschlands. Und man möchte glauben, dass dieser Roman bei diesem Produzenten, dem Drehbuchautoren und Regisseur, und dieser Besetzung, in den richtigen Händen sein müsste. Nach der Liste von Drehbüchern welche Regisseur David Koepp bisher verfasste, konnte YOU SHOULD HAVE LEFT nur eine sichere Sache sein.

Wie jeder gute Horrorfilm, nimmt sich auch dieser Zeit. Man möchte schon behaupten, dass dies ein Blumhouse-Prädikat ist. Denn die Zeit ist gut genutzt. Die Charakterexposition führt sehr eindringlich vor Augen, wo und wie es innerhalb der Familie stockt. Die Figuren werden nicht einfach in die Terrorfalle geworfen, es ergibt sich alles sehr schlüssig. Theos ausgeprägte Depression, der Verdacht auf Susannas Untreue. Die Drei nehmen viel mit in das anfangs unscheinbare Haus. Und dem Zuschauer bleibt einiges, worauf er seine eigenen Theorien bauen kann.

Schon die emotionalen Stimmungen zu Beginn sind sehr spannend, eben auf eine andere Weise. Doch dann kommen die bewegten Schatten wo keine sein dürften, Konturen im Dunklen, die sich plötzlich bewegen, oder Spiegelbilder mit Eigenleben. David Koepp weiß wie man Atmosphäre schafft und Gänsehaut erzeugt. Das tut er hervorragend. Obligatorische Jump-Scares sind selbstverständlich, allerdings sehr mager eingesetzt, und entgegen dem üblichen Horror-Einerlei, ausnahmsweise verhältnismäßig und fundiert.

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Anderorts möchte man YOU SHOULD HAVE LEFT immer mit der ersten Koepp und Bacon Zusammenarbeit ECHOES vergleichen. Das gelingt aber wirklich nur geringfügig, und tut keinem der beiden Filme wirklich einen Gefallen. Beide haben jedoch eines gemein, und das ist Kevin Bacons inhaltlich perfektes Spiel. Sein Theo schwankt stets zwischen Verzweiflung und angehendem Wahnsinn, ohne das dies mit überzogenen Reaktionen ausgespielt wird. Im Gegenteil, an einer die Handlung bestimmenden Sequenz ist er derart gegenläufig pragmatisch, dass es den Gruselfaktor sogar noch erhöht.

Die Atmosphäre wird schließlich so dicht, dass selbst in der Auflösung des längst bekannten Rätsels über die eigentliche Größe des Hauses noch Schauer über den Rücken jagen. Aber warum will der eigentlich sorgsam und effektiv, wie effizient umgesetzte Film nicht richtig zünden? Er funktioniert, sogar außerordentlich stimmungsvoll. Doch auf dieser Strecke hat der Beobachter noch einiges an Last zu tragen, das er nicht los zu werden scheint. Warum würde Susanna fremd gehen? Wieso wird der Altersunterschied stets so vehement hervorgehoben? Was macht Theo so passiv?

Die Offenbarung um das Geheimnis des Hauses bietet eine fadenscheinige Erklärung, welche aber zu diesem Zeitpunkt kaum noch Wirkung zeigt, oder Relevanz besitzt. Die Substanz hat sich verflüchtigt, in dem sich die Gewichtung bereits in der ersten Hälfte einseitig verschoben hat. Was dem Zuschauer bleibt ist immer noch ein sehr spannender, wirklich gruseliger Thriller. Aber es bleibt auch das stete Gefühl entlang des Weges, dass an entscheidenden Stellen viel mehr an inhaltlicher Stringenz und essenzieller Bedeutung möglich gewesen wäre.

Das ist die hundertvierzigste Produktion für Jason Blum, der das Horrorgenre zweifellos für sich vereinnahmt hat. Weitere 31 Filme und TV-Serien sind bereits in Produktion, oder bereits gelaufen. Das ist erstaunlich, ist bewundernswert, und weckt Vorfreude. Es versteht sich von selbst, dass darunter einige filmische Missgeschicke fallen. Aber eben auch nicht wenige Instant-Klassiker. Und mittendrin Filme wie YOU SHOULD HAVE LEFT. Nicht bahnbrechend, aber ohne weiteres einen Besuch wert.

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Darsteller: Kevin Bacon, Amanda Seyfried, Avery Tiiu Essex, Colin Blumenau, Lowri Ann Richards, Joshua C. Jackson, Eli Powers
Regie & Drehbuch: David Koepp
nach dem Roman von Daniel Kehlmann
Kamera: Angus Hudson
Bildschnitt: Derek Ambrosi
Musik: Geoff Zanelli
Produktionsdesign: Sophie Becher, Megan Elizabeth Bell
Großbritannien – USA / 2020
93 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL PICTURES
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