Judd Apatows THE BUBBLE

Bubble - Copyright NETFLIX– Netflix seit 01.04.2022

Diese Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten,
können wohl die wenigsten Filme in Anspruch nehmen, die von Judd Apatow geschrieben, inszeniert, oder produziert wurden. Jedenfalls in dem Ausmaß, immerhin waren die Dreharbeiten zu JURRASIC WORLD 3 Vorbild für die Ausgangssituation in THE BUBBLE. Selbst während einer katastrophalen, weltweiten Pandemie müssen Filme gedreht werden, dass verlangen nicht nur die Investoren aus der Filmindustrie, sondern auch das eingesperrte Publikum von selbst produzierenden Streaming-Diensten. Damit gewinnt THE BUBBLE schon etwas Metaphysisches – ein Film, über einen Film der unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen inmitten der Pandemie gedreht wird, wird unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen inmitten eben jener Pandemie gedreht.


Natürlich fallen Bemerkungen über Sinn und Unsinn einen Film unter solchen Bedingungen zu drehen, das liegt in der Natur des Themas. Aber BUBBLE will nicht als Kommentar zu eben jenem Thema verstanden werden, es wäre auch heuchlerischer Wahnsinn. Es hat den Anschein als wolle der Film ohnehin keine wirkliche Geschichte erzählen, obwohl jeder einzelne seiner illustren Charaktere für sich genug Potential für abendfüllende Erzählungen hätte. Getragen werden diese Figuren allerdings nicht von einer fein vorformulierten Zeichnung, sondern allein von der ungebändigten Spielfreude ihrer Darsteller, und den meisten improvisierten Wortwechseln.

Natürlich gibt es so etwas wie ein Handlungsgerüst, das durch die Produktion von Teil 6 der CLIFF BEASTS-Filme gegeben ist. Eine stupide Fantasy-Reihe mit fliegenden Dinosauriern. Die Schauspieler sind zusammen in einem Hotel untergebracht, das als geschlossene BLASE jeden pandemischen Einfluss von draußen fern halten soll. Das beginnt schon einmal mit zwei Wochen Zimmer-Quarantäne, die in einer aberwitzigen Montage die Auswüchse von Isolation bebildert. Szenen, die gar nicht mehr so komisch sind oder fremd erscheinen, wenn man selbst Einzel-Quarantäne erfahren musste.

Die in Ungnade gefallene und abgehandelte Carol. Der von Sex und Drogen abhängige Dieter. Sean hat seine eigene Wellness-Linie gegründet, die er selbst nicht versteht. Dustin ist der überalterte Darsteller, der ständig glaubt das Drehbuch umarbeiten zu müssen. Die psychotische Lauren, von Dustin geschieden, aber noch immer verliebt. Mit einem auf den iPhone gedrehten Film hat Regisseur Darren bei Sundance gewonnen, und soll seinen Hollywood-Einstand geben. Und als TikTok-Influencerin soll Krystal ihre unzähligen Follower ins Kino locken.

Damit ist die Liste der schrägen und doch so vertrauten Figuren lange nicht abgeschlossen. Judd Apatow wirft alles in BUBBLE was in den von ihm geschriebenen, inszenierten, oder produzierten Filmen schon einmal funktionierte oder für Lacher gesorgt hat. Dabei wiederholt er sich aber kein einziges Mal. Doch er verzichtet auf jede Art von Linie, Konzept, oder kohärente Atmosphäre. In Sachen Humor deckt er alle, aber auch wirklich alle Facetten ab. Schlechter Fäkalhumor ist da genauso vertreten, wie intellektuelle Feinsinnigkeiten. Lautstarke Schenkelklopfer und zustimmendes Gekicher.

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Zweifellos sind die originellsten und witzigsten Szenen, die Dreharbeiten vor der Greenscreen und die Schnittwechsel zwischen fertigen Filmszenen und den Aufnahmen ohne Effekte. In diesem Rahmen bleibt die Sequenz in der Bergwand unangefochtener Höhepunkt. Es gibt zuhauf Insider-Witze, bezogen auf reale Personen aus der Filmindustrie, oder Produktionsanekdoten von anderen Hollywood-Streifen. Es gibt aber auch immer wieder TikTok-Tanzvideos mit dem im Hotel eingeschlossenen Ensemble.

Alle Bereiche werden humoristisch abgedeckt, und einem homogenen Fluss in der Handlungsstruktur ist eine klare Absage erteilt worden. Mit einem neuen Chef an der Spitze der Sicherheitsfirma wird dann auch der Bogen überspannt, was sich aber immer wieder sehr schnell egalisiert. Wer Apatows Co-Autorin Pam Brady kennt, weiß aus welcher Ecke die derbsten Sprüche und absonderlichsten Einfälle kommen. Dazu strahlt der Film mit einem erstklassigen Produktionsdesign und einer exzellenten, technischen Umsetzung. Netflix ist nicht der spendierfreudigste Investor, und dafür sieht THE BUBBLE überragend aus.

Judd Apatow hat das schwächelnde Komödien-Genre vor 20 Jahren mit der Mischung von anzüglichem Witz, aber herzlichen Charakteren neu belebt, und vulgären Humor im Mainstream-Kino hoffähig gemacht. Sehr schnell hat sich der Name Apatow als Begriff etabliert. Und genauer betrachtet müssten die einleitenden Worte dieses Textes relativiert werden, weil alle Themen, Figuren und oftmals improvisierten Dialoge doch einen sehr realistischen Anstrich haben. Seine vorangegangene Regiearbeit KING OF STATEN ISLAND ist ein Meisterwerk an mit Humor durchsetzter Lebensrealität.

Ein Mensch so lange und erfolgreich im Geschäft, auch als Stand-up-Comedian, hat viel zu sagen Und er tut es auch. Mit seinen 126 Minuten ist THE BUBBLE viel zu lang, selbst bei der Fülle von thematischen Vorgaben an denen er sich zur Freude des Zuschauers abarbeitet. Produzenten, Schauspieler, die Pandemie, die Industrie im Allgemeinen, das Geschäft im Detail, Politik, soziale Medien, Influencer*innen, Drogen, Kreativität im Film, moralische Werte, menschliche Überheblichkeit.

Es gibt viele aufgeworfene Fragen, die aber nicht beantwortet werden. Eben die Kernfrage nach der Sinnhaftigkeit von Drehs während der Pandemie, zum Beispiel. Vielleicht geht es ja auch darum, aber eigentlich kann es auch vollkommen egal sein. THE BUBBLE kann man eigentlich nur unter der Voraussetzung sehen, dass er einfach Spaß machen soll. Dinosaurier beim TikTok-Tanz sehen, und Benedict Cumberbatch als Drogen-Vision erleben. Es gibt anderweitig genügend intellektuelle Anreize. Und das hier ist eben reines Vergnügen. Das darf doch auch einmal sein.

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Darsteller: Karen Gillan, Iris Apatow, Pedro Pascal, David Duchovny, Leslie Mann, Keegan-Michael Key, Fred Armisen, Daisy Ridley, Kate McKinnon, Harry Trevaldwyn, Guz Khan, Peter Serafinowicz, Maria Bakalova u.a.
als sie selbst: Beck, James McAvoy, John Cena, Bendict Cumberbatch

Regie: Judd Apatow
Drehbuch: Judd Apatow, Pam Brady
Kamera: Ben Smithard
Bildschnitt: Dan Schalk, James Thomas
Musik: Andrew Bird
Ausstattung: Neal Gallow, Paul Ghirardani
USA / 2022
126 Minuten

Bildrechte: NETFLIX
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