CATCH THE KILLER

To Catch a Killer 2 - Coyright TOBISTO CATCH A KILLER
– Bundesstart 05.10.2023
– Release 21.04.2023 (US)

Preview zum Kinofest 09.09.2023
Es gibt diese Filme, die wegen ihrer inhaltlichen Ähnlichkeit zu anderen immer wieder durch-gekauten Erfolgsrezepturen, einfach keinerlei Beachtung finden. TO CATCH A KILLER ist einer dieser ignorierten Filme. Dabei müsste der Name von Damién Szifron mit seinem Film WILD TALES einige Alarmglocken läuten lassen. Die Satire mit ihren bitterbösen Meucheleien war im Heimatland Argentinien ein einzigartiger Erfolg, der sich durch die starke Resonanz auf den Weltmarkt übertragen hatte. WILD TALES ist neun Jahre her, und nach dieser  Zeitspanne macht Szifron ausgerechnet einen ur-amerikanischen Thriller. Die Frage nach dem Warum ist leicht zu erklären. Damién Szifron schafft es, dieser Art des Thriller mit anders gelagerten Schwerpunkten eigenständige Perspektiven abzuringen.

Ein Massenmörder tötet in einer Silvester-Nacht vom erhöhten Standpunkt eines Hauses 29 Menschen. Das besonnene Handeln der jungen Polizisten Eleanor Falco nach dem Tathergang, fällt dem leitenden FBI-Agenten Lammark auf. Lammark steht unter Druck, von Seiten der Öffentlichkeit und der Politik. In dieser schwierigen Lage bleibt ihm nur das Vertrauen in seinen Kollegen McKenzie, weshalb er Falco in sein Drei-Personen-Team holt. Er versteht ihre Ambitionen und Instinkte richtig einzuschätzen. Aber Falco ist eine Frau mit schwieriger Vergangenheit, was den Druck auf Lammark zusätzlich erhöht.

TO CATCH A KILLER weckt starke Erinnerungen an jene kurze Phase von Thrillern wie DER KNOCHENJÄGER oder IM NETZ DER SPINNE. Auf der Jagd nach einem Serienmörder, nimmt ein alterndes Genie als Mentor eine unerfahrene, aber ehrgeizige Anwärterin unter seine Fittiche. Diese Konstellation funktioniert auch hier, und das überragend, mit dem leider zu wenig beschäftigten Ben Mendelsohn und der ausdrucksstarken Shailene Woodley. Wobei Jovan Adepo sehr charismatisch, immer im richtigen Moment als sehr präsenter Jack McKenzie die moralische Stütze bildet.

Mit dem überzeugend eindringlichen Darsteller-Trio, mit primärem Schwerpunkt auf Woodley und Mendelsohn, wird die eindringliche Spannung auch auf die Figuren fixiert. Der Mörder spielt zuerst eine untergeordnete Rolle, weil der Film sich viel mehr auf die Arbeit und die Probleme der Polizei selbst ausrichtet. Das klassische Gut gegen Böse Szenario, in dem es zwischen den Figuren persönlich wird, spart sich Regisseur Szifron für den dritten Akt auf. Aus gutem Grund. Denn das der Film in die gewöhnliche Form des Spannungskinos abgleiten würde, erweist sich am Ende als wohltuend irrige Annahme.

Szifron zeigt wenig Interesse für grafische Gewalt, hier ist sie eher psychologisch. Er platziert die Morde in ausladende Bilder, inmitten von fröhlich feiernden Menschenansammlungen. Nicht die Tat selbst, sondern der Effekt auf das zuerst noch ausgelassene Umfeld, vermittelt ein Ahnung von den Auswirkungen dieses unmittelbaren Terrors. Es sind eindrucksvolle Szenen, die es schaffen ohne technische oder musikalische Unterstützung, ein beengendes Gefühl von Unbehagen zu implementieren. Die nüchtern scheinende Gestaltung, schafft eine ausgeprägtere, emotionale Bindung zu den Figuren.

To Catch a Killer 1 - Coyright FilmNation Entertainment

 

Der Regisseur zeichnet komplexe Charaktere, die nur Schicht für Schicht Einblicke in ihr Wesen gewähren. Mit jedem Schritt in den Ermittlungen, scheint auch ein tieferer Blick in ihre Geschichte verbunden zu sein. Woodley und Mendelsohn brauchen dazu keine sperrigen Dialoge oder gefühlsduselige Interaktionen. Sie haben genügend Raum, sich durch ihr intensives Spiel selbst zu erklären. Aber auch in den Charakterszenen vergisst Damién Szifron nie das Spannungsmoment. Der Killer schlägt ein zweites Mal zu, wieder ohne die geringste Spur. Doch die eigentlichen Konflikte entstehen in den eigenen Reihen.

Sonst treibt das akribische Puzzlespiel von Hinweisen und Vermutungen, die Spannung nach oben, unterstützt mit eingestreuten Action-Einlagen durch falschen Fährten. Der Film des Argentiniers konzentriert sich auf die sehr gerne und sehr oft vernachlässigte Intensität von realer Polizeiarbeit. Die Amokläufe bekommen eine neue Dimension, weil auch die unmittelbaren Auswirkungen auf die Beamten deutlich werden, die nur nach außen hin immer gefasst und professionell scheinen. Der erfolgreichen, auf Instinkten beruhenden Arbeit, steht ein ständiges Abwägen der eigenen Strategien im Weg.

Für Lammark, Falco und McKenzie bedeuten zwei Schritte vorwärts auch immer wieder einen Schritt zurück. Kompetenzgerangel. Abteilung gegen Abteilung. Politik gegen die Ermittler. Immer wieder bremsen Entscheidungsträger aus politischer Berechnung die richtigen, aber unbequemen Methoden aus. Der Regisseur treibt den Puls ungemein in die Höhe, weil er sein Trio immer wieder mit abschätzendem Kalkül taktieren lassen muss. Die Figuren nehmen das nach außen mit professioneller Kühle hin, aber die Darsteller machen sehr subtil deren Frustration und Zorn auf der Leinwand spürbar.

CATCH THE KILLER gehört zu jenen speziellen Auslegern des Genres, die in der Vergangenheit kaum noch überraschen konnten. Damién Szifron weiß die Standards sehr genau zu bedienen. Aber noch viel raffinierter ist Szifron darin, die Klischees und Versatzstück  geschickt außerhalb der konventionellen Bahnen zu führen. Der alternde Mentor und die ambitionierte Schülerin haben wieder jemanden gefunden, der sie als Figuren  sehr interessant und die Geschichte überaus spannend neu zu erzählen versteht.

To Catch a Killer - Coyright FilmNation Entertainment

 

Darsteller: Shailene Woodley, Ben Mendelsohn, Jovan Adepo, Ralph Ineson, Richard Zeman, Dusan Dukic u.a.
Regie & Bildschnitt: Damián Szifron
Drehbuch: Damián Szifron, Jonathan Wakeham
Kamera: Javier Julia
Musik: Carter Burwell
Produktionsdesign: Jason Kisvarday
USA, Kananda / 2023
119 Minuten

Bildrechte: FilmNation Entertainment / Tobis
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