BEAST – Jäger ohne Gnade

Beast - Copyright UNIVERSAL STUDIOS– Bundesstart 25.08.2022

Nate Samuels war nicht da als die Frau starb und die Kinder ihn brauchten. Er ignorierte die Vorzeichen und fand genug Ausreden. Als Art Wiedergutmachung, fliegt er nun mit den Teenager-Töchtern Meredith und Norah nach Südafrika. Im Wildreservat, geleitet von Freund und Biologen Martin Battle, will man bei einer Safari auch das Dorf besuchen aus dem die Mutter stammte. Doch dort findet die Gruppe alle Bewohner ermordet auf. Gerissen von einem sogenannten Spitzenprädator, wie Martin Battle mutmaßt, einem Löwen im Blutrausch.
Die erste halbe Stunde der ohnehin sehr kurzen 93 Minuten sind eine starke und glaubwürdige Exposition der Verhältnisse zwischen den Figuren. Die Regie lässt sich Zeit, aber keine verschwendete Zeit. Denn BEAST kann mehr als nur Action-Abenteuer.

Ein Film mit dieser Prämisse kann nur mit einem Namen wie Idris Elba erheblich mehr Aufmerksamkeit bekommen, darin besteht kein Zweifel. Ein Amok laufender Löwe, der aus von Menschen initiierter Rachsucht alles tötet, was zur selben Spezies gehört, ist wahrlich weit von originell. Und doch haben Ryan Engle und Jaime Sullivan sehr gute Ansätze gefunden, das spartanische Szenario mit sehr bodenständigen Charakterzeichnungen vielschichtig anzulegen. Selbst mit dem Klischee entfremdeter Familienmitglieder.

Regisseur und Spezialist für leicht neben der Schiene laufender Action, Baltasar Kormákur, war sich merklich bewusst, was dieser Stoff erfordert. Der Soundtrack von Steven Price ist es jedenfalls nicht. Was man hört ist Untermalung im wahrsten Sinne. Ein Musikteppich, der nicht enttäuscht und diverse Passagen stimmungsvoll, der vorgegebenen Atmosphäre angemessen einbettet. Aber was BEAST besser vertragen hätte, wäre ein auffälligeres, und damit eindringlicheres Thema für die Bestie.

Was dieser Stoff erfordert, sind Alleinstellungsmerkmale, die Kormákur mit dem Casting und in der Bildgestaltung gefunden hat. Als verständnisvoller Freund ist Sharlto Copley perfekt. Bei dem gebürtigen Südafrikaner glaubt man förmlich die Seele für seine Sache zu spüren. Wenn Copley handlungsrelevante Merkmale von Löwen und ihren Rudeln von sich gibt, fügt sich das im Plauderton ganz natürlich in den Dialog. Als ruhender Pol lässt Copley keine Zweifel, dass dieser Charakter glaubwürdig und echt ist.

Gegenüber steht Nate Samuels, zerrissen, unsicher, von Selbstzweifel geplagt. Elba zeigt uns keine Heldenfigur, sondern nutzt seine imposante Physis und charismatische Aura, um dies mit ständiger Vorsicht und manchmal blanker Angst zu konterkarieren. Wenn sich Nate der Bestie stellt, sieht man ihm an, dass es nicht Mut oder Opferbereitschaft ist. Es ist ein Reflex. Seit dem Tod seiner Frau ist er schon der Gejagte, weil er die Bindung zu seinen Kindern nicht auch noch verlieren darf.

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Der Regisseur hat sich darauf verlassen, dass Idris Elba für seine komplexe Figur keine fein ziselierten Dialoge braucht. Und Kormákur wird darin bestätigt, wenn sich bei Elba in den physischen Auseinandersetzungen mit dem Löwen, seine psychologischen Herausforderungen mit der Familie in Geste und Mimik wiederspiegelt. Diese Verzahnung gibt BEAST eine ungewohnte Authentizität, wo anderorts ähnliche Themen grundsätzlich fragwürdig werden. Dennoch sind die wahren Helden von BEAST hinter der Linse zu finden.

Mit Baltasar Breki an der Spitze, hat die Abteilung der Bildgestaltung ein sehr kniffliges Konzept ausgearbeitet. Es ist gut vorstellbar, das Kamera-Veteran Philippe Rousselot die Beauty-Shots der Landschaftsaufnahmen und Safari-Sequenzen übernommen hat. Da wird es wohl Brekis Aufgabe gewesen sein, die differenzierten Gestaltungsentwürfe in eine stimmige Form zu bringen. Denn BEAST zeigt seine Action-Sequenzen in sehr langen und stets bewegten Einstellungen.

Hochachtung gilt da vornehmlich Steadicam-Operator Dale Rodkin, der die Akteure nie aus dem Bild verliert und in der Bewegung immer die richtige Kadrierung behält. Es ist eine immense Leistung, wie Rodkin den Darstellern hinterherläuft, sie überholt, sich wieder zurückfallen lässt, und dabei immer eine klare Verortung für die Zuschauenden bietet. Zu jeder Zeit ist die räumliche Orientierung gegeben und bleiben auch spezifische Details gut erkennbar.

Über 85 Minuten erlaubt sich der Filme keine verwackelnden Bilder. Die Dynamik ist erstaunlich, so dass einem erst viel später bewusst wird, Einstellungen im zweistelligen Sekundenbereich zu erleben. Derartige Vorbereitungen und deren Choreografie sind nicht nur schweißtreibend, sondern auch extrem ambitioniert. Aber genauso auf diese Weise entsteht bei BEAST eine unterbewusst ansprechende Faszination, die das Publikum mitreißt, weil kein Aspekt von Aktion und Reaktion verborgen bleibt.

Nur beim Endkampf in den letzten Minuten, schwächelt der Film mit Effekten und seiner stets soliden Kameraarbeit. Wenn man Baltasar Kormákur vorhalten möchte, dass BEAST mit seiner dünnen Handlung und der vielfach gebrauchten Prämisse die Originalität fehlt, dann ist das durchaus gerechtfertigt. Dem Kampf Mensch gegen Natur neue Qualitäten abzuringen, ist in der Fülle der bereits gebotenen Beispiele einfach undankbar. BEAST hat aber diese besonderen Merkmale durchaus gefunden. Bewundernswerte Merkmale.

Beast 1 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Darsteller: Idris Elba, Iyana Halley, Leah Sava Jeffries, Tafara Nyatsanza und Sharlto Copley
Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: Ryan Engle, Jaime Primak Sullivan
Kamera: Philippe Rousselot, Baltasar Breki Samper
Bildschnitt: Bonnie Lee Bouman, Kim Coleman
Musik: Steven Price
Produktionsdesign: Jean-Vincent Puzos
USA / 2022
93 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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