SAMARITAN

Samaritan - Copyright Metro-Goldwyn-Mayer Pictures– 26.08.2022 bei Amazon Prime

Es ist erstaunlich, dass ein Film wie SAMARITAN überhaupt produziert wird. Schon das Script muss eigentlich alle Anzeichen dargelegt haben, wie dieser Film auch nur im Ansatz von Unterhaltung scheitern muss. Es gibt Debütfilme die scheitern, weil die Erfahrung fehlt. Es gibt fabelhafte Geschichten, wo eine angemessene Umsetzung am fehlenden Budget scheitert. Es gibt Großproduktionen, die scheitern am Anspruch alle Publikumsschichten ansprechen zu müssen. Und es gibt Film, die scheitern einfach daran, weil alles an ihnen falsch ist, was man falsch machen kann. Zu diesen Filmen zählt SAMARITAN. Zuerst könnte man glauben, er wäre das uneheliche Kind von Shyamalans UNBREAKABLE und Peter Bergs HANCOCK. Das würde viele neue und originelle Ansätze mit sich bringen. Aber SAMARITAN ist irgendein Kind, das von UNBREAKABLE oder HANCOCK noch nicht einmal etwas gehört hat.

Bei ihrem alles entscheidenden Kampf sind Superheld Samaritan und Superschurke Nemesis ums Leben gekommen. 20 Jahre sind vergangen, und Granite City versinkt in Armut und Obdachlosigkeit. Bandenboss Cyrus nutzt die allgemeine Unzufriedenheit, um Anarchie zu befeuern und die Herrschaft an sich zu reißen. Währenddessen glaubt der dreizehnjährige Sam in seinem Nachbarn Joe den für tot gehaltenen Samaritan zu erkennen, und drangsaliert ihn, bis dieser sich zu erkennen gibt.

Wer jetzt noch fragt: Ja, das ist einer dieser Filme, wo ein Jugendlicher nur mit einer Mutter aufwächst, und dem die Vaterfigur fehlt. Das einzige Versatzstück was abhanden kommt, und das war sicherlich nur ein Versehen, ist eine anbahnende Beziehung zwischen Mutter und Superheld. Hat der Film doch sonst alles, was zugetane Zuschauer an abgedroschenen Plattitüden, Imitationen und Stereotypen ganz schnell selbst aufzählen können. Und was derselbe Zuschauer schon lange nicht mehr erleben will.

Wieder schreit einer triumphierend, „ich werde dich vernichten, alter Mann“, und „jetzt ist es vorbei“, oder auch „gib endlich auf, du hast keine Chance“. An welchem Punkt diese Sätze fallen, dürfte klar sein. Umrahmt wird das Ganze von Fußsoldaten, die gesehen haben wie 30 ihrer Kollegen gleichzeitig mit Maschinengewehren auf den Samaritan geschossen haben, ohne diesen zu verletzen, aber alleine und mit nur einem Messer versuchen ihn zu…, was auch immer sie sich gedacht haben. Sie denken es zu dutzenden.

Und nicht der Hauch von Ironie in dem ganzen Szenario. Und dies produziert von dem Mann, der THE EXPENDABLES geschrieben, inszeniert und gespielt hat, das Aushängeschild für selbstreferenzielle Actionfilme. Sylvester Stallone hat sich zudem als Darsteller seine zweite Oscarnominierung für einen ROCKY Film verdient. Weil er seiner Figur eine würdevoll altersweise Tiefe geben konnte, die überzeugt und Rocky Balboa trotz 40-jähriger Geschichte noch näher an den Zuschauer bringt.

Jetzt ist dieser Joe eine Figur, den Stallone nicht spielen muss, den er ungekämmt gleich nach dem aufstehen abdrehen kann. Und genau das ist es, dass nicht nur die Figuren aus der Klischee-Kiste geholt und eindimensonal geschrieben sind, sondern keiner der Darsteller in der Lage ist, etwas in seine Rolle einzubringen. Der typisch maulfaule Held, ein nonchalanter Bösewicht, der hysterisch, psychotische Laufbursche, der penetrant nervende Junge von nebenan. Zweifellos eine Herausforderung an die Darsteller, mit der aber keiner etwas anfangen kann.

Samaritan 3 - Copyright Metro-Goldwyn-Mayer Pictures

 

Es ist das, was SAMARITAN in allen Bereichen fehlt. Das Besondere, etwas anderes, sei es nur eine kleine Abweichung vom abgedroschenen Standard. Die Bösen tragen Klamotten in wilder Zusammenstellung aus der Altkleidersammlung. Sie haben schlechte Tätowierungen im Gesicht. Ihre Unterkunft ist eine alte aufgelassene Fabrikanlage, die so richtig schmutzig ist, weil böse Menschen keinen Wert auf Stil oder Sauberkeit legen. In Wirklichkeit sind solche Gebäude sehr billige Locations, die aufwendige Studiobauten ersparen.

Dafür dass eine ganze Stadt im Chaos zu versinken droht, beschränkt sich der Kreis von Beteiligten auf extrem wenige Personen. Es ist hanebüchener Unsinn, wie diese Personen aufeinandertreffen, wie einer auf den anderen schließt, welch absurde Hinweise gesetzt werden, um den Kreis zu vollenden. Wenn der junge Sam eine kaputte Armbanduhr zum Gedenken an seinen Vater trägt, wissen wir, dass er sie am Ende repariert zurück bekommt. Weil SAMARITAN so eine Art Film ist, der durch und durch kalkuliert ist. Aber ohne Herz und Verstand.

Jedes Handlungselement ist durchschaubar und in seiner Weiterführung vorhersehbar. Cyrus ist nicht einfach nur böse, später will er zur neuen Inkarnation des Superschurke Nemesis werden. Es gibt diesen einen Jungen, der nie an den Tod des Samaritan geglaubt hat, und genau der wird Zeuge wie sich Joe zu erkennen gibt. In der Filmmitte äußert sich der Held, was den als überraschende Wendung gemeinten Schluss vorwegnimmt. Es ist traurig, dass sich dies auf jeden einzelnen Punkt in der Handlung herunter brechen lässt.

Was hier so streng auf Massentauglichkeit im Baukastensystem zusammengesetzt wurde, hat keinen Fluss und wirklich nichts Eigenes. Das ist umso ärgerlicher für die technische Umsetzung in Bild, Schnitt und Ton. Hier sind richtige Profis am Werk, die genau wissen was sie tun. Da stimmen die Schnittfolgen und Kameraeinstellungen, der Film ist also optisch ansprechend und besticht mit einem ordentlichen Tempo. Da lassen auch Tonmischung und –effekte nichts zu wünschen übrig.

Doch solides Handwerk schützt nicht vor dem Ärgernis, als welches sich SAMARITAN zeigt. In der Zeit wo Marvel noch immer extrem viel Geld verdient, aber deren Filme selbst kaum noch Momentum schaffen, ist SAMARITAN der schlechteste Vertreter, um Superheldenfilme zu protegieren. LAST VOYAGE OF THE DEMETER erzählt die spektakuläre Reise des Schiffs, welches Dracula und seine 24 mit Heimaterde gefüllten Särge nach London bringt. Und es gruselt einen schon jetzt zutiefst, dass Bragi Schut auch dazu das Drehbuch verfasst hat.

Samaritan 1 - Copyright Metro-Goldwyn-Mayer Pictures

 

Darsteller: Sylvester Stallone, Javon ‚Wanna‘ Walton, Pilou Asbaek, Dascha Polanco, Sophia Tatum, Moises Arias, Martin Starr u.a.
Regie: Julius Avery
Drehbuch: Bragi F. Schut
Kamera: David Ungaro
Bildschnitt: Pete Beaudreau, Matt Evans
Musik: Kevin Kiner, Jed Kurzel
Produktionsdesign: Greg Berry, Christopher Glass
USA / 2022
103 Minuten

Bildrechte: Metro-Goldwyn-Mayer Pictures
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